Der DFB-Sieg im Schnellcheck Neuer, Neuer, Neuer, Neuer, Neuer
12.06.2016, 23:35 Uhr
Hat er gut gemacht, der Manuel Neuer.
(Foto: imago/MIS)
Durchatmen, drei Punkte verbuchen und dann schnell weg aus Lille: Die DFB-Elf startet gegen die Ukraine erfolgreich in die Fußball-EM, nimmt aber trotz eines überragenden Manuel Neuer einige Hausaufgaben mit zurück nach Evian - und einen euphorisierten Teilzeit-Kapitän.
Das ist im Stade Pierre Mauroy passiert
Froh seien sie alle, so betonten sie in schöner Reihenfolge, dass die Fußball-Europameisterschaft endlich losgehe. Das dazu passende Zitat könnte man Bundestrainer Joachim Löw ebenso in den Mund legen wie seinem Co-Trainer Thomas Schneider oder jedem beliebigen Spieler, der sich in den vergangenen Tagen den Journalisten im DFB-Camp in Evian stellte. Nun, nach dem Auftaktspiel gegen die Ukraine, darf man den Satz wohl getrost umformulieren in: "Wir sind froh, dass es vorbei ist." Zwar endete das erste Spiel der Auswahl von Bundestrainer Joachim Löw dank den Treffern von Shkodran Mustafi (19.) und Bastian Schweinsteiger (93.) im mit 50.186 Zuschauern ausverkauften Stade Pierre Mauroy erfolgreich 2:0 (1:0). Als euphorisierender Kickstart für die Mission "EM-Titel 2016" taugte die Leistung gegen überraschend forsche Ukrainer über weite Strecken aber nicht.
Die Highlights
5. Minute: Jaja, für den ersten Aufreger sorgt die Ukraine: Mustafi stümpert auf der linken Seite, Artem Fedetsky bringt den Ball mit einem einfachen flachen Pass auf Strafraumhöhe, da lauert Yevhen Konoplyanka und zwingt Kapitän, Titan und Springbock Manuel Neuer aus knapp 16 Metern zu einer fliegerischen Großtat.
19. Minute, TOR FÜR DEUTSCHLAND, 1:0: Ausgerechnet Mustafi, in der 5. Minute noch wackelig wie ein Lämmerschwanz, steigt nach einem präzisen Freistoß-Geschoss von Standard-Monster Toni Kroos am ukrainischen Fünfmeterraum am höchsten – und lässt die deutsche Vertretung mit dem kurzärmeligen Bundestrainer ausgelassen jubeln. Der Freistoß-Pfiff fällt indes eher in die Kategorie "Kannste machen, musste aber nicht".
26. Minute: Mustafi ist bisher der Mann des Spiels – ohne Frage. Wann immer es gefährlich wird, ist der Innenverteidiger in unmittelbarer Nähe des Geschehens. So auch nach einer ukrainischen Ecke, als er den Ball bereitwillig für Yevhen Khacheridi durchlässt, dessen Kopfball aber erneut von Neuers Pranke entschärft wird.
29. Minute: Señor Kroos zeigt, warum sie ihn bei Heimatklub Real Madrid so sehr schätzen. Wie ein American-Football-Quarterback serviert er Sami Khedira aus über 50 Metern tafelfertig den Ball, das DFB-Schlachtross nimmt diesen technisch nicht minder elegant mit, scheitert dann aber aus wenigen Metern am glänzenden Andry Pyatov.
36. Minute: Warum Jérôme Boateng der beste Innenverteidiger der Welt ist? Nun, weil er einfach alles richtig macht. Innerhalb einer Sekunde klärt er gleich zweimal, einmal kurz vor der Torlinie, einmal mitten drauf. Und das auch noch rechtzeitig, wie die Torlinien-Technik allen empörten Frühjublern beweist.
52. Minute: Erster Aufreger in Halbzeit zwei: Kroos erinnert sich an seine fantastische Schusstechnik und nagelt den Ball aus 18 Metern knapp drüber, dem Vernehmen nach soll das Leder sogar noch das linke Lattenkreuz leicht touchiert haben. Am Ende des Tages auch egal, denn "Nicht drin ist nicht drin".
