Nur keine "Schmach von Leipzig" Löw steht vor Novum, Neuer ist unwohl
11.10.2015, 13:28 Uhr
"Nicht mit dem besten Gefühl": Manuel Neuer.
(Foto: imago/ActionPictures)
Sollte es die DFB-Elf heute gegen Georgien vergeigen, wäre das ein historischer Tiefpunkt. Deshalb sagt der Bundestrainer: Obacht, Sinne schärfen! Fußballspielen und Tore wären aber auch gut - dann klappt's mit der EM.
Worum geht’s?
Es spricht nicht viel dafür, dass dieses Qualifikationsspiel gegen Georgien heute (ab 20.45 Uhr bei RTL und im Liveticker auf n-tv.de) als "Schmach von Leipzig" in die 115 Jahre währende Geschichte der Deutschen Fußball-Bundes eingehen wird. Schließlich spielt die Nationalmannschaft gegen Georgien, das in der Weltrangliste zwischen Simbabwe und Botswana auf Platz 110 steht. Und es reicht dem Team von Bundestrainer ja schon ein Pünktchen, um ohne Umwege zur Europameisterschaft nach Frankreich fahren zu dürfen. Die findet dort im kommenden Jahr vom 10. Juni bis zum 10. Juli statt.
Deutschland: Neuer - Ginter, Boateng, Hummels, Hector - Gündogan, Kroos - Bellarabi, Özil, Reus - Müller. - Trainer: Löw
Georgien: Rewischwili - Kaschia, Amisulaschwil, Kwirkwelia - Lobjanidse, Kankawa, Kwekweskiri, Nawalowski - Okriaschwili, Kasaischwili - Watsadse. - Trainer: Tschadadse
Schiedsrichter: Kralovec (Tschechien)
Andererseits ist es ja Fußball, und da weiß man nie - obwohl das so ganz auch nicht mehr stimmt. Der 17. Dezember 1967 jedenfalls war ein historischer Tag. Seinerzeit verspielte zum ersten und bisher einzigen Mal eine DFB-Elf die Teilnahme an einer EM - durch ein 0:0 gegen Albanien im Qemal-Stafa-Stadion. Günter Netzer sagte Jahrzehnte später dem "Tagesspiegel": "Wir wussten, dass uns dieser Tag ein Leben lang verfolgen würde. Es war eine einzige Katastrophe." Eben die "Schmach von Tirana".
Wie stehen die Vorzeichen?
Die unnöitige Niederlage in Dublin gegen Irland am Donnerstag hat die deutschen Spieler und ihren Trainer sehr geärgert. Zumal erst dadurch die Partie gegen Georgien für den Spitzenreiter der Gruppe D zu einer Art Endspiel wurde. Das hätten sie sich allzu gerne erspart. Wie die "Süddeutsche Zeitung" mitbekommen hatte, waren die Spieler darauf nicht vorbereitet. Mats Hummels zum Beispiel habe erst einmal die Journalisten gefragt, wie das denn so sei an diesem letzten Spieltag, an dem heute zur gleichen Zeit wie in Leipzig auch Polen und Irland gegeneinander spielen, also der Tabellenzweite und der Tabellendritte. "Falls wir verlieren und sie spielen unentschieden - sind wir dann Dritter?" Ja, das sind sie. Dann hat Deutschland zwar wie Polen und Irland 19 Punkte auf dem Konto. Doch weil die DFB-Elf in den vier Spielen gegen diese beiden Teams nur einmal gewann, würde es bei gleicher Punktzahl nur zu Platz drei reichen. Und das hieße dann im Fall der Fälle: Zwei Playoffpartien im November gegen einen anderen Gruppendritten. Torhüter Manuel Neuer formulierte es so: "Jeder kennt die Lage, jeder kennt die Tabelle, und jeder kann rechnen - hoffe ich."
Wie ist das DFB-Team drauf?
Ersatzkapitän Neuer war es auch, der zugab, dass er und seine Kollegen "nicht mit dem besten Gefühl" in diese Partie gehen. Daher, und weil seiner Spieler bei der Pleite in Irland partout das Tor nicht trafen, appellierte der Bundestrainer: "Es gilt, die Konzentration und die Sinne zu schärfen." Löw sieht sich gefordert. "Wir müssen ein bisschen in die Köpfe rein und mit den Spielern reden, dass sie sich aus der Überlegenheit nicht zu sicher fühlen." Ansonsten müsse sich aber niemand Sorgen machen. Auch wenn der Frust nach der Partie in Dublin groß gewesen sei: "Es ist nichts Dramatisches passiert. Wir sind Tabellenführer und haben gegen einen Gegner alles in der Hand, der nicht zu den Topmannschaften in Europa gehört." Ein wenig umbauen aber muss er. Ob Kapitän Bastian Schweinsteiger, der am Donnerstag wegen einer Muskelverhärtung aussetzen musste, heute spielen kann, ist ungewiss. Ganz sicher fällt Mario Götze aus. Für ihn könnte Karim Bellarabi in die Startelf rücken. Thomas Müller würde als Mittelstürmer auflaufen, Mesut Özil bekäme die ihm sehr genehme Position im zentralen Mittelfeld. Das dürfte ihm ein gutes Gefühl geben.
Wie geben sich die Georgier?
Freuen sich wie Bolle auf das Spiel. "Eine größere Bühne als ein Spiel beim Weltmeister gibt es für unsere Jungs nicht. Das ist ein Traum", schwärmte der neue georgische Verbandschef Lewan Kobiaschwili, einst Profi beim SC Freiburg, dem FC Schalke 04 und bei der Berliner Hertha, im Interview mit dem "Kicker".
Trainer Kachaber Zchadadse, dessen Team in dieser Qualifikation zweimal gegen das Schlusslicht aus Gibraltar und einmal gegen Schottland gewann, gibt sich ebenfalls als großer Bewunderer des Löw'schen Fußballs: Das Spiel gegen den Weltmeister war für uns ein sehr guter Unterricht. Die Elf von Joachim Löw, die uns in Tiflis 2:0 geschlagen hat, war einfach eine ideale, perfekte Mannschaft. Wir haben dieses Spiel sehr intensiv analysiert. Das war wirklich wie Unterricht für meine Spieler. Schnelle kurze Pässe, schnelles Umschalten, das perfekte Spiel mit oder ohne Ball - Deutschland spielt heute einfach den besten Fußball."
Was gibt es sonst noch?
Seit der WM 2006, als er noch als Assistent Jürgen Klinsmanns fungierte, ist Joachim Löw der Mann, der die besten Fußballer des Landes lenkt und leitet. Aber so etwas wie heute ist ihm noch nie untergekommen. Erstmals in seiner Amtszeit entscheidet sich erst am letzten Spieltag, wie es am Ende ausgeht. Vor der EM 2008 in Österreich und der Schweiz machte die DFB-Elf die Teilnahme am viertletzten Spieltag mit einem 0:0 gegen Irland klar. Den Flug zur WM 2010 in Südafrika buchte die Mannschaft im vorletzten Spiel beim 1:0 in Russland, Miroslav Klose schoss das Tor. Für die EM 2012 in Polen und der Ukraine qualifizierte sich Deutschland mit einer 6:2-Gala gegen Österreich - in der drittletzten Partie. Und vor der WM 2014 sicherte sich die DFB-Elf das Ticket für Brasilien am vorletzten Spieltag mit einem 3:0 gegen die Iren. Aber einmal ist ja immer das erste Mal.
Quelle: ntv.de