Der Bundesliga-Check: München Das letzte Hurra der lahmen Bayern-Ente?
13.08.2015, 09:42 UhrEndlich wieder Hollywood! Der Schweinsteiger-lose FC Bayern München dominiert künftig wieder Ball und Boulevard. Dafür sorgen sensationelle Neuzugänge und ein Starcoach, der angeknockt in den Seilen hängt. Nur die Konkurrenz hat davon nix.
Als Josep Guardiola im Sommer 2013 seinen Job in München antrat, war es, als würde Elvis sein Comeback in Vegas geben. Der Spanier kam nicht einfach in die Bundesliga. Er erschien. Mit einer Pressekonferenz, die mehr als 200 Journalisten aus aller Welt verfolgten. Für das erste Training richteten die Kollegen von "Spiegel Online" extra einen Live-Ticker ein, ein Eintrag atemberaubender als der andere. "Die Bratwurststände haben geöffnet." - "In der Tat wirkt Guardiola recht ernst, fast angespannt." - "Oha, jetzt hat Guardiola offenbar schon beim 5 gegen 2 etwas zu beanstanden." Nein! Doch! Oh!

Josep Guardiola hat in zwei Jahren zwei souveräne Meisterschaften mit dem FC Bayern gewonnen. Trotzdem hat er an Glanz verloren.
(Foto: imago/Eibner)
Zwei Jahre später hat die Pep-Mania an Schwung verloren, und mehr als das: Der Bayern-Trainer muss sich Kritik anhören. Vor dem Testspiel gegen Real vernahm man vereinzelte Buh-Rufe im Münchner Stadion, die wohl von den eigenen Fans stammten. Aus der Ferne schießen die Lothar Matthäus' dieser Fußball-Welt gegen Guardiola. Mario Götze moserte mehr oder weniger deutlich. Und auf dieser Seite musste der 44-Jährige sich schon "Der Guttenberg des Fußballs" nennen lassen, was natürlich der Größte Anzunehmende Humbug ist. Sogar José Mourinho hätte sich so einen Vergleich verkniffen.
Was Guardiola verbrochen hat? Vor allem hat er die Champions-League in den vergangenen beiden Jahren nicht gewonnen. Gegen Real Madrid hatte er sich vercoacht, gegen den FC Barcelona hatte sein verletzungsgeplagtes Team schlicht keine Chance. In seinem letzten Vertragsjahr zählt nur eins: das Triple. Als verspricht die Saison ordentlich Druck für Guardiolas Bayern – und eine schöne Portion Hollywood für Medien und Fans.
Was gibt’s Neues?
Auf die größte Neuigkeit müssen Fans und Medien noch warten: Verlängert er oder nicht? Josep Guardiolas Vertrag läuft am 30. Juni 2016 aus. Die Klubbosse würden den Spanier gerne halten, aber Manchester City lockt mit sehr vielen, sehr guten Argumenten. Sagen will Guardiola zu dem Thema rein gar nichts, er reagiert einigermaßen gereizt auf solche Fragen - was bei einem so erfahrenen Profi gespielt wirkt. Der Bayern-Trainer müsste genau wissen, was seine Zögerlichkeit bei den Medien auslöst. Die Indizien sprechen jedenfalls nicht gerade dafür, dass Guardiola ein zweites Mal seine Unterschrift unter ein Arbeitspapier mit dem FC Bayern setzt. Das lädt die Saison mit zusätzlicher Bedeutung auf: als letzte Chance, es den Kritikern zu zeigen. Die legen Guardiola mittlerweile alles zu seinen Ungunsten aus: Die vielen Spanier im Klub, den Abschied von Bastian Schweinsteiger – fehlt nur noch das große "Bild"-Interview ("Jetzt spricht Mull!"), in dem Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt den Meistertrainer als soziopathischen Scharlatan outet. Seriösere Medien wie die "FAZ" arbeiten sich gerade an der Frage ab, ob Guardiola ohne einen neuen Vertrag zur "Lame Duck" werde, zur lahmen Ente, auf die keiner im Klub mehr hört. Dazu nur zwei Worte: Jupp Heynckes.
Auf wen kommt es an?
Schaut man sich die vergangene Saison an, ist man verleitet, zu sagen: auf den Fußballgott. In den entscheidenden Spielen fehlten den Bayern Franck Ribery und Arjen Robben – und, nicht weniger wichtig, auch der Österreicher David Alaba. Die Antwort der Bayern auf die unglückliche Fügung: 67 Millionen Euro. Douglas Costa, 30-Millionen-Mann aus Donezk, hat sich in den Testspielen nachhaltig als Alternative zu Ribery und/oder Robben empfohlen. Im Gegensatz zu Robben sucht er weniger den eigenen Abschluss als den Pass, was vor allem Robert Lewandowski zugutekommen könnte. Costa bringt eine Nuance ins Spiel, die den Kurzpass-Bayern zu oft fehlt: Die Überraschung, der unbedingte Zug zum Tor. "Seine Qualität im Eins-gegen-Eins ist Wahnsinn", sagte Guardiola in der Vorbereitung über seine neue Nummer elf.

