Da spotten sogar die Engländer Löw erträgt die Elfmeter-Persiflage gelassen

Tauschten häufig die Plätze - Manuel Neuer (l.) und Gianluigi Buffon.

Tauschten häufig die Plätze - Manuel Neuer (l.) und Gianluigi Buffon.

(Foto: imago/PanoramiC)

Die Jungen treffen, die Weltmeister sind zu nervös - über das Elfmeterschießen zwischen Deutschland und Italien lachen sogar die Engländer. Nur der Bundestrainer bleibt ganz ruhig und spricht schon vom Endspiel dieser Europameisterschaft.

Niemand hatte erwartet, dass Joachim Löw eine Polonaise anführt, als er nach Mitternacht zur Pressekonferenz erschien. Ein wenig mehr Begeisterung aber hätte nicht überrascht. Doch der Bundestrainer mag's gerne sachlich. Er schraubte seine Wasserflasche zu, verzog die Mundwinkel, zuckte mit den Schultern und sagte im Ton eines Buchhalters: "Ja, war natürlich, sagen wir mal, ein dramatisches Spiel bis zum letzten Schuss sozusagen."

Das ist nicht falsch. In dem intensiven und hart umkämpften Viertelfinale der Fußball-Europameisterschaft zwischen Italien und Deutschland stand es am Samstagabend vor 42.052 Zuschauern im ausverkauften Stadion zu Bordeaux nach 120 Minuten 1:1. Mesut Özil hatte die DFB-Elf nach 65 Minuten in Führung gebracht, Leonardo Bonucci eine knappe Viertelstunde später per Elfmeter ausgeglichen. Was dann folgte, war weniger ein Elfmeterschießen, als eine Persiflage dessen. Die englischen Kollegen auf der Pressetribüne, qua Herkunft Experten, versicherten: "Das war das schlechteste Elfmeterschießen, das wir je gesehen haben." Am Ende aber gewannen doch die Deutschen bei diesem Bolzplatz-Bingo.

Drei Weltmeister verschießen

In der Tat aber war es ein Fehlschussfestival, das so nur selten zu sehen ist. Insgesamt 18 Schützen waren notwendig, um einen Sieger zu ermitteln. Für Deutschland verschossen drei Weltmeister: Thomas Müller, Mesut Özil und Bastian Schweinsteiger. Bei den Italienern versagten Simone Zaza, Graziano Pellé, Leonardo Bonucci und Matteo Darmian die Nerven. Es lässt sich nicht erklären, dass gestandene Berufsfußballer den Ball aus elf Metern nicht ins Ziel bringen. Bemerkenswert war, dass mit Joshua Kimmich der jüngste Spieler seines Teams traf. Und auch Jonas Hector, der den entscheidenden Strafstoß versenkte und hinterher beteuerte, als Profi noch nie zuvor angetreten zu sein. "Das war natürlich super", lobte der Bundestrainer. "Bei ihrem ersten Turnier, vor so einer Kulisse."

Joachim Löw

Joachim Löw

(Foto: imago/Moritz Müller)

Dabei waren die Etablierten durchaus vorangegangen, wie Löw berichtete: "Der Mesut hat gleich gesagt, er schießt. Der Thomas Müller ja auch." Dabei hatte Özil noch beim 3:0 im Achtelfinale einen Elfmeter vergeben. "Julian Draxler habe ich gefragt, das sagte er: Ja, er geht auf jeden Fall hin." Die ersten fünf, die antreten, hätten sich schnell gefunden. "Das muss man dem Spieler auch ein bisschen selbst überlassen, wie fühlt er sich." Doch Gefühle können trügen. "Wir haben ja normalerweise gute Elfmeterschützen, obwohl einige heute verschossen haben." Löw wirkte nicht so, als hadere er damit. Die ganze Zeit über war er ruhig geblieben und verschwand, als alles vorbei war, während seine Spieler auf dem Rasen ihr Glück kaum fassen konnten. "Nach dem Schlusspfiff, klar, habe ich mich auch gefreut, bin in die Kabine, wollte ein bisschen Ruhe, weil es war ja auch 120 Minuten hektisch genug."

Buchhalter im Bundestrainer

Für seine Spieler gelte: "Heute können wir uns ein bisschen ausfreuen, und dann sehen wir weiter." Denn das kontinentale Kräftemessen in Frankreich ist ja noch nicht zu Ende, auch wenn die DFB-Elf mit Italien just den vermeintlich stärksten Gegner niedergerungen hat. Am Donnerstag geht es im Halbfinale in Marseille gegen den Sieger der Partie Frankreich gegen Island, das heute (ab 21 Uhr im Liveticker bei n-tv.de) stattfindet. Und dann kam wieder der Buchhalter im Bundestrainer zum Vorschein: "Natürlich, wenn man im Halbfinale steht, heißt das Ziel, das Finale zu erreichen. Jetzt wollen wir auch mehr."

Darüber, dass eine deutsche Mannschaft erstmals bei einem Turnier Italien besiegt hatte, sprach Löw nicht. Zu triumphieren würde auch nicht zu ihm passen, zumal am Ende unglaublich viel Glück im Spiel war. Aber der Bundestrainer macht in diesen Wochen insgesamt den Eindruck eines Mannes, der in sich ruht. Und der es nicht nötig hat, für sich zu werben. Nur einen Hinweis gestattete er sich dann doch: "Wir waren über das Spiel hinweg die überlegene Mannschaft. Wir hatten noch einige Chancen und hätten den Sack zumachen können." So aber blieb es spannend bis zum letzten Schuss.

Quelle: ntv.de

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