Fußball

Gnadenlos und nicht satt Guardiolas Bayern demonstrieren ihre Macht

Gutes Zahnfleisch hat der Kollege Thomas Müller, nach 90 Minuten Champions League hatte er noch Kraft für einen Kletterspaß auf dem Zaun vor der Bayern-Kurve.

Gutes Zahnfleisch hat der Kollege Thomas Müller, nach 90 Minuten Champions League hatte er noch Kraft für einen Kletterspaß auf dem Zaun vor der Bayern-Kurve.

(Foto: dpa)

Der FC Bayern befreit sich in einer magischen Nacht aus einer sportlichen und atmosphärischen Zwickmühle, fegt den FC Porto weg und steht im Halbfinale der Champions League. Trainer Guardiola scherzt, sagt aber auch: "Das war nicht perfekt."

Diese Vorlage zu nutzen war dann eine seiner leichteren Übungen an diesem denkwürdigen Mittwochabend. Und Thomas Müller ist keiner, der sich so eine Chance entgehen lässt, dafür ist er zu sehr Profi. Er ließ sich nicht lange bitten und verwandelte sie volley. "Es heißt seit Längerem, dass wir auf dem Zahnfleisch gehen. Ist offensichtlich gutes Zahnfleisch", sagte er in die Kameras des ZDF. In der Tat hatte sich der FC Bayern an diesem Mittwoch von seiner allerbesten Seite gezeigt. Im Fußball heißt das auch: von seiner gnadenlosen Seite.

Gegen wen geht’s im Halbfinale?

Das Endspiel der Champions League findet am 6. Juni im Berliner Olympiastadion statt. Vorher aber geht’s für den FC Bayern im Halbfinale entweder gegen den FC Barcelona, der sich parallel gegen Paris St. Germain durchgesetzt hat, oder gegen eine der Mannschaften aus Madrid, Atlético oder Real, die sich heute (ab 20.45 Uhr im Liveticker bei n-tv.de) nach dem 0:0 im der ersten Partie zum Rückspiel treffen. Zudem stehen Juventus Turin und der AS Monaco zur Auswahl, die ebenfalls heute Abend spielen - hier gewannen die Italiener das Hinspiel mit 1:0. Ausgelost wird das Halbfinale dann am kommenden Freitag ab 12 Uhr.

Mit 6:1 haben die Münchner im Viertelfinale der Champions League den FC Porto gedemütigt und damit vor 70.000 Zuschauern in ihrer ausverkauften und dieses Mal enorm stimmungsvollen Arena das 1:3 aus dem Hinspiel mehr als wettgemacht. Sie stehen nun im Halbfinale, das in der ersten und der zweiten Maiwoche ausgetragen wird. Nach dem sicheren Gewinn der Meisterschaft und dem möglichen Sieg im DFB-Pokal - am kommenden Dienstag steht die Vorschlussrunde gegen Borussia Dortmund an - haben sich die Bayern also die Chance auf einen Dreifachtriumph bewahrt.

Dass sie es zum vierten Mal in Folge unter die vier besten Mannschaften Europas geschafft haben, ist ein Novum in der an Mia-san-mia-Rekorden nicht gerade armen Vereinsgeschichte. Als Serientäter können sie diese Aufgabe in dem Bewusstsein angehen, gegen bemitleidenswerte Portugiesen sich und der Welt gezeigt zu haben, wie stark sie sein können, wenn sie es müssen und auch wirklich wollen. Angeführt vom überragenden Mittelfeldspieler Thiago Alcántara gelang ihnen eine Machtdemonstration, die überzeugender nicht hätte ausfallen können.

Schon gegen Schachtjor Donezk im Viertelfinale hatten sie mit 7:0 gewonnen. Seinerzeit war das Hinspiel 0:0 ausgegangen. Gegen Porto aber hätte selbst der kühnste Optimist nicht darauf gewettet, dass sich die Bayern so überzeugend aus ihrer Zwickmühle befreien, in die sie sich manövriert hatten: atmosphärisch, weil beim FC Bayern der Haussegen schiefhängt, nachdem Mannschaftsarzt Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt sich nach knapp 40 Jahren in Diensten des Vereins empört und beleidigt aus dem Staub gemacht hatte. Und sportlich, weil sie einerseits dem FC Porto im Hinspiel mit dummen Fehlern den Sieg geschenkt und sich auf der anderen Seite kaum selbst Torchancen erspielt hatten.