57. Minute: Die Ukrainer melden sich in den zweiten 45 Minuten an. Yaroslav Rakitskiy visiert mit einem wuchtigen Freistoß die rechte untere Torecke des DFB-Gehäuses an. Netter Versuch, aber Deutschland hat, nur zur Erinnerung, den titanesken Neuer. Wieder Bestnoten für den Schnapper.
61. Minute: Kleines Tänzchen von Mesut Özil, dann eine kurze Ball-Weitergabe an Khedira, der hat Platz und eine gute Idee: einfach mal draufhauen. Seinen strammen Hammer aus 25 Meter kann der aufmerksame Pyatov mit einer schönen Flugeinlage entschärfen.
88. Minute: Herrje, dieser Mustafi, stets gefährlich. Nach einem langen Abschlag von Pyatov, der unmittelbar zuvor eine erfolgreiche Özil-Aktion verhindert hatte, ist der Spanien-Legionär mit dem Kopf zur Stelle, will das Spielgerät im No-Look-Modus zu Neuer weiterleiten. Blöd nur: Mustafi sieht so nicht, dass Neuer schon ein paar Meter aus seinem Gehäuse herausgeeilt war. Der Ball segelt Richtung Tor, geht aber letztlich knapp vorbei.
93. Minute, TOR FÜR DEUTSCHLAND, 2:0: Solche Geschichten, jaja schon gut, wir hören ja auf. Aber: Bastian Schweinsteiger, ausgerechnet der hat getroffen. Gerade eingewechselt, hält der DFB-Chef den Fuß in eine Özil-Hereingabe und drückt den Ball aus acht Metern sehr sehenswert hinter die ukrainische Torlinie. Was für ein (fünfminütiges) Comeback von Mr. Calm!
Teams & Tore
Deutschland: Neuer – Höwedes, Boateng, Mustafi, Hector – Khedira, Kroos – Müller, Özil (90. Schweinsteiger), Draxler (78. Schürrle) – Götze; Trainer: Löw;
Ukraine: Pyatov – Fedetsky, Khacheridi, Rakytsky, V. Shevchuk – Sydorchuk, Stepanenko, Yarmolenko, Kovalenko (74. Sintchenko), Konoplyanka – Zozulya (66. Seleznyov); Trainer: Fomenko;
Tore: 1:0 Mustafi (19.), 2:0 Schweinsteiger (93.)
Zuschauer: 50.186, Stade Pierre Mauroy
Schiedsrichter: Martin Atkinson (England)
Was war gut?

Zwei DFB-Männer des Spiels: Torwart-Titan Manuel Neuer herzt Blitztorschütze Schweinsteiger.
(Foto: imago/Moritz Müller)
Auf diese Frage kann es nur eine Antwort geben: Manuel Neuer. Nicht, dass es je auch nur den Hauch eines Zweifels an den Fähigkeiten des Welttorhüters gegeben hätte. Trotzdem ist es gut, wenn er den Gegner regelmäßig mal daran erinnert, wie verdammt schwer es ist, den Ball an ihm vorbeizubekommen. Mit drei Teufelskerl-Paraden entschärfte er hochkarätige ukrainische Abschlussversuche (5./26./57.). Strahlte auch so eisenharte Gelassenheit aus, ließ alle Gegenspieler bei hohen Hereingaben einfach an seinem Körpermassiv abprallen. Ein wahrer Kapitän (siehe unten).
Was war nicht gut?
Die defensive Organisation der deutschen Mannschaft. Dabei war gerade an der in den vergangenen Tagen eifrig nachjustiert worden. Und das durchaus mit Erfolg, wie Co-Trainer Schneider noch am Freitag erklärt hatte. Unter knallharten Wettkampfbedingungen offenbarte die frisch überarbeitete Verteidigungsmaschine aber noch einige handwerkliche Schwächen. Auf beiden Außenbahnen bekamen die ukrainischen Spitzenjungs Konoplyanka und Andrej Yarmolenko vor allem in der ersten Halbzeit ausreichend Platz, um ihre technischen Fähigkeiten bewundernswert in Szene zu setzen. Und in der Mitte wirkte Hummels-Vertreter Mustafi nicht immer so, als wüsste er, wo gerade Kasatschok getanzt wird. Dringende Empfehlung: Weiter fleißig nachjustieren.
