Sechs Lehren des vierten Spieltags Sorry, sehr geehrter FC Bayern
22.09.2016, 11:46 Uhr
Starker Auftritt der Bayern mit Comebacker Arjen Robben und Thiago beim 3:0-Erfolg gegen die Hertha.
(Foto: imago/Philippe Ruiz)
Na guck, kaum schreiben wir den FC Bayern in die Krise, da posaunt sich der Klub mit einer Spitzenleistung zurück zur unumstrittenen Nummer eins in der Fußball-Bundesliga. Derweil ist Dieter Hecking etwas überreizt und Naldo desaströs.
Der FC Bayern ist doch nicht angreifbar
Da ist wohl mal 'ne Entschuldigung fällig. Sorry, liebe Bayern. Sorry dafür, dass wir euch diese Woche in die schwerste Krise der jüngeren Vereinsgeschichte geschrieben haben. Sorry, dass wir uns Kontrolletti Guardiola zurückgewünscht haben. Und sorry, dass wir auch nur einen winzig-kühnen Moment daran gezweifelt haben, dass ihr möglicherweise angreifbar sein könntet. Ja, ihr habt uns überzeugt. Wir haben uns auf fatale Weise geirrt. Trotz fast sumpfigen Terrains in eurer Heimspielstätte habt ihr an diesem vierten Spieltag der Fußball-Bundesliga die Spitzen-Hertha aus Berlin mit erdrückendem Zauberfußball zermalmt. Erst der tanzlaunige Franck Ribéry, dann der gewandte Taktgeber Thiago und schließlich Power-Comebacker Arjen Robben, jaja, das hat schon Spaß gemacht, dieses 3:0 gegen den Ex-Tabellen-Zweiten. Und dann ist da ja auch noch der Startrekord. Denn in der an Rekorden nicht gerade armen Geschichte des FC Bayern ist dem nicht mehr ganz so neuen Trainer Carlo Ancelotti nach nicht einmal drei Monaten bereits Einzigartiges gelungen. Der Italiener ist der erste Übungsleiter der Münchner, der seine ersten sieben Pflichtspiele gewann. Alles takko also an der Isar, wären da nicht diese vermaledeiten Wiesn. Dorthin muss der Coach heute, seine ersten Maß stemmen. Ein Graus. Denn Bier mag der elegante Herr Ancelotti leider nicht. Es fremdelt.
Der BVB kantert dreifach - und mosert
Klatsche (6:0), Klatsche (6:0), Klatsche (5:1) - wer nicht klatscht, der ist ein Schalker, hej hej. Jaja, im schwarzgelben Ruhrgebiet da sind'se im Rausch. Gegner um Gegner wird derzeit von den "kleinen Jungs" der BVB-Offensive auseinandergefummelt. Auch wenn's gegen den VfL Wolfsburg der Keeper war, der sich das größte Lob verdiente. Denn ohne die Teufelsparaden vom in der Vergangenheit mitunter als "Gürki" verspotteten Roman Bürki hätt es im Stadion am Mittellandkanal 'ne enge Kiste werden können. Da er bis auf einen Treffer von Daniel Didavi alles wegfischte, können wir uns getrost dem Borussen-Rausch widmen. Oder doch nicht? Nee, nee, sagt Trainer Thomas Tuchel. Der fand den Sieg bei den Wölfen nur halb so beeindruckend wie ganz viele andere Menschen in Deutschland. "Es gibt viele Dinge, die es zu verbessern gilt." Sein Team habe trotz des deutlichen Sieges viel leiden müssen: "Wir haben zu viele hochkarätige Chancen zugelassen. Wir können den Sieg einordnen, das Spiel stand lange auf des Messers Schneide." Jaja, stimmt schon. Vor allem wenn VfL-Angreifer Mario Gomez (siehe unten) nicht wie einst gegen Österreich getollpatscht hätte. Trotzdem: Zu viel Pessimismus ist nicht nötig. Denn der schwarzgelbe Express rollt, zurück nach Dortmund, dort wartet am Freitag Freiburg (letzte Heimspiele, 3:1, 5:0, 5:1). Das riecht doch nach: Wer da nicht klatscht, der ist ein Schalker, hej hej.
Ker, Schalke! Ker, Naldo
Nee, nee, nach klatschen ist den millionenschwer gepimpten Schalkern derzeit nicht. Nach den schönsten 72 (geschätzt) Liga-Sekunden der Saison ist alles wieder so richtig "schön scheiße auf Schalke" (Fan-Zitat, garantiert nicht ausgedacht). 1:0 geführt, 1:3 verloren. Zu Hause. Gegen den 1. FC Köln. Tabellen-17. Null Punkte. K R I S E. Und die lässt sich ganz prima personalisieren. Namentlich heißt sie nämlich: Naldo. Der als Abwehrchef vom VfL Wolfsburg verpflichtete Brasilianer wackelte durch den Strafraum wie ein Lämmerschwanz. Während er am Ausgleich noch schuldlos war, beobachtete er seinen Gegenspieler beim 1:2 mit dem Fernglas und beim 1:3 warf ihn eine simple Körpertäuschung des erst 18-jährigen Salih Özcan um. Schalke ein Spitzenteam? Angriff auf die Champions League? Nein. Und keiner weiß, warum. Wir halten es da mit Trainer Markus Weinzierl: "Ich habe keine vier Niederlagen zu Beginn erwartet." Wir auch nicht. Ganz und gar nicht.
