Die Super League gibt es längst Protzender Riese Königsklasse vernagelt die Türen
21.02.2023, 11:42 Uhr
Meistens gewinnt Real Madrid die Champions League.
(Foto: picture alliance / SVEN SIMON)
Liverpool gegen Real Madrid, Eintracht Frankfurt gegen Neapel: Ein Traumspieltag in der Champions League steht an. Die Königsklasse fasziniert die Fußballfans und die Spieler. Nicht nur in Europa, sondern weltweit. Das Finale als großes Ziel aller Klubs. Doch nur ein exklusiver Kreis hat Zugang.
Vor knapp zwei Wochen sollte mal wieder alles noch viel besser werden in der wunderbaren Welt des Fußballs. Die Sportprojektentwickler A22 stellten ihre Pläne für die neue Super League vor. Eine Liga, die außerhalb der UEFA operieren soll und den teilnehmenden Klubs noch mehr Geld, noch mehr Ruhm und noch mehr von allem bescheren könnte. Die Macher malten blühende Fußball-Landschaften aufs Papier. Eine offene Liga solle es werden, eine mit 60 bis 80 Vereinen in mehreren Spielklassen.
Kein geschlossener Wettbewerb, sondern einer, für den sich die Klubs jedes Jahr aufs Neue qualifizieren können. Die Vereine selbst sollen "14 garantierte Spiele" austragen, die allesamt sportliche Bedeutung hätten und sich so von den aktuellen Wettbewerben unterscheiden. Dort kann die Gruppenphase trotz der nur sechs Spiele sehr lang werden. Genaueres über ein Format, die Qualifikation für die Liga und teilnehmende Klubs war nicht in Erfahrung zu bringen.
Weil, so hieß es, niemand sich wirklich traue, für die Super League zu sprechen. "Unsere Gespräche haben auch deutlich gemacht, dass es den Klubs oft unmöglich ist, ihre Stimme öffentlich gegen ein System zu erheben, das die Androhung von Sanktionen nutzt, um Opposition zu verhindern", sagte A22-Chef Bernd Reichart.
Die Premier League ist allen enteilt
Die Präsentation der neuen Pläne für die Super League ging einher mit einigen interessanten Zahlen, die allesamt die Dominanz der englischen Premier League belegten. Sie dominieren auf dem Transfermarkt, sie dominieren in der TV-Vermarktung. In der gerade abgelaufenen Wintertransferperiode gaben die 20 Klubs aus dem englischen Oberhaus über 700 Millionen Euro für neue Spieler aus, die anderen vier Top-Ligen aus Spanien, Italien, Deutschland und Frankreich erlösten zusammen hingegen etwa 100 Millionen Euro. Durch den Transferwahnsinn des FC Chelsea ein leichter Ausreißer nach oben, der jedoch einen Trend der letzten Jahre verstärkte. Aus der Bundesliga wechselten U21-Nationalspieler Kevin Schade und der 22-jährige Franzose Georgino Rutter für insgesamt über 50 Millionen Euro von Freiburg zu Brentford und von Hoffenheim zu Leeds United.
Ähnlich tief ist der Graben bei den Medienrechten. Dort erlöst die Premier League in der von 2022 bis 2025 laufenden Rechteperiode beinahe 12 Milliarden Euro, wobei mehr als die Hälfte auf die in den anderen Ligen nahezu nicht existente Auslandsvermarktung entfällt.
Die Premier League ist die eigentliche Super League des europäischen Fußballs. Dort spielen die besten Spieler, dort trainieren die besten Trainer. Sie ist der Sehnsuchtsort des Fußballs. Längst hat sich deswegen in den letzten Jahren ein Großteil der Gelder in Richtung des Aushängeschilds des englischen Profi-Sports bewegt. Weil die Strukturen dort investorenfreundlich sind, weil die Weltsprache Englisch die Liga noch zugänglicher macht und auch weil die Liga sich als erste - im Jahr 1992 - professionalisierte und über 30 Jahre später ihren früh erarbeiteten Vorsprung in Sachen Vermarktung ausbauen kann.
Europäische Duelle als Highlight im Kalender
Die Premier League auf der einen und die von der UEFA organisierte Champions League auf der anderen Seite sind die Fixsterne des europäischen Fußballsystems. Andere Ligen fallen von der Bedeutung im internationalen System deutlich ab. Eine Situation, die durch die Prämien der Champions League noch deutlich befeuert wird. Diese untergraben den Wettbewerb innerhalb der Ligen, schütten die erfolgreichen Klubs mit immer mehr Geld zu, das diese nutzen, um ihren nationalen Vorsprung auszubauen. Die Bundesliga kann ein Lied davon singen, auch wenn sie sich in dieser Saison kurioserweise als eine der spannendsten Ligen Europas präsentiert. Das aber hat mit dem vom Titelsammeln erschöpften und sich auf Sinnsuche befindenden Superklub Bayern München zu tun, kaum mit der Stärke der Konkurrenz.
Wenn national der sportliche Wettkampf nahezu bedeutungslos wird, wandert der Fokus automatisch auf die europäischen Wettbewerbe. Momentan auf die Champions League. Neue Rivalitäten entstehen. Das lässt sich gut an dem Duell der beiden Serienmeister Paris Saint-Germain und Bayern München ablesen. In den nationalen Ligen sind beide Klubs seit Jahren ohne größere Konkurrenz. Zwar musste PSG sich in Frankreich zweimal geschlagen geben und den Titel im Jahr 2017 an die AS Monaco und vier Jahre später an den OSC Lille ausleihen, doch beides waren handelsübliche Ausreißer. Nicht einmal dazu kam es bei Bayern München, die seit der Spielzeit 2012/2013 die Bundesliga nach Belieben dominieren. Beide Teams spielen in der Liga in den letzten Wochen etwas gelangweilt mit, müssen sich mit hausgemachten Krisen auseinandersetzen, doch große Zweifel bestehen nicht: Auch am Ende der Saison 2022/2023 werden sie sehr wahrscheinlich die Trophäen in die Höhe stemmen, um sie dann im Archiv einzusortieren.
Waren früher Meisterschaften das erklärte Ziel, muss es jetzt - zumindest für die europäische Spitzenklasse - mindestens das Halbfinale der Champions League sein. Dafür werden Kader gebaut, dafür werden Trainer verpflichtet und deswegen werden sie bei einem Scheitern auch schnell wieder ersetzt. Die K.-o.-Phase der Königsklasse ist die Verdichtung des Klubfußballs. Das Endspiel ist der Super Bowl des Fußballs, das Highlight des internationalen Klubfußballs. Der Weg dahin ist mit sehr vielen Euro gepflastert. Bayern München hat allein an Prämien in der Gruppenphase 68,82 Millionen verdient, über 50 weitere Millionen Euro könnten bei einem Sieg im Finale in Istanbul in die Kassen des Klubs fließen. Dazu kommen dann noch die Zuschauereinnahmen aus den Heimspielen sowie Ausschüttungen aus dem Marktpool in jeweils zweistelliger Millionenhöhe.
Die geschlossene Königsklasse
Traditionell messen sich in der K.-o.-Phase die größten Teams des Kontinents. Nur selten gelingt es einem Klub von außerhalb der großen Ligen aus Frankreich, England, Spanien, Italien und Deutschland, in die Phalanx der Superklubs einzubrechen. Passiert das, gieren die finanzstarken Vereine nach den Spielern und überhäufen die Eindringlinge mit ihrem Geld. Dann geben sie Ruhe und verschwinden für die nächsten Spielzeiten wieder. Der Titelgewinn einer Mannschaft außerhalb dieser fünf Ligen liegt nun bald 20 Jahre zurück. In der Saison 2003/2004 gewann der FC Porto unter dem aufstrebenden Trainer-Genie José Mourinho das Finale in der Arena auf Schalke mit 3:0 gegen den AS Monaco.