Wie war der Schiedsrichter?
Martin Atkinson, der Grandsigneur unter den EM-Referees, hatte keinerlei Probleme mit der fairen Partie, genoss wie üblich große Akzeptanz und amtierte gewohnt unaufgeregt, urteilt unser n-tv.de Experte Alex Feuerherdt. Dennoch bisweilen mit uneinheitlicher Linie: Großzügig, Kroos (17., Hand im Gesicht von Kovalenko) und Fedetsky (45.+1, rüde Grätsche gegen Draxler) nicht zu verwarnen. Kleinlich dagegen die Freistoßentscheidung vor dem 1:0, als Rakytsky gegen Müller in erster Linie den Ball spielte. Zudem nach langer Verletzungspause mit erkennbarem Konditionsrückstand. Korrekt entschieden allerdings, den vermeintlichen Ausgleichstreffer für die Ukraine in der 39. Minute wegen Abseits von Yarmolenko nicht anzuerkennen. Glänzend gesehen zudem, dass Vorlagengeber Özil vor dem 2:0 in der eigenen Hälfte startete und deshalb nicht im Abseits war. Konsequent bei Konoplyankas taktischem Foul, das zu Recht mit Gelb geahndet wurde (68.).
Der Kapitän des Spiels
Bastian Schweinsteiger war es nicht. Das war schon vorher klar. Denn der verlängerte Arm des Bundestrainers ist ja nach wie vor nicht fit für einen Startelf-Einsatz. Also musste Löw umplanen, das empfand er allerdings als deutlich weniger aufregend als manch ein Medium. So erklärte Löw noch einen Tag vor dem Spiel recht gleichgültig: "Für mich spielt es eigentlich keine Rolle, wer Bastian Schweinsteiger mal vertritt." Eine Entscheidung musste er aber trotzdem treffen, sie lautete: Manuel Neuer. Keine besonders große Überraschung, schließlich war der schon am 2. September 2014 zum offiziellen Stellvertreter Schweinsteigers ernannt worden und durfte sich seitdem bereits acht Mal das Kapitäns-Insignium des DFB umbinden. Sein Debüt als Rudelhäuptling feierte er übrigens einen Tag nach seiner Stellvertreter-Nominierung, bei der Neuauflage des WM-Finals gegen Argentinien (2:4) in Düsseldorf.
So war es im Stadion
Also sprach n-tv.de Spielbeobachter Stefan Giannakoulis: "Hurra, hurra, die Deutschen, die sind da!", riefen sie schon vor dem Anpfiff, als die ersten Spieler der DFB-Elf auf den Rasen kamen, um sich aufzuwärmen. Nach der Randale am Nachmittag, als 50 deutsche Hooligans auf der Place Charles de Gaulle in Lilles Innenstadt Fans aus der Ukraine angegriffen hatten, klang das wie Hohn in den Ohren aller, die der einzig vernünftigen Meinung sind, dass diese Gewalt ekelhaft ist. Ja, wissen wir auch, nicht alle über einen Kamm, die Mehrheit ist friedlich - aber klang halt unpassend. Und die "Sieg!"-Rufe nach dem 1:0 von Mustafi machten es auch nicht gerade besser. Ansonsten aber: Ein feines Stadion haben sie in Lille, sehr kompakt mit einigermaßen steilen Rängen. Die Russen, die Slowaken, die Schweizer, die Franzosen, die Italiener und die Iren dürfen sich freuen. Sie spielen nämlich allesamt auch noch in Lille. Dazu gibt's ein Viertelfinale und zuvor ein Achtelfinale - mit der deutschen Mannschaft, wenn sie ihre Gruppe C gewinnt. Hurra!
Quelle: ntv.de