Wie Bosch, nicht wie Boss BVB und Bosz wollen "zusammenwachsen"
06.06.2017, 16:49 Uhr
Peter Bosz soll bei Fußball-Bundesligist Borussia Dortmund eine erfolgreiche Epoche einleiten. Zugleich müssen die Tuchel-Wunden geheilt werden. Die offizielle Vorstellung lässt eine Schönwetterfront vermuten.
Wer das Wetter im Ruhrgebiet als Bild heranziehen wollte, konnte rosige Zeiten für das börsenorientierte Fußballunternehmen Borussia Dortmund heraufziehen sehen: Auf dem Weg zur kurzfristig anberaumten Pressekonferenz im Pressebereich des Dortmunder Stadions, verzog sich auf der B1 der graue Regenschleier, die Wolken rissen auf und die Sonne brach durch. Eine Schönwetterfront im Anmarsch auf den BVB nach all dem unsäglichen Theater um die Demission von Thomas Tuchel, die den Verein in den letzten Wochen in Atem gehalten hatte?
Mit dem Niederländer auf der Bank, so die Hoffnung, soll nicht nur beim börsenorientierten Fußballunternehmen eine sportlich erfolgreiche Epoche eingeläutet werden, sondern auch Frieden einkehren. Die Sehnsucht nach Harmonie ist groß beim Revierklub nach einer Saison, in der mit dem Pokalsieg und dem direkten Widereinzug in die Champions League zwar alle sportlichen Wünsche erfüllt wurden, die jedoch aufgrund des Sprengstoffanschlags auf die Mannschaft vom 11. April und der folgenden Schlammschlacht zwischen Tuchel und den BVB-Gewaltigen um Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke Wunden hinterlassen hat, die noch längst nicht verheilt sind.
Bosz freut sich auf die "legendäre Gelbe Wand"
Insofern der Wunsch greifbar nach ruhigen Zeiten, in denen über nichts anderes debattiert wird, als über die Auftritte der Profis auf dem Rasen. Die Person, die beim achtmaligen Deutschen Meister für die Rückkehr eines gedeihlichen Betriebsklimas sorgen soll, heißt Peter Bosz. "Der BVB ist unter den zehn größten Vereinen Europas, da freue ich mich drauf, genau wie auf die legendäre Gelbe Wand", sagte der neue Mann, der bei seiner Vorstellung einen aufgeräumten und gut gelaunten Eindruck hinterließ. Und weiter: "Ich bin überzeugt, dass dies genau der richtige Schritt in meiner Trainerkarriere ist." Die Wertschätzung beruht auf Gegenseitigkeit. Er habe vom ersten Gesprächstermin an "ein sehr gutes Gefühl gehabt", betonte Watzke, "da kann durchaus etwas zusammenwachsen."
Mit Bosz, so der erste Eindruck, hat der BVB einen geeigneten Nachfolger für den sportlich erfolgreichen, aber menschlich schwierigen Thomas Tuchel gefunden. Zumindest ergibt dies der Eindruck, wenn man die positiven Punkte zusammenträgt, die der Niederländer in seinem Portfolio vorweisen kann: Er ist ein bekennender Anhänger des holländischen Fußball-Heiligen Johann Cruyff und des katalanischen Erfolgstrainers Pep Guardiola, die beide für einen offensiven, attraktiven und technisch versierten Erlebnisfußball stehen. "Die Art und Weise, wie er seine Mannschaften Fußball spielen lässt, ist nicht komplett unähnlich von der, wie wir als Verein und die Fans das sehen wollen", sagt Michael Zorc.
Dortmund als Ausbildungsverein
Allerdings ist auch der neue Dortmunder Trainer nicht gerade pflegeleicht. So berichtete die niederländische Tageszeitung "De Telegraaf", Bosz habe sich mit Teilen des ständigen Assistenz-Teams von Ajax Amsterdam überworfen, dem unter anderem auch die Vereins-Ikone Dennis Bergkamp angehört. Das könnte dazu geführt haben, dass der BVB Tuchels Nachfolger relativ problemlos aus seinem bis 2019 datierten Vertrag herauslösen konnte. Wie der "Kicker" berichtete, musste die Borussia weit weniger als die zunächst kolportierten fünf Millionen an Ablöse zahlen, das Fachblatt nennt als Betrag drei Millionen.
In Dortmund sind sie gespannt, welche Akzente Bosz setzen kann. Schließlich hat er in seinem einen Jahr in Amsterdam eindrucksvoll nachgewiesen, dass er in der Lage ist, junge, veranlagte Spieler an das internationale Spitzenniveau heranzuführen. Und von denen gibt es ja in Dortmund jede Menge. Jüngst gab der BVB bekannt, mit dem 18-jährigen Manndecker Dan-Axel Zagadou den nächsten Hochkaräter ins Revier zu holen. Der Kapitän der französischen Junioren-Nationalmannschaft kommt ablösefrei von Paris Saint-Germain, hinter ihm waren zahlreiche europäische Top-Klubs her.
Borussia Dortmund sieht sich also weiterhin als Ausbildungsverein auf höchstem Niveau. Allerdings, das machen die Erfahrungen mit Thomas Tuchel deutlich, geht es in diesem Verein nicht nur um die harten fachlichen, sondern auch um die weichen zwischenmenschlichen Faktoren. Was ihn zuversichtlich stimme, dass die Chemie dieses Mal stimmen werde, wurde Watzke gefragt. Der mochte über Tuchel nicht sprechen, "das Thema ist abgeschlossen, da werden sie von mir nichts mehr zu hören". Der neue könnte ihm und seinen Mitstreiter Michael Zorc jedoch durchaus näher sei, wie Watzke betonte. Eine Garantie gäbe es zwar nicht, "aber es gibt eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass es klappen wird. Unsere Gespräche waren von großer Wertschätzung und Respekt geprägt."
Der BVB und Bosz, das könnte also passen. Vor dem Euro-League-Finale, das Ajax in Stockholm gegen Manchester United verlor, verriet der Mann, der 1998 auch ein halbes Jahr in der Bundesliga für Hansa Rostock auflief: "Auf dem Platz war ich ein Zerstörer, aber das macht mir als Trainer keinen Spaß. Ich will auf der Bank einen lustigen Nachmittag erleben, die Fans sollen das auch. Das gelingt nicht mit negativem Fußball." Setzt der neue Mann seine Ankündigung im Ruhrgebiet um, dürfen sich die Anhänger auf vergnügliche Zeiten freuen.
Quelle: ntv.de