Erst unbelehrbar, dann würdelos Das peinliche Jahr des Uli Hoeneß
26.12.2018, 12:19 Uhr
Erstmals musste Uli Hoeneß im Jahr 2018 auch von den eigenen Fans Pfiffe und Buhrufe hinnehmen.
(Foto: picture alliance / Peter Kneffel)
Uli Hoeneß ist so streitbar wie erfolgreich. Doch 2018 leistet sich der Präsident des FC Bayern München eine Peinlichkeit nach der anderen. Ein Rückblick auf ein Jahr voller Arroganz, Selbstüberschätzung und Würdelosigkeit.
Am 10. März 2018 war die Welt von Uli Hoeneß noch in Ordnung. Der FC Bayern München führte die Tabelle der Fußball-Bundesliga nach 26 Spieltagen mit 20 Punkten Vorsprung an. Gerade hatte der deutsche Rekordmeister 6:0 gegen seinen Lieblingsgegner, den HSV, gewonnen. An der Seitenlinie der Münchner stand noch Jupp Heynckes. Es würde seine letzte Saison als Trainer werden, das hatte der 72-Jährige zu diesem Zeitpunkt schon mehrfach angekündigt. Sogar einen Wunsch-Nachfolger hatte Heynckes den Bayern-Bossen noch ans Herz gelegt: Thomas Tuchel.
Von Tuchel wollten die Bayern-Bosse, angeführt von Präsident Uli Hoeneß, aber nichts hören. Sie waren überzeugt, dass sie ihren alten Freund, den Josef, überzeugen können, noch ein Jahr als Trainer dranzuhängen. Hoeneß sollte sich irren. Heynckes blieb standhaft und ging in Rente.
Dann also doch Tuchel. In einer eilig anberaumten Telefonkonferenz versuchte die Bayern-Führung zwei Wochen später den früheren BVB-Coach hastig vom Job in München zu überzeugen. Zu spät, Tuchel stand inzwischen schon "bei einem anderen Top-Klub im Ausland im Wort". Die Bayern, und vor allem Hoeneß, hatten sich verpokert. Kurzfristig präsentierten sie Niko Kovac von Eintracht Frankfurt als neuen Coach: Plan C. Maximal.
Es sollte für den streitbaren, aber häufig erfolgreichen Präsidenten des FC Bayern die erste Schmach von vielen in einem furchtbaren Jahr 2018 werden.
"Froh, dass der Spuk vorbei ist"
Die zweite ließ nicht lange auf sich warten. Im Sommer, während Bayern-Fans noch leise Hoffnungen hatten, die sportliche Führung würde den alternden Kader doch noch mit frischen, hochkarätigen Kräften verstärken, blamierte sich die deutsche Nationalmannschaft bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Russland. Der Schuldige für das Debakel war unter den Populisten schnell gefunden: Mesut Özil, der lethargische Spielmacher, der Fotos mit dem türkischen Präsidenten gemacht hatte. Und niemand drückte seine Abneigung so liebevoll aus wie Uli Hoeneß. Kurz, nachdem der Arsenal-Profi seinen Rücktritt aus der DFB-Elf angekündigt hatte, holte er aus: "Ich bin froh, dass der Spuk vorbei ist. Der hat seit Jahren einen Dreck gespielt. Den letzten Zweikampf hat er vor der WM 2014 gewonnen", wetterte Hoeneß in Blättern des Springer-Verlags vor dem Abflug der Bayern zur Saisonvorbereitung in die USA. Dass Özil, Erdogan-Foto hin oder her, statistisch gesehen noch zu den besten Spielern einer schwachen Nationalmannschaft gehörte? Wen interessiert's.
Nicht nur Dreck, sondern sogar einen "Scheißdreck" hat in den Augen von Uli Hoeneß Juan Bernat gespielt. Im April desselben Jahres soll das gewesen sein, im Viertelfinale der Champions League gegen den FC Sevilla. Bernat lief als Linksverteidiger für die Münchner auf und war laut Hoeneß "allein dafür verantwortlich, dass wir fast ausgeschieden sind. Und an diesem Tag ist entschieden worden, dass wir ihn abgeben. Weil er uns fast die ganze Champions League gekostet hat". Beeindruckend angesichts der Tatsache, dass Bernat, der mittlerweile Stammspieler im Pariser Starensemble von Tuchel ist, nur in der ersten Hälfte des Hinspiels mitgewirkt hatte.
"Respektlos und widerlich"
Seine denkwürdigen Worte zu Bernat waren Hoeneß auf einer ebenso denkwürdigen Pressekonferenz herausgerutscht. Mitte Oktober war das, nur wenige Minuten nachdem Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge sich, seine Vorstandskollegen und die Mannschaft gegen mediale Angriffe verteidigt hatte. Eine "respektlose und widerliche" und auch faktisch falsche Berichterstattung warf er der deutschen Sportpresse vor. Er scheute sich nicht, in seiner Beweisführung Artikel 1 des Grundgesetzes anzuführen: "Da steht, dass die Würde des Menschen unantastbar ist. Ich weiß nicht, ob der Fußball eine Sonderrolle einnimmt oder ob für den Fußball da eine eigene Gesetzgebung, von gewissen Medien zumindest, sich erlaubt wird." Nein, Karl-Heinz Rummenigge. Das Grundgesetz gilt natürlich für alle Menschen. Ausgeschlossen sind lediglich jene, die Dreck oder Scheißdreck spielen.
Die Quittung für diese Peinlichkeiten erhielten die Bayern-Bosse und vor allem Hoeneß auf der Jahreshauptversammlung der Münchner Anfang Dezember. Pfiffe und Buhrufe gab es und teils deutliche Kritik. Vor allem ein Fan wagte den offenen Angriff: Vereinsmitglied Johannes Bachmayr kritisierte Hoeneß dafür, dass er sich als Präsident und Aufsichtsratsvorsitzender ins operative Geschäft einmischt. Er kritisierte Hoeneß, weil der gegen Bernat nachtrat. Er kritisierte ihn, weil er unter Verweis auf das Grundgesetz die Medien beschimpfte. Und er kritisierte ihn dafür, dass er Bayern-Ikone Paul Breitner von der Ehrentribüne des Stadions verbannen ließ, nur weil der Hoeneß wegen der peinlichen Journalistenschelte gerügt hatte. Bachmayr begann seinen Vortrag mit den Worten: „Früher wollte ich werden wie Uli Hoeneß. Heute, knapp 20 Jahre später, bin ich mir da aber nicht mehr so sicher.“ Er beendete ihn mit diesen: "Der FC Bayern ist keine One-Man-Show."
Und Hoeneß? Der war sprachlos. Angriffe von außen, das kennt er. Aber von innen? Das hatte er noch nicht erlebt. Er müsse erst einmal darüber nachdenken, sagte Hoeneß nach der Hauptversammlung. Er habe ja versprochen, "dass ich sachliche Dinge sage in Zukunft".
Aber die Sprachlosigkeit sollte nicht lange andauern. Nur zwei Tage später setzte sich Hoeneß bei einem Fanklubtreffen zur Wehr. Auf der Jahreshauptversammlung sei ein "Versuch unternommen worden, meinen tadellosen Ruf als Manager, Vorstand und jetzt Präsidenten zu beschädigen. Da waren so viele Unwahrheiten drin, das würde drei Stunden dauern. Ich lehne eine Diskussion auf diesem Niveau total ab. Solange der sich nicht bei mir entschuldigt, werde ich nicht mit ihm sprechen". Würde ist dem FC Bayern eben sehr wichtig. Im Fall von Uli Hoeneß leider nur die eigene.
Quelle: ntv.de