Das neue Brasilien kommt aus Portugal

Doch dann war im Rückspiel auf einmal alles anders, eine Partie von unwirklicher Natur, die den neutralen Beobachter perplex zurückließ. SECHSZUEINS. Wie kann das sein, auf diesem Niveau? Das neue Brasilien kommt also aus Portugal, nur dass sich beim FC Bayern keiner für den siebten Streich fand. Innenverteidiger Jérôme Boateng, der ebenso wie die Kollegen Manuel Neuer, Philipp Lahm, Mario Götze und Müller im Sommer vergangenen Jahres dabei war, als die deutsche Nationalelf in Belo Horizonte Gastgeber Brasilien im Halbfinale der WM mit 7:1 besiegte, kommentierte die Partie im München gewohnt lapidar. Die Kritik nach der Schmach von Porto sei schon berechtigt gewesen. "Aber wir haben auch gut geantwortet. Es war ein Beispiel für den Charakter der Mannschaft." Kapitän Lahm kommentierte: "Jeder Spieler von uns wollte unbedingt gewinnen. Die Mannschaft hat eine hohe Qualität und ein großes Herz." Und Müller triumphierte: "Ich hab' ja schon vorher gesagt: Mit dem Rücken zur Wand zu stehen, kann auch was Schönes sein."

Etwas emotionaler teilte Boateng sich dann übrigens per Twitter mit: "Boooom!!! Semis here we come!!! I love my team. Never give up!" Das ist mutmaßlich Englisch und bedeutet in etwa: "Passt schon." Und es passt in das Bild, das Guardiola, der Trainer, schon vor der Partie der Öffentlichkeit von seinen Spielern hatte vermitteln wollen. "Meine Helden" hatte er sie genannt und den Teamgeist seiner letzten Aufrechten beschworen. Schließlich fehlt mit den verletzten Arjen Robben, Franck Ribéry, Javier Martínez, David Alaba und Medhi Benatia immer noch ein Quintett allerhöchster Güte. Und der genesene Bastian Schweinsteiger durfte sich auf der Bank ausruhen - mit Guardiolas Segen.

Der war sich wieder nicht zu schade, nach dem Triumph, der auch für ihn persönlich einer war, den Journalisten eine ordentliche Portion Pathos zu servieren. "Ich bin ein glücklicher Mensch - als Trainer dieser überragenden Spieler. Ich sage das heute, aber ich habe es auch gestern, vorgestern und vor einem Monat gesagt." Guardiola wirkte tatsächlich angefasst. Markus Hörwick, der Pressesprecher des FC Bayern, saß neben ihm auf dem Podium und legte dem Trainer mehrmals beruhigend die Hand auf seinen Arm. Wie er denn die erste Halbzeit erlebt habe, als die Münchner binnen 40 Minuten fünf Tore erzielt und damit alles zu ihren Gunsten gewendet hatten? Der Spanier stockte kurz und sagte dann: "Ja, war gut." Ob das ein Anflug von Humor oder der leidigen Fremdsprache geschuldet war, bleibt offen.

Energischer, fast unwillig wurde Guardiola, als er mit der Frage konfrontiert wurde, ob das, was seine Mannschaft vor der Pause geboten habe, denn nun Fußball in Perfektion gewesen sei? "Nein! Nein!! Nein!!!" Er hat das wirklich mit so vielen Ausrufezeichen gesagt. Und als er dann behauptete: "Wir können viel besser spielen" - da lag auch schon wieder Hörwicks Hand auf seinem Arm. Vielleicht aber ist das ein Geheimnis seines Erfolges, dass Guardiola sich auch oder gerade nach solch einem grandiosen Erfolg nicht dazu verleiten lässt, seiner Genugtuung freien Lauf zu lassen und sich selbst zu feiern. Da lobt er lieber seine Spieler. Der Weg des FC Bayern ist in dieser Saison noch nicht zu Ende. Die Gnadenlosen sind noch nicht satt. Was hatte er in dieser Woche gesagt? "Bei großen Vereinen zählt nur das Triple."

Quelle: ntv.de

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