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Sanktionen gegen Abramowitsch Warum der Verkauf des FC Chelsea so komplex ist

Großbritannien hat Sanktionen gegen Chelsea-Inhaber Roman Abramowitsch verhängt.

Großbritannien hat Sanktionen gegen Chelsea-Inhaber Roman Abramowitsch verhängt.

(Foto: Martin Meissner/AP/dpa)

Der englische Traditionsklub FC Chelsea steht zum Verkauf. Nach den Sanktionen gegen den Oligarchen Roman Abramowitsch braucht der Verein einen neuen Besitzer. Am Freitag könnte eine erste Entscheidung fallen, auch ein Bundesligist mischt mit. Die Abwicklung der Übernahme ist höchst kompliziert.

Die Bieterschlacht um den englischen Premier-League-Klub Chelsea geht in die entscheidende Phase. Der von der US-Bank Raine eingeleitete Verkaufsprozess könnte bereits am Freitag zu einem möglichen neuen Eigentümer führen. Der jedoch muss dann noch von der britischen Regierung abgesegnet werden und sich einem Test der Premier League unterziehen. Der Verkauf war notwendig geworden, nachdem der Oligarch Roman Abramowitsch, der bisherige Eigentümer, in Großbritannien aufgrund seiner Verbindungen zum russischen Aggressor Wladimir Putin mit Sanktionen belegt wurde.

Die britische Regierung hat dem FC Chelsea eine Sonderlizenz erteilt. Sie hat kein Interesse daran, ein Kulturgut des englischen Fußballs zu zerstören. Die Lizenz ermöglicht dem Klub, unter strengen Auflagen weiter am Spielbetrieb teilzunehmen. Die Londoner dürfen keine Eintrittskarten oder Fanartikel verkaufen, keine neuen Verträge aushandeln und haben ein drastisch eingeschränktes Budget für Heimspiele oder Reisen zu Auswärtsspielen. Obwohl diese Sonderlizenz, die dem Verein untersagt, Einnahmen zu erzielen, einen Eigentümerwechsel ausschließt, zeigt sich die Regierung offen für einen Verkauf. "Sollte sich ein Käufer finden, könnte dieser oder der Fußballklub bei der Regierung eine Änderung der Bedingungen beantragen, um den Verkauf zu ermöglichen", erklärte der britische Minister für Technologie, Chris Philp in der vergangenen Woche.

Auch Augsburg mischt mit

Für den Klub selbst gibt es großes Interesse. Zahlreiche Angebote sollen bei der US-Bank Raine eingegangen sein. Darunter das des 86-jährigen Schweizers Hansjörg Wyss, das Angebot der Saudi Media Group, das eines britischen Immobilien-Milliardärs und die Gebote einiger Gruppen, die bereits Beteiligungen an Franchises in den US-Profiligen NBA, NHL und MLB halten. Aus deutscher Sicht interessant: Ein Bieterkonsortium um die Frontfiguren Sir Martin Broughton und Lord Sebastian Coe soll unter anderem von den Miteigentümern von Crystal Palace unterstützt werden. Neben den rechtlichen Aspekten für die Premier League, die Beteiligungen an mehr als einem Verein untersagt, lohnt auch ein Blick auf die Namen Josh Harris und David Blitzer.

Letztgenannter hält über sein Unternehmen Bolt Football Holding auch 45 Prozent der Anteile der Hofmann Investoren GmbH, die wiederum fast 100 Prozent der ausgegliederten Profi-Fußballabteilung des Bundesligisten FC Augsburg hält - und mit Klaus Hofmann den Präsidenten sowie Klub-Geschäftsführer stellt. Blitzer hatte die Anteile im Februar 2021 für 5,5 Millionen Euro erworben. Neben Crystal Palace und Augsburg hält der Blackstone-Mann noch Minderheitsbeteiligungen an den Philadelphia 76ers, den New Jersey Devils, einem zweitklassigen Baseball-Team, unterklassigen Fußball-Klubs in Belgien und den Niederlanden sowie einem eSports-Team. Im Januar 2022 erwarb er gemeinsam mit dem Milliardär Ryan Smith auch den US-Fußballklub Real Salt Lake. Smith hatte kurz zuvor auch das NBA-Franchise Utah Jazz übernommen.

