Investorenstreit im Fußball Kind: "Ich habe ein anderes Demokratieverständnis"
20.02.2024, 04:51 Uhr
Louis Klamroth fragt: "Machen Investoren den Fußball kaputt?"
Die aufgeheizte Stimmung in den Bundesligastadien hat in den letzten Wochen nicht unbedingt etwas mit den Vorträgen auf dem Platz zu tun. Es ist der geplante Investoreneinstieg bei der Deutschen Fußball Liga, der die Fans auf die Barrikaden bringt. Bei "Hart aber fair" trifft Hannover-96-Boss Kind auf Fanvertreter.
Seit Wochen werden deutschlandweit Fußballspiele unterbrochen. Immer wieder fliegen aus den Fankurven Gegenstände auf das Spielfeld: Tennisbälle, Schokotaler, kleine Autos. Beim Zweitligaspiel zwischen dem HSV und Hannover 96 befestigen Fans Fahrradschlösser am Torpfosten, die mit einer Flex entfernt werden. Das Spiel muss für längere Zeit unterbrochen werden, ein Abbruch droht.
Vordergründig geht es den Protestierenden um eine Abstimmung innerhalb der Deutschen Fußball Liga. Das ist der Interessenverband der 36 in der ersten und zweiten Bundesliga vertretenen Klubs und Kapitalgesellschaften vor allem gegenüber dem DFB. Die Vereine der DFL hatten im Dezember mit einer Zweidrittelmehrheit beschlossen, den Einstieg von Investoren zuzulassen. Nun haben die protestierenden Fans einen Erfolg erzielt. In dieser Woche trifft sich das DFL-Präsidium, um über eine mögliche neue Abstimmung zu beraten. Bei "Hart aber fair" in der ARD diskutieren die Gäste darüber, warum die Fußballfans protestieren - und ob eine erneute Abstimmung das Problem lösen könnte.
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert wäre dafür. Der bekennende Arminia-Bielefeld-Fan weiß zwar, dass Profifußball ohne Geld nicht funktionieren kann und distanziert sich von einem Teil der Proteste, sagt aber auch: "Der Sport lebt maßgeblich von und mit den Fans. Aber man muss etwas dafür tun, dass es tatsächlich auch so bleibt."
Und da sind sich offenbar viele Fans nicht so sicher. Obwohl es die Verträge angeblich nicht vorsehen, fürchten sie, dass Investoren zum Beispiel in die Anstoßzeiten der Spiele eingreifen könnten, um entsprechende Rechte für die Fernsehausstrahlung teurer verkaufen zu können. Die meisten Spiele beginnen am Samstag um halb vier nachmittags, und das soll auch so bleiben, fordern sie. Das sieht auch Ariane Hingst so. Sie war 15 Jahre Nationalspielerin und gewann mit der Frauen-Nationalmannschaft zwei Weltmeistertitel. Eine Anstoßzeit zum Beispiel am Vormittag kann sie sich nicht vorstellen. Da seien die Spieler noch nicht voll leistungsfähig, sagt sie bei "Hart aber fair".
Die Proteste der Fans kann sie verstehen, obwohl sie die ständigen Spielunterbrechungen nicht so toll findet. Sie habe so etwas schon erlebt, während eines Gewitters. "Das ist sehr unbefriedigend, weil man dann seine Arbeit nicht so abliefern kann, wie man gerne möchte." Nach einer Unterbrechung sei es sehr schwer, wieder in das Spiel zurückzufinden.