Seither sind in 18 Wettbewerben 38 verschiedene Klubs aus 11 Ländern in das Viertelfinale der Champions League eingezogen. Ihnen ist es also gelungen, nicht nur die K.-o.-Phase des Turniers zu erreichen, sondern sich auch in zwei Spielen in der Runde der letzten 16 Teams durchzusetzen. Finden sich dort jedoch mit den Niederlanden, Portugal, Russland, der Türkei, der Ukraine und Zypern (Apoel Nikosia 2011/12) eben sechs Nationen außerhalb der Top 5 Europas, genügt ein Blick auf das Halbfinale. Bis auf PSV Eindhoven in der Saison 2004/2005 und Ajax 2018/2019 ist es keinem Vertreter dieser kleineren Ligen gelungen, in die Riege der Top-Nationen einzudringen. Je viermal scheiterten die portugiesischen Klubs Porto und Benfica im Viertelfinale. Sie sind immer nah dran, müssen jedoch in den entscheidenden Spielen abreißen lassen.
Auch innerhalb der Top-Ligen gibt es gravierende Abstufungen. Die spanische La Liga und die englische Premier League brachten je sieben Vertreter mindestens ins Viertelfinale, die Bundesliga, die französische Ligue 1 und Italiens Serie A stellen jeweils fünf. Bei einer Verteilung von einem Punkt pro Viertelfinal-, zwei pro Halbfinale-, drei pro Finalteilnahme und vier pro Finalsieg treten die Unterschiede noch deutlicher zutage. Spanien und England liegen gleichauf bei 80 respektive 79 Punkten, die Bundesliga kommt dank Bayerns 28 Punkten auf 40 insgesamt, Italien auf 33 und Frankreich auf 20. Die restlichen sechs Ligen kommen gemeinsam auf 18 Punkte. Sie sind abgehängt und werden nicht mehr zurückkommen.
Zukunftsentscheidung im März
Aber bereits dem Duell zwischen Eintracht Frankfurt und dem SSC Neapel kommt eine besondere Bedeutung zu. So geschlossen ist der Wettbewerb, dass ausgehend von Portos Sieg 2004 seit der Spielzeit 2018/19 keine neue Mannschaft mehr ins Viertelfinale der Champions League eingezogen ist. Wer immer sich in den beiden Partien durchsetzt, findet somit Zugang zu dem exklusiven Kreis der momentan noch 38 Vereine, denen dies in den letzten fast zwei Jahrzehnten gelungen ist. Über ein Dutzend Eintagsfliegen finden sich unter diesen Klubs. Die Champions League ist längst eine Super League mit wenigen Teilnehmern geworden. Nur zehn Klubs überhaupt erreichen in der ntv.de-Wertung einen zweistelligen Punktewert.
Bis Frankfurt oder Neapel nun bei diesem Achtelfinale mit Seltenheitswert überhaupt in diese Spitze stoßen können, werden noch etliche Jahre vergehen. Bald ändert die Champions League ohnehin ihr Format, wird noch etwas geschlossener und im Hintergrund hoffen die Macher der Super League auf ihre Stunde. Die haben nach eigenen Angaben bereits mit "rund 50 europäischen Fußballvereinen und weiteren Interessenvertretern aus dem Fußball gesprochen" und warten noch auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Erst im Dezember hatten sie dort einen empfindlichen Rückschlag erlitten.
Der Generalanwalt am EuGH hatte die Regeln der UEFA und FIFA als mit dem EU-Recht vereinbar bezeichnet. Diese Einschätzung ist für das Gericht zwar nicht bindend, üblicherweise folgt es der Einschätzung des Generalanwalts aber weitgehend. Ein Urteil wird noch in diesem Frühjahr erwartet. Sollte es der Einschätzung des Generalanwalts folgen, müssten die an einer möglichen Super League teilnehmenden Klubs die nationalen Ligen verlassen. Das ist kaum denkbar.
Quelle: ntv.de