Im Januar hatte Blitzers Investment in den FC Augsburg für Schlagzeilen gesorgt. Der Milliardär soll mit seinen Kontakten den teuersten Transfer der Bundesliga-Wintertransferperiode ermöglicht haben. Der 19-jährige US-Spieler Ricardo Pepi war dem Klub damals rund 17 Millionen Euro wert. In seinen bislang sechs Auftritten in der Liga blieb er bislang ohne Torbeteiligung. Für kurzzeitige Aufregung sorgte eine ungewöhnliche Klarstellung des Vereins zu angeblichen Initiationsriten des Trainers Markus Weinzierl. Zu einer möglichen Beteiligung am Konsortium hinter dem ehemaligen Liverpool-Vorsitzenden Martin Broughton und dem früheren Mittelstrecken-Olympiasieger Sebastian Coe wollte sich Blitzer am Wochenende gegenüber dem "Philadelphia Inquirer" nicht äußern.

Wer entscheidet über neuen Besitzer?

Laut eines Berichts des "Guardian" sollen Broughton und Coe aktuell in aussichtsreicher Position liegen. Wäre ihr Gebot erfolgreich, müssten sie jedoch darauf warten, dass Blitzer und Harris ihre Anteile an Crystal Palace abstoßen. Das jedoch ist mit Sicherheit eine der geringsten Sorgen momentan. Der Verkauf selbst jedoch gestaltet sich schwierig und ist äußerst komplex. Es geht nicht nur darum, wie sichergestellt werden kann, dass Abramowitsch aus dem Verkauf kein Geld erhält und was mit dem Erlös aus dem Verkauf passiert, sondern auch darum, wer über den neuen Eigentümer entscheidet.

Coe (l.) und Johnson (m.) waren Gesichter der Olympischen Sommerspiele 2012 in London.

Coe (l.) und Johnson (m.) waren Gesichter der Olympischen Sommerspiele 2012 in London.

(Foto: picture alliance / dpa)

Normalerweise wird der Verkauf eines Klubs zwischen dem bisherigen Eigentümer und dem Käufer vereinbart. Der Klub selbst spielt bei diesem Prozess nur eine kleinere Rolle. Er versorgt die potenziellen Käufer mit Informationen. Aufgrund der Sanktionen gegen Abramowitsch ist der bisherige Eigentümer jedoch von den Verhandlungen ausgeschlossen. So müssen nun andere Stellen über den neuen Besitzer entscheiden. Der von der amerikanischen Raine-Bank ausgewählte Bieter muss danach in weitere Gespräche mit der britischen Regierung gehen. Die führt stellvertretend für den sanktionierten Eigentümer die Verhandlungen. Danach entscheidet die Premier League über die Eignung des neuen Besitzers.

Kompliziert ist es für die britische Regierung, der zu einigen der potenziellen Käufer Verbindungen nachgesagt werden. Einer der Bieter, der Immobilien-Tycoon Nick Candy, gehört zu einer Reihe von Immobilienentwicklern, die zwischen Juli 2019 und Juni 2020 rund 13 Millionen Euro an die Partei des Prime-Ministers Boris Johnson gespendet haben. Auch andere potenzielle Käufer haben Verbindungen zur britischen Regierung.

Die Hürde Premier League

Die Premier League ist die Aufsichtsbehörde für alle an der Liga teilnehmenden Vereine und sollte eigentlich nicht über die jeweiligen Besitzer entscheiden, sondern nur über deren Eignung einen Klub zu führen. Der "Owners and Directors Test" soll nicht nur sicherstellen, dass ein Käufer die finanziellen Mittel für eine Übernahme hat, sondern anhand unterschiedlicher Faktoren bestimmen, ob die Person geeignet ist, den Verein zu führen. Der Besitzer darf nicht an der Super League teilnehmen, keine Anteile an anderen Klubs haben (wie Blitzer aktuell noch), kein Spielerberater sein, nicht bankrott und kriminell sein.

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Der "Owners and Directors Test" wird nicht zuletzt durch die Übernahme von Newcastle United durch ein Saudi-Konsortium und auch die Sanktionen gegen Abramowitsch aktuell infrage gestellt. So gibt es derzeit die Überlegungen, die Komponente Menschenrechte mit in das Prüfverfahren aufzunehmen, um dem Sportswashing - dem Versuch, das Ansehen von Unternehmen oder Staaten mithilfe von Sportveranstaltungen oder Beteiligungen an Klubs zu verbessern - vorzubeugen. Vor dem Verkauf Chelseas wird es daran jedoch keine Änderungen geben. Für die anstehende Übernahme gilt: Chelsea soll nicht noch einmal vom Weltgeschehen in eine existenzbedrohende Lage gebracht werden. Aber Sport und Politik werden weiter verbunden bleiben.

Zahlreiche der bislang bekannