Fußball

Mutmaßlich gekaufte Heim-WM 2006 "Spiegel"-Vorwurf wackelt - der DFB auch

ccd7810e3450d074f96f48eb5c220b52.jpg

Unter dem Titel "Das zerstörte Sommermärchen" schreibt der "Spiegel": Die WM 2006 soll gekauft worden sein, vom DFB. Der droht mit massiven rechtlichen Schritten, trägt aber bislang nichts zur Aufklärung bei. Derweil könnte der vermeintlich stärkste Beweis des "Spiegel" wackeln.

Seit Freitag steht ein schwerwiegender Vorwurf im Raum, erhoben vom "Spiegel": Die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland sei mutmaßlich gekauft worden - mit Geld aus einer "schwarzen Kasse", die der frühere Adidas-Boss Robert Louis-Dreyfus gefüllt habe. Deutsche Fußball-Granden wie Franz Beckenbauer und DFB-Wolfgang Niersbach hätten davon gewusst. Später sei die Bestechung mit Hilfe des Fußball-Weltverbandes Fifa vertuscht worden.

Die "Spiegel"-Autoren führen eine durchaus nachvollziehbare Indizienkette an. Konkrete Beweise für ihre Anschuldigungen gegen Niersbach und den damaligen Chef des WM-Organisationskomitees, Franz Beckenbauer, liefern sie kaum. Die Faktenlage ist schmal, vieles Interpretationssache, was die "Süddeutsche Zeitung" so zusammenfasst: "Behauptung steht gegen Behauptung. Vieles erscheint, derzeit noch, rätselhaft."

In einem Interview mit "Sky90" räumte "Spiegel"-Autor Jens Weinreich am Sonntagabend ein, das vermeintlich stärkste Indiz für die Vorwürfe, einen handschriftlichen Vermerk von Wolfgang Niersbach, nicht geprüft zu haben. "Das haben wir noch nicht prüfen lassen, nein", sagte Weinreich.

Ob er also tatsächlich von Niersbach stammt, scheint derzeit nicht zweifelsfrei belegt. Niersbach selbst hatte auf der DFB-Homepage erklärt: "Ich kann mich daran absolut nicht erinnern." Er bat den "Spiegel" um Überlassung des Papiers "um nachvollziehen zu können, worum es sich handelt und ob es überhaupt meine Handschrift ist". Jörg Schmitt, wie Weinreich einer der Autoren der "Spiegel"-Geschichte, nannte das im Deutschlandfunk (das DLF-Interview zum Nachhören) "einen Taschenspielertrick", den dieser da versuche: "Wir werden das im Zweifel mit Herrn Niersbach gerne vor Gericht klären."

Zeitpunkt des Dreyfus-Darlehens unklar

Das Nachrichtenmagazin hatte nach eigenen Angaben die Existenz eines Geheimdokuments enthüllt, in dem die Rückzahlung der 6,7 Millionen Euro durch das WM-Organisationskomitee begründet wird. Darauf soll handschriftlich vermerkt sein: "Das vereinbarte Honorar für RLD". RLD soll den Recherchen des "Spiegel" zufolge mutmaßlich für Robert Louis-Dreyfus stehen, die Notiz von Niersbach stammen. Der damalige Adidas-Chef Louis-Dreyfus soll den deutschen Bewerbern vor der WM-Vergabe am 6. Juli 2000 das Schmiergeld als Privatdarlehen geliehen haben, später aber zurückgefordert haben. Mithilfe der Fifa wurde Louis-Dreyfus das Geld, umgerechnet 6,7 Millionen Euro, im Jahr 2005 zurücküberwiesen.

Laut "Bild"-Zeitung soll das Millionendarlehen von Louis-Dreyfus für die Bestechung von Fifa-Wahlmännern nicht vor der WM-Vergabe am 6. Juli 2000 gewährt worden sein, sondern erst zwei Jahre später. Die "ominöse Zahlung" sei "weder auf ein Konto des DFB noch des WM-Organisationskomitees" gegangen, der Empfänger des Geldes unbekannt. Eine Quelle nennt die "Bild" nicht.

Stimmen die Informationen, würde das zwar Teilen der "Spiegel"-Geschichte widersprechen. Allerdings wäre auch eine nachträgliche Belohnung von Funktionären für ihre Stimmabgabe keine unübliche Praxis. Ermittlungen im Zuge des Skandals beim Weltverband Fifa ergaben Ende Mai, dass Südafrika 2008 - vier Jahre nach der Vergabe - über die Fifa zehn Millionen Dollar an den Kontinentalverband CONCACAF hatte überweisen lassen. Die Ermittlungen betrachten die Zahlung als Schmiergeld.

