Smells like Teamspirit DFB-Elf vermisst ihre Weltklasse nicht
29.06.2017, 16:43 Uhr
Er organisiert, er ordnet, er schiebt - so versteht Shkodran Mustafi seine Rolle als Führungsspieler.
(Foto: picture alliance / Marius Becker)
Sie sind jung, aber nicht naiv. Und so wollen die deutschen Fußballer gegen aggressive Mexikaner liebend gerne ins Finale des Confed Cups einziehen. Nicht nur einer ist froh, dass die Weltmeister-Kollegen nicht dabei sind.
Worum geht's?
Nach der durchaus fruchtbaren Phase des Experimentierens und nachdem Bundestrainer Joachim Löw bis auf Torhüter Kevin Trapp alle Spieler seines Confed-Cup-Kaders bei diesem Turnier eingesetzt hat, geht es jetzt darum, das Endspiel am Sonntag in St. Petersburg zu erreichen, um nach dem 1:1 im Gruppenspiel ein zweites Mal gegen Chile zu spielen. Und dafür muss die deutsche Fußball-Nationalmannschaft heute (ab 20 Uhr im Liveticker bei n-tv.de) in Sotschi gegen Mexiko gewinnen.
Assistenztrainer Marcus Sorg hatte am Dienstag vor dem Training noch einmal davon geschwärmt, wie schön es gewesen sei, all die neuen Spieler kennenzulernen - und dann gesagt: "Nichtsdestotrotz: Wenn man dann einmal im Halbfinale steht, möchte man auch versuchen, das optimal zu gestalten." Guter Plan! Und was sagt Löw? Wo geht die Reise hin? Zum Spiel um Platz drei, das ebenfalls am Sonntag steigt, allerdings schon ab 14 Uhr? Oder doch zum Endspiel? Der Bundestrainer überlegte kurz und sagte dann: "Das Bauchgefühl ist St. Petersburg."
Wie ist die Ausgangslage?
Im Grunde hat das Trainerteam, gemessen an den eigenen Vorgaben, bereits alles erreicht: "Wir haben mehr Alternativen, mehr Konkurrenzkampf geschaffen. Das war das Ziel", sagte Löw. "Und was mich auch freut, ist nicht nur die Leistung einzelner Spieler, sondern dass dieses Team auch sehr gut harmoniert, auch außerhalb des Platzes. Sie haben einen unheimlichen Teamspirit entwickelt." Bei all seinem Tun geht es, das hat er oft genug betont, darum, den WM-Titel im kommenden Jahr in Russland erfolgreich zu verteidigen. Und so zeigte er sich am Tag vor dem Halbfinale mit seiner Mannschaft, dem deutschen Fußball im Allgemeinen und auch mit sich selbst durchaus zufrieden.
Deutschland: ter Stegen - Ginter, Mustafi, Süle - Kimmich, Can, Rudy, Hector - Goretzka, Draxler - Stindl. - Trainer: Löw
Mexiko: Ochoa - Márques, Reyes, Moreno, Alanís - dos Santos, Herrera, Fabián - Vela, Hernandez, Lozano. - Trainer: Osario
Schiedsrichter: Nestor Pitana (Argentinien)
In der Tat lässt sich konstatieren, dass seine Entscheidung richtig war, mit Jérôme Boateng, Mats Hummels, Thomas Müller, Sami Khedira, Mesut Özil und Toni Kroos sechs Weltmeister zu Hause zu lassen. Zudem fehlen ja noch, weil verletzt oder angeschlagen, Manuel Neuer, Mario Götze und Benedikt Höwedes, die ebenfalls in Brasilien entscheidende Rollen spielten - sowie Julian Weigl, Ilkay Gündogan, Kevin Volland und Marco Reus. Die Idee sei ihm, berichtete der Bundestrainer, nach dem Titelgewinn 2014 in Brasilien gekommen, als viele Spieler verletzt waren und das Team von den ersten vier Partien danach nur eine gewann. "Da habe ich wieder gesehen, wie unglaublich anstrengend so ein Turnier für die Spieler ist."
Wie ist die DFB-Elf drauf?
Die jungen Leute freuen sich, mitmachen zu dürfen, das hat mittlerweile jeder von ihnen mindestens einmal gesagt. Und wenn es nur die Mini-WM ist. Der Verdacht drängt sich auf, dass das bei den etablierten Kräften unter Umständen nicht ganz so gewesen wäre. Eine Vermutung, die auch Co-Trainer Sorg teilt, wie er am Dienstag sagte: "Die Spieler, die jetzt dabei sind, tun sich etwas leichter mit diesem Turnier, weil sie es wahrscheinlich mehr wertschätzen als die anderen." Shkodran Mustafi zum Beispiel, der Innenverteidiger des FC Arsenal, war zwar als einer von drei Spielern dieses Perspektivteams schon bei der WM 2014 dabei, weiß es sehr zu schätzen, dass er nun an Bedeutung für das Kollektiv gewonnen hat: "Das war schon etwas Besonderes, dass der Trainer mir die Aufgabe gegeben hat, die Mannschaft von hinten zu führen." Sonst seien ja stets andere Spieler wie "Jérôme, Mats, Toni, Mesut und Sami dabei gewesen", die sich darum gekümmert hätten.
Beim 3:2 gegen Australien und gegen Chile hatte Mustafi an zentraler Stelle die Dreierabwehrkette organisiert, heute wird er das mutmaßlich wieder tun - mit dem Dortmunder Matthias Ginter und dem Hoffenheimer Niklas Süle, der ab Samstag Angestellter des FC Bayern ist. Und wie führt man an, Herr Mustafi? "Das muss man nur auf dem Platz. Außerhalb ist jeder professionell genug, um zu wissen, was er zu tun hat. Das ist jetzt nicht so, dass man als Aufpasser fungiert und sagen muss, was geht und was nicht. Auf dem Platz muss man lautstark sein, organisieren und mit den anderen reden - weil von meiner Position aus sieht man fast alles. Wenn man da seinen Kollegen Tipps geben, sie dorthin schieben kann, wo man sie braucht - das heißt für mich, eine Mannschaft zu führen."
Was machen die Mexikaner so?
Der Bundestrainer hat es vor dem Spiel gegen den Goldcupsieger um die Angreifer Javier Hernandez von Bayer Leverkusen und Carlos Vela von Real Sociedad San Sebastián so formuliert: "Ich glaube, es wird ein aggressives Spiel - im positiven Sinne. Mexikos Spielstil ist den Ball jagen, sie haben eine unglaublich gute Dynamik." Das sieht auch der Kölner Jonas Hector so, der heute wieder die linke Seite bearbeiten wird: "Sie gehen sofort ins Gegenpressing bei Ballverlust des Gegners. Wir müssen unser Spiel nach vorne durchbringen, darauf kommt es an."
Mexikos Trainer Juan Carlos Osorio verwendete derweil viel darauf, sein Team in der Rolle des Außenseiters zu positionieren. Klar würden der DFB-Elf viele bekannte Gesichter fehlen. Doch die, die dabei seien, könnten schließlich auch Fußball spielen. "Jung zu sein und Erfahrung zu haben sind zwei verschiedene Dinge", sagte er und wählte einen Vergleich aus der Medizin: "Man kann mit 30 Jahren zur Uni gehen, Herzchirurg werden und keine Erfahrung haben. Oder man kann mit 21 studieren und anschließend in der Notaufnahme einer großen Stadt arbeiten und zehn Operationen an einem Wochenende haben. Mit 22 oder 23 hat man dann wesentlich mehr Erfahrung als ein 30-jähriger Herzchirurg." Dem stimmte Hector weitgehend zu: "Es ist ja nicht so, dass wir bisher komplett naiv in die Spiele reingegangen sind."
Quelle: ntv.de