Der Ärger der Fans
Thomas Kessen vom Fanverband "Unsere Kurve" und der Geschäftsführer der Hannover 96 Management GmbH, Martin Kind, erklären in der Sendung, wie es zu der Abstimmung im Dezember kam, die die Fanproteste ausgelöst hat. Laut Kessen wurden die Vereine Ende Oktober oder Anfang November über die anstehende Abstimmung informiert, die dann fünf Wochen später stattfinden sollte. In dieser Zeit hätten sich die Vereinsmitglieder äußern sollen. Kessen sagt: "Dann haben Sie aber Vereine mit tausenden, zehntausenden Mitgliedern. Das heißt, Sie müssten erst einmal organisieren, wie Sie überhaupt einen Kommunikationsprozess aufsetzen wollen, Sie müssen den dann durchführen. Das schafft man nicht in vier oder fünf Wochen. Deswegen: Der Verdacht liegt nahe, der Zeitplan war so kurz, dass es gar nicht möglich war, mit den Mitgliedern darüber zu sprechen. Und das ist ja auch einer der Hauptkritikpunkte, die wir Fans gerade anführen - dass wir sagen: Ihr habt das alles im Hinterzimmer mehr oder weniger abgestimmt."
Wie dann abgestimmt wurde, beschreibt Investor Martin Kind. Die Abstimmung sei geheim gewesen, eine öffentliche Abstimmung habe niemand verlangt. Nach der Abstimmung sei klar gewesen: genau zwei Drittel der Anwesenden hatten sich für einen Investoreneinstieg ausgesprochen. Eine anschließende Einspruchsfrist habe niemand genutzt.
Nach Beginn der Fanproteste erklären die meisten der Teilnehmer, wie sie abgestimmt haben. Martin Kind, von Hannover 96 beauftragt, gegen einen Investoreneinstieg zu stimmen, tut das nicht. "Ich habe ein anderes Demokratieverständnis", sagt er. "Ich habe auch ein anderes Verständnis für Spielregeln." Die DFL habe etwa zwei Monate vor der Abstimmung eingeladen. Andere hätten sich zu ihrem Abstimmungsverhalten geäußert. Kind betont: "Ich lehne das ab. Um es ganz deutlich zu machen: Ich will mich an den Spekulationen gar nicht erst beteiligen." Etwas später schränkt er ein: "Wir gehen davon aus, dass wir die 50+1-Regel beachten, unter Berücksichtigung dieses 96-Vertrages." Und diese 50+1-Regelung gilt für Hannover 96 teilweise nicht. Darauf hatten sich Verein und Hauptgesellschafter Kind 2019 geeinigt, um eine drohende Insolvenz abzuwehren. Möglicherweise musste sich Kind nicht an die Weisung des Vereins halten.
Wie geht es weiter?
Für die DFL gibt es nur noch einen möglichen Investor, die CVC. Das ist eine der zehn größten Beteiligungsgesellschaften der Welt, also umgangssprachlich eine "Heuschrecke". Die CVC sammelt Geld, das sie dann in Unternehmen steckt, deren Anteile nicht an der Börse gehandelt werden.
"Mindestens muss die Lösung lauten, dass die Abstimmung wiederholt wird, und zwar offen und transparent. Das wäre das absolute Minimum", fordert Fan-Sprecher Kessen bei "Hart aber fair". Die DFL solle ihre gesamten Pläne zu den Akten legen und es gut sein lassen.
Martin Kind spricht sich für den Einstieg von Investoren in die DFL aus. "Geld in einen Verein zu stecken - das kann man auch als Fehlentscheidung beschreiben", sagt er. Wer so etwas tue, könne in Deutschland kein Geld verdienen, von zwei Ausnahmen abgesehen. "Im Umkehrschluss müssen Gelder in das System kommen. Sonst werden wir in die Stagnation kommen", so Kind. Wo es hakt, weiß er auch: "In die Infrastruktur müssen wir investieren. In die Jugendarbeit, in das Thema Nachhaltigkeit, und in die Digitalisierung."
Aber dazu brauche man keine Investoren, sagt Kessen. "Das könnte die Bundesliga auch aus eigener Kraft schaffen, wenn man nur einfach das viele Geld, das schon da ist, anders verteilt. Dann braucht man gar kein großes Geld von außen."
Quelle: ntv.de