
Das war's, die achte Meisterschaft in Folge ist eingetütet.
(Foto: Jürgen Fromme/firo Sportphoto/PO)
Beim BVB steht Lucien Favre kurz vorm Abschied - oder nicht? Der FC Bayern wird zum achten Mal in Folge Deutscher Meister, doch die obligatorische Feier am Münchner Rathaus entfällt. Während Hertha BSC imponiert, spielt Bayer Leverkusen in der Fußball-Bundesliga plötzlich "inakzeptabel".
Beim BVB üben sie den Purzelbaum
Gestern war der "Tag des Purzelbaums". Warum das relevant ist? Weil ausgerechnet an jenem Mittwoch Lucien Favre eine Rolle rückwärts machte. So fühlte es sich zumindest an, was der Trainer von Borussia Dortmund da fabrizierte. Ganz Fußball-Deutschland spekulierte (und mehr) über den Abgang des Schweizers, da betonte der plötzlich, dass er sich so wohlfühlt bei den Schwarzgelben und seinen Vertrag erfüllen werde. Dabei sah er zuletzt selten glücklich aus, Wohlfühlmomente eigentlich ausgeschlossen. Bei der Topspiel-Niederlage gegen den FC Bayern (0:1) wirkte er wieder einmal unglücklich. Zuerst irritierte er mit seiner Startelf, dann erklärte er - so verstanden es zumindest viele - seinen anstehenden Rücktritt. Naheliegend, wenn man es so schwer hat wie der Favre. Wenn man es niemandem Recht und schon erst gar nichts richtig machen kann. Titelchance vergeben, der Vorwurf, kein Sieger-Trainer zu sein hallt laut nach. Raus in der Champions League, raus im DFB-Pokal, und nun raus im Bundesliga-Kampf. Wieder wird es nichts mit den BVB-Erwartungen. Titel waren versprochen.
Zumindest öffentlich will man das im Klub aber noch nicht wahrhaben: Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke stärkte seinen Coach, erzählte von einer "sehr, sehr guten Rückrunde". Er spielte die alles entscheidende Pleite herunter: "Wir haben nur ein Spiel verloren." Abwarten, ob es am Saisonende wieder einen Purzelbaum gibt - und Favre dann doch abtritt.
FC Bayern - sonst nichts
Die Meisterfeier auf dem Münchner Rathausbalkon fällt in diesem Jahr aus. Nicht, weil der FC Bayern sich in den letzten sechs Spielen noch Patzer erlauben würde. Bei einer derartigen Demonstration der Stärke seit dem Restart wäre ein solches Szenario äußerst unglaubwürdig. Nein, die Corona-Krise vermiest dem FC Bayern etwas den nun sehr sicheren achten Meistertitel in Folge. Oberbürgermeister Dieter Reiter erteilte dem alljährlichen Spektakel auf dem Marienplatz eine corona-bedingte Absage. Nun gut, Manuel Neuer, Joshua Kimmich und Co. dürfte es ziemlich egal sein. Sieg ist Sieg. Titel ist Titel. Meisterfeier ist Meisterfeier. Nach einer Saison mit so manchem Stolperer wird's am Ende doch wieder souverän (und langweilig). Warum? Weil Trainer Hansi Flick maximal kleine Fehler macht. Weil Dauerläufer Kimmich zum Spielbestimmer reift. Weil sogar Franz Beckenbauer staunt. Weil der Zwist mit Torhüter Neuer - zumindest vorerst - vergessen ist. Reichen die Argumente? Danke, bitte.
Hertha amüsiert und imponiert
Festhalten, einfach festhalten! Was so locker klingt, gelang Rune Jarstein nicht. Und damit avancierte der Schlussmann von Hertha BSC bei RB Leipzig (2:2) zum unglücklichen Mann des Spiels. In der 68. Minute probierte es Leipzigs Patrick Schick mit einem Schuss aus 17 Metern. Flach. Scheinbar einfach parierbar. Doch Jarstein hielt ihn nicht fest, wollte nachfassen und schaufelte sich den Ball ins eigene Netz. Er und seine Teamkollegen schauten dem Ball geschockt hinterher, als der ins Tor plumpste. Plötzlich hatte Leipzig die Partie gedreht, es stand 2:1, der norwegische Torhüter vermasselte seinem Team eine gute Leistung. "Ich weiß nicht, was passiert ist", sagte Jarstein nach Abpfiff. "Es war ein ekliger Aufsetzer, ich wollte ihn schnell in die Hand nehmen und dann hab ich ihn mir selbst reingeschlagen."
Erleichtert war er dann nach der Strafstoßentscheidung in der 82. Minute, als Ademola Lookman Matheus Cunha foulte. Krzysztof Piatek verwandelte zum 2:2-Endstand. Bescheiden sagte Jarstein: "Ein 2:2 in Leipzig ist gut für uns. Wir wollen unten raus, da ist jeder Punkt wichtig." Dabei ist "unten raus" ziemlich untertrieben - die "Alte Dame" ist frisch belebt vom neuen Coach Bruno Labbadia. Seit er in der Corona-Pause seinen Dienst antrat, hat sich das Team gewandelt. Antrittsstärker, zweikampfbereiter, zielstrebiger. Seit dem Restart gab es noch keine Niederlage, aus drei Spielen sieben Punkte. Hertha ist jetzt Zehnter, hat schon acht Punkte Vorsprung auf den Relegationsplatz. Nach Chaos-Monaten mit vier Trainern und dem ultimativen Klinsmann-Desaster tun die Berliner gut daran, endlich einmal zu imponieren, statt sich zu blamieren. Da ist dann auch der Jarstein-Slapstick nur eine Randnotiz.
Frankfurt sucht Mut der Verzweiflung
Eben noch Europa League, plötzlich den Abstiegsplätzen nah. Für Eintracht Frankfurt läuft es, gelinde gesagt, bescheiden. Seit sechs Spielen nicht gewonnen, gegen den SC Freiburg eben gerade ein 3:3 erkämpft, abgerutscht auf Tabellenplatz 14. Unerklärlich? Nein, Trainer Adi Hütter hat Ideen. Es liegt an der Chancenverwertung: 35 Torschüsse gab's gegen Freiburg, "das müsste eigentlich reichen, um mehrere Spiele zu gewinnen".
Dabei war das Unentschieden sogar noch glücklich, nach 70 Minuten drohte die sechste Niederlage nacheinander, da stand es 1:3. Und Frankfurt offenbarte neben der Chancenverwertung das nächste Problem: Elf Tore kassierte das Team in den drei Spielen nach der Corona-Pause - also im Schnitt 3,7 pro Spiel. In 24 Spielen zuvor waren es 41 gewesen, lediglich 1,7 pro Partie. Völlig zu Recht bemängelte Stefan Ilsanker: "Wenn wir in jedem Spiel drei, vier oder fünf Tore bekommen, wird es schwer zu gewinnen." Immerhin, ein kleines gutes Gefühl für die Moral gab es: Zurückgekämpft, einen Punkt ergattert, nicht verloren. Am Samstag geht's für die Eintracht nach Wolfsburg - zu einem glänzend aufgelegten Team, das seinerseits den Champions-League-Kandidaten Bayer Leverkusen mit 4:1 abwatschte. Da braucht es Optimismus.
Leverkusen setzt Königsklasse aufs Spiel
Apropos Leverkusen: 2010 bewies die Bayer AG Humor. Seitdem ist "Vizekusen" beim Deutschen Patent- und Markenamt als Markenname eingetragen. Selbstironisches Marketing fügt Bayer 04 Leverkusen eine sympathische Komponente hinzu. Doch wann ist es denn mal wieder so weit? Das Team wurde dem Namen zuletzt in der Saison 2010/11 gerecht, als man hinter dem Meister Dortmund die Saison auf Platz zwei abschloss. Mit einem Sieg gegen den VfL Wolfsburg wäre die Mannschaft von Peter Bosz zumindest vorübergehend auf Position drei geklettert, bis auf einen Punkt ran an den BVB. Vizekusen zum Greifen nah. Doch nichts war's: "Es war schlecht in allen Bereichen", urteilte Bosz gnadenlos. Sein Keeper Lukas Hradecky schloss sich an: "Das war heute inakzeptabel." Die Wolfsburger ihrerseits verfolgen dank eines überzeugenden 4:1-Sieges die Werkself nun in der Tabelle - wenn auch mit satten elf Punkten Abstand.
Bis zu diesem Spiel glänzte Bayer mit der besten Rückrunde der Vereinsgeschichte - das Team zeigte Qualität gepaart mit Mentalität und Konstanz. Kai Havertz bewies immer wieder, warum halb Europa hinter ihm her ist. Die Defensive ließ erst 36 Tore zu, weniger kassierten nur der designierte Meister FC Bayern und RB Leipzig. Zwölf Pflichtspiele gab es ohne Niederlage. Bis zur schmerzhaften Bruchlandung. Um die Champions-League-Qualifikation nicht noch zu verspielen, braucht es dringend Besserung. Nach dem Spiel in Freiburg am morgigen Freitag (20.30 Uhr im ntv.de-Liveticker), wartet dann schon das Duell mit den Bayern. Wo die Punkte zu holen sind, ist offensichtlich.
Quelle: ntv.de