Unstrittiger Geldfluss

Wolfgang Niersbach ist angeschlagen. Die Vorwürfe des "Spiegel" nagen augenscheinlich am DFB-Präsidenten.

Wolfgang Niersbach ist angeschlagen. Die Vorwürfe des "Spiegel" nagen augenscheinlich am DFB-Präsidenten.

(Foto: AP)

Bei "Sky90" argumentierte Weinreich, die Vorlage von bei der Recherche entdeckten Kontonummern sei "eine neue Qualität der Enthüllungen". Laut Schmitt ist der Geldfluss der 6,7 Millionen Euro vom DFB über ein Fifa-Konto in Genf auf ein Nummerkonto "ein Fakt". Im Deutschlandfunk sagte er weiter: "Das haben uns hohe Fifa-Funktionäre bestätigt." Man sei sich "ziemlich sicher, dass dieses Nummernkonto Louis-Dreyfus gehört hat". Eine entsprechende Anfrage an die Witwe des früheren Adidas-Bosses sei aber unbeantwortet geblieben.

"Reden über einen Verdacht"

Gleichzeitig kritisierte Schmitt die Öffentlichkeitsarbeit des DFB. Er betonte zwar: "Wir reden und schreiben über einen Verdacht - nicht über einen Beweis." Zu den "wirklich interessanten Fragen" gibt es laut Schmitt vom DFB aber "nach wie vor keine Antworten". Es sei unstrittig, dass Louis-Dreyfus dem DFB vor der Vergabe der WM 2006 im Jahr 2000 einst umgerechnet 6,7 Millionen Euro überwiesen habe. Die Dreyfus-Zahlung sei aber in keiner Bilanz des damaligen Bewerberkomitees, des späteren Organisationskomitees oder des DFB enthalten. "Wenn das tatsächlich legales Geld war", sagte Schmitt, "warum taucht es dann in keinem offiziellen Haushalt auf?" Erst bei der Überweisung an die Fifa im April 2005 taucht diese Summe in den Fifa-Bilanzen auf. Der DFB hatte diesbezüglich am Freitag Ungereimtheiten eingeräumt, die dem Verband zuvor zehn Jahre nicht aufgefallen waren.

Wie das passieren konnte, und warum das Dreyfus-Geld nirgends verbucht ist: Zu dieser und anderen entscheidenden Fragen rund um die Zahlung habe sich der DFB nach wie vor nicht geäußert. Wenn DFB-Präsident Niersbach, der nach eigenem Bekunden bereits seit dem Sommer über die Unstimmigkeiten informiert ist, das nicht schnell nachhole und für Aufklärung sorge, dann "wird es schwer für ihn". Auf die Frage, ob der "Spiegel" noch Informationen nachlegen könne und fürs Erste sein Pulver verschossen habe, antwortete Schmitt: "Schau'n mer mal, wie der Teamchef sagen würde."

DFB will Vorwürfe widerlegen

Der DFB hat unterdessen den Berliner Medienrechtler Christian Schertz eingeschaltet. Er soll in Absprache mit seinen Auftraggebern auch rechtliche Schritte gegen den "Spiegel" einleiten, sagte er "Sky90": "Ich werde bei dieser Sachlage, die für mich tatsächlich ungewöhnlich und eindeutig ist, dem Präsidenten und dem DFB empfehlen, selbstverständlich eine Gegendarstellung zu verlangen und insbesondere der Aussage mit aller Härte entgegen zu treten, die WM sei gekauft worden aus einer schwarzen Kasse des DFB. Wir werden Unterlassung fordern, wir werden Gegendarstellung fordern, und sollte dem Deutschen Fußball-Bund durch diese Berichterstattung ein wirtschaftlicher Schaden entstehen, werden wir den Spiegel-Verlag dafür auch haftbar machen."

DFB-Präsident Niersbach kündigte in seiner jüngsten Stellungnahme an, der DFB werde gegen die "Behauptungen des Spiegels" nicht nur presserechtlich vorgehen, sondern sie auch "widerlegen". Die Vorwürfe sollen schnellstmöglich aus der Welt geschafft werden, sagte Niersbach am Morgen während der Vorstellung des Deutschen Fußballmuseums in Dortmund. Einen Zeitrahmen konnte Niersbach nicht nennen. Fragen ließ der DFB-Präsident im Anschluss an seine Erklärung nicht zu.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen