Klopp setzt auf letzte CL-Chance Erschreckender FC Liverpool verliert sich selbst
16.03.2023, 07:15 Uhr
Verzweifelter Reds-Trainer: Jürgen Klopp.
(Foto: IMAGO/Independent Photo Agency)
Gegen ein dominantes und leidenschaftliches Real Madrid hat der FC Liverpool in den beiden Achtelfinal-Duellen der Champions League keine Chance. Jürgen Klopp will das Königsklassen-Aus schnell abhaken. Der Trainer schaut bereits voraus. Was bleibt ihm auch übrig?
Jürgen Klopp konnte es nicht fassen. Als seine Mannschaft in der 76. Minute ihren besten Angriff an diesem Mittwochabend zu Ende gespielt hatte und lediglich ein Eckball heraussprang, schimpfte der Trainer des FC Liverpool wie ein Rohrspatz. Seine Wut richtete sich nahezu an alle Beteiligten der Attacke. Das waren unter anderem Mo Salah, Harvey Elliot, Roberto Firmino und Cody Gakpo. Die Offensivkräfte der Reds hatten das massive Bollwerk von Real Madrid mit einer schönen Kombination herrlich zerlegt, aber dann mehrfach die Chance verpasst, einfach mal zu schießen. Niemand hatte die Traute abzuziehen. Es war der letzte Moment, dieses Duell noch einmal spannend zu machen. Selten war Liverpool dem Tor so nah - und blieb ihm doch so fern.
Wie man es besser machen kann, erfuhren die Reds im direkten Gegenzug. Eduardo Camavinga spielte einen überragenden Pass von Karim Benzema ins Zentrum. Vom französischen Weltfußballer prallte der Ball erst noch zum starken Brasilianer Vini Junior, der dann im Liegen den Ball nochmal zurückspitzelte. Für Benzema war das Veredeln des Angriffs dann nur noch Formsache (78.). Real Madrid gewann das Achtelfinal-Rückspiel mit 1:0 (1:0) und zog souverän in die nächste Runde ein. Was nach dem surrealen Hinspiel, 5:2-Sieg nach 0:2-Rückstand in Anfield ohnehin als sehr wahrscheinlich galt. Weil Real sehr fokussiert agiert und Liverpool in seiner Gesamtheit ein Rätsel bleibt.
Ohne Selbstvertrauen, ohne Tempo
Sollte es bei den Liverpoolern tatsächlich die Hoffnung auf ein Wunder gegeben haben, so verankerte sich das zu keinem Zeitpunkt dieses Spiels in den Köpfen der Engländer. War die erste Hälfte im Estadio Santiago Bernabéu noch einigermaßen unterhaltsam, wurde das Duell nach der Pause zu einem Krampf. Madrid verteidigte mit großer Leidenschaft und der Klopp-Mannschaft fiel gar nichts ein, um irgendwie die Wende einzuleiten. Ohne Selbstvertrauen, ohne Tempo, ohne Spielwitz stolperte Liverpool erschreckend schwach aus dem Wettbewerb. All das, was das Team in seinen besten Zeiten auf den Platz bringt, fehlte an diesem Abend nahezu komplett. Zahlreiche Leistungsträger der vergangenen Jahre hängen fest im Leistungstief. Beim keinem Spieler ist das so deutlich zu sehen wie bei Außenverteidiger Trent Alexander-Arnold, der wie eine ganz schlechte Kopie des Weltklassemanns, der er einmal war, über den Platz schleicht. Dessen Standards und Flanken eine einzige Katastrophe sind.
Wann der Titelträger von 2005 und 2019 in die Champions League zurückkehrt, ist völlig offen. Denn nach einer bisherigen Saison, die mit ihren Aufs (7:0 gegen Manchester United) und Abs (wiederholte Pleiten gegen deutlich schwächere Teams) kaum zu erklären ist, und der peinlichen 0:1-Niederlage zuletzt beim Abstiegskandidaten AFC Bournemouth liegen die Reds in der Premier League aktuell sechs Punkte hinter Rang vier, der zur Teilnahme an der Königsklasse berechtigt, zurück. Allerdings haben sie noch ein Spiel weniger ausgetragen als die Tottenham Hotspur, die aktuell auf dem "heißen Stuhl" sitzen.
Klopp arbeitet die Dinge sachlich auf
Als das Spiel abgepfiffen war, als die Reds die nächste große Enttäuschung in einer schwachen Saison erlebten hatten, grinste Klopp zwar vor sich hin, wirkte dabei aber sichtlich angefasst. Wie sehr ihm der nächste Frust zusetzte, ließ er bei der folgenden Analyse aber nicht durchscheinen. In aller Sachlichkeit arbeitete er die Dinge auf. "Wir sind ein Team und ein Verein, der in der Champions League antritt, um zu gewinnen. Dafür müssen wir aber herausragenden Fußball spielen, und das haben wir heute nicht gemacht", sagte der 55-Jährige bei DAZN.
Und so steht am Ende dieses ernüchternden Rückspiels eine kuriose Statistik für den deutschen Coach. In der Knockout-Runde der Königsklasse, einschließlich den Finalspielen, hat er gegen Nicht-Madrid-Teams elfmal gespielt und elfmal gewonnen. Gegen Madrid-Teams (also Real und Atletico) dagegen fünf Pleiten in fünf Duellen kassiert. Real zeigte einmal mehr eine dominante Vorstellung und unterstrich den Anspruch auf seinen neunten Champions-League-Titel. "Ich denke, wir haben es gut gemacht. Das einzige Manko war die Chancenverwertung, es hätte höher ausgehen können", sagte Nationalspieler Antonio Rüdiger bei DAZN.
"Aber da sind noch ein paar Minuten zu spielen"
Schon früh hatten Vinicius Junior (15.) und Camavinga, dessen Schuss Liverpools Keeper Alisson an die Latte lenkte (23.), Großchancen für die Königlichen. Auch nach der Pause rettete der Brasilianer binnen Sekunden gegen Federico Valverde und Benzema (53.). Beim 0:1 war er allerdings chancenlos.
Klopp dagegen blickte am späten Abend zurück und voraus. Zurück auf eine bisher enttäuschende Saison der Engländer, die er etwa "mit Verletzungen zu Beginn" und dem dadurch fehlenden Rhythmus danach erklärte. In der Liga brauche der Tabellensechste nun "Konstanz in unseren Leistungen", um doch noch das ersehnte Ziel zu erreichen. "Sollten wir uns in dieser Saison für die Champions League qualifizieren, wäre das ein super Erfolg, das würde ganz oben im Regal stehen", sagte Klopp. "Aber da sind noch ein paar Minuten Fußball zu spielen. "Wir haben nun eine gewaltige Aufgabe vor uns, das ist uns bewusst."
Quelle: ntv.de, mit dpa/sid