Bei Werder ist fast alles besser, aber …

Auf der Zielgeraden noch 1:2 verloren. Trainerdebütant Alexander Nouri kann's nicht fassen.
(Foto: imago/Ulmer)
… das Ergebnis nicht (1:2). Der Abend in Bremen ist aus Sicht der Gastgeber mal so richtig blöd gelaufen. 20 Minuten lang spielte Werder, als hätten sie ernst zu nehmende Europapokalambitionen (gingen gar in Führung), 60 Minuten lief es ganz gut und dann zehn Minuten komplett beschissen. Statt dem ersten (etwas glücklichen) Saison-Dreier gab's die vierte Niederlage. "Es fühlt sich extrem bitter an", erklärte Interimstrainer Alexander Nouri direkt nach dem Abpfiff. Und wie richtig er lag. Zum ersten Mal in dieser Saison konnte sich der geneigte Bundesliga-Zuschauer davon überzeugen, dass sich an der Weser nicht bloß elf zwangsverhaftet-uninspirierte Egalos regelmäßig vorführen lassen wollen, sondern dass dort Fußball mit Leidenschaft, Power und Zielstrebigkeit gespielt wird. Zwar wurden die saisonbegleitenden Schwächen mit zunehmender Dauer immer deutlicher, doch mit ein kleines bisschen Glück hätte der Trainer sich für kurze Arbeit belohnen können. Emotional und impulsiv peitschte er seine Mannschaft nach vorne. Die ließ sich anstecken - anders als zuletzt unter Seitenlinien-Stoiker Viktor Skripnik. In der Mannschaft hat sich etwas verändert. Unübersehbar. Gegen Wolfsburg bekommt Nouri, der nach dem 1:1 vom Schiedsrichter auf die Tribüne verbannt wurde, sehr wahrscheinlich eine weitere Chance. Und dann? Alles offen. Sagt Sportchef Frank Baumann. Aber der hatte ja auch gesagt, dass Viktor Skripnik, ach, vergessen Sie's …
Lasst den Dieter in Ruhe!
Was soll denn bloß die ganze Aufregung! Dieter Hecking hat doch recht behalten. Vor dem Spiel seines VfL Wolfsburg gegen den BVB hat er gesagt: "Bei allem Respekt, ich glaube, dass wir besser sind." Er sagte das über den SV Darmstadt und Legia Warschau, die von den Schwarzgelben binnen vier Tagen jeweils mit 6:0 vom Rasen gemäht wurden. Und jetzt? Gucken wir uns die Zahlen an: 1:5. Ein Tor geschossen, eins weniger kassiert. Zweifellos hat der Wölfe-Trainer nichts als die Wahrheit ausgesprochen. Und wenn Mario Gomez nicht wieder akut von seiner immer mal wiederkehrenden Torallergie betroffen gewesen wäre, tja, wer weiß, was da noch passiert wäre! Weil der Konjunktiv im Fußball allerdings dem Hätte-hätte-Fahrradkette-Prinzip folgt, gibt's an Hecking freche Fragen. Zum Beispiel die, ob er denn immer noch finde, seine Mannschaft sei besser als Legia und die Lilien. Und natürlich sagt der gebürtige Castrop-Rauxeler wieder nur die Wahrheit, wenn auch etwas überreizt: "Was ihr erwartet, das ist mir scheißegal. Ob ihr mir das um die Ohren haut oder nicht. Man hat gesehen, dass wir heute mindestens auch vier Tore hätten schießen müssen. Da hat man schon gesehen, dass wir deutlich mehr Qualität haben als die beiden Mannschaften." Wer möchte da noch zweifeln?
Lasst das mal den Norbert machen, …
… denn der Norbert macht das gut. Jaja, der gute Herr Meier - Glückwunsch zum Geburtstag und viel Spaß beim Tanztee. Vier Spiele, vier Punkte - dank des Quasi-Abpfiff-Treffers von Joker Denis Oliinyk zum 1:1 gegen Hoffenheim. Voll im Soll, der Ex-Armine, der aus dem wildesten Transfer-Patchwork des Sommers ein klasse kämpfendes Kollektiv zusammengepuzzelt hat. Spielerisch, da wollen wir ehrlich bleiben, ist Darmstadt nach wie vor keine Augenweide. Auch wenn Florian Jungwirth das anders sieht: "Ich glaube, das sah nach Fußball aus." Hm, okay, ausnahmsweise, weil ihr's seid, liebe Darmstädter. Wichtiger ist aber etwas ganz anderes: Die Leidenschaft, mit der die Lilien den Rasen zum Acker machen, ist für Freunde des Malochertums quasi sinnstiftend. Und die Freude erst! "Wenn wir uns so belohnen, ist das natürlich megageil. Wir haben immer gewusst, dass wir kicken können. Da geht noch mehr." Wer hat's gesagt? Na, klar, Florian Jungwirth. Und diesmal feiern wir auf dem gleichen Gleis. Ehrensache. Ist schließlich auch verdient. Denn das Mitleid nach dem 0:6 in Dortmund war ja völlig unangebracht. Siehe Wolfsburg (siehe oben). Weswegen wir, wo wir gerade beim Thema Zweifeln sind (siehe auch oben), nochmal kurz den Darmstädter Trainer in die Manege bitten. Sie haben das Wort, Herr Meier: "Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass auch andere den Arsch voll kriegen." Wahr, fürwahr.
Quelle: ntv.de