Arturo Vidal entspricht nicht in allen Punkten dem Profil des Guardiola'schen Wunschspielers.
(Foto: imago/Ulmer)
Arturo Vidal bringt einen Hauch der Hitzfeld-Bayern zurück an die Säbener Straße. Bislang tauchte "Aggressive Leader" nicht im Sprachschatz von Guardiola auf, doch genau das soll der Chilene sein. Im Gegensatz zu Bastian Schweinsteiger, der seine Chefrolle eher durch Aura und enorme Ballkontrolle ausübte, kann Vidal seine Autorität körperlich entwickeln. Im Klartext: Er haut gerne mal dazwischen. Als Warnung muss Guardiola das Champions-League-Finale erlebt haben: In Berlin siegte Vidals Herz über sein Hirn, er raste durchs Mittelfeld wie ein betrunkener Teenie im Autoscooter, die Gelbe Karte nach nur elf Minuten war hochverdient, nur die fortwährende Großzügigkeit von Referee Cüneyt Cakir bewahrte ihn vor Gelb-Rot. Wie gerät so ein Pitbull in eine Guardiola-Mannschaft? Olli Kahn behauptete zuletzt sogar, der Spanier hätte den Transfer gar nicht gewollt. Guardiola selbst äußerte sich nur zurückhaltend: "Ein guter Transfer für die nächsten Jahre bei Bayern", sagte er bei "Sky". Also für die Jahre, in denen Guardiola nicht mehr da ist?
Was fehlt?
Ein Backup für Robert Lewandowski. Wenn sich der Pole verletzt, hat Guardiola keinen reinen Neuner mehr im Kader. Nun gilt der Spanier ohnehin als einer der Erfinder der Aufstellung ohne Stoßstürmer, aber am Wichtigsten ist für den Katalanen die taktische Flexibilität. Die geht verloren, wenn Lewandowski fehlt. Thomas Müller kann die Position zwar spielen, aber nicht zu hundert Prozent ausfüllen. Und Mario Götze? Tja, Mario Götze. Der kam unter Guardiola bislang nicht zum Zug und hat sich nun offenbar für die Konfrontation entschieden. "Es war die letzten zwei Jahre auf jeden Fall nicht einfach für mich. Wir werden sehen, was passiert", sagte er nach dem 3:0-Testspielsieg gegen den AC Milan. Klingen da Wechselavancen durch? Begleitet von Kritik gegen seinen Trainer? "Es wird sich herausstellen, ob er mehr mit mir redet", fügte der Weltmeister hinzu. Seitdem wird kräftig über einen Wechsel spekuliert. Klubboss Karl-Heinz Rummenigge ließ durchblicken, dass man Götze keine Steine in den Weg legen würde. "Am Ende ist es der Spieler, der entscheidet", sagte er. Aber: Ohne Ersatz können die Bayern Götze nicht gehen lassen, das ist zu riskant. Den Fehler aus der Winterpause, Pierre-Emile Höjbjerg und Xherdan Shaqiri ziehen zu lassen, wollen sie nicht noch einmal begehen.
Wie lautet das Saisonziel?
Die Bayern haben die Chance, als erste Mannschaft der Bundesliga-Geschichte den Titel viermal in Serie zu gewinnen. Sportvorstand Matthias Sammer hat die vierte Meisterschaft in Folge als "magisch" bezeichnet. Für die Bayern ist sie also so wie für Real Madrid "La Décima". Nur anders. Denn mal ehrlich: Schon bei der Couchmeisterschaft im vergangenen Jahr hat Sammer davon gesprochen, dass seine Spieler und er diesen Titel "im Herzen tragen". Abgenommen hat es ihm kaum jemand. Auch vor dieser Saison beteuern alle Bayern pflichtschuldigst, wie wichtig der Titel ist, hier stellvertretend Manuel Neuer: "Die Bundesliga hat für mich oberste Priorität." Aber gemessen wird der Erfolg dieser Saison vor allem an der Champions League. Um es wissenschaftlich auszudrücken: Die Meisterschaft ist für eine erfolgreiche Saison eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung.
Die n-tv.de Prognose
Es kommt so überraschend wie Arjen Robbens Dribbling nach innen - und ist genauso unaufhaltsam: Die Bayern werden Deutscher Meister.
Quelle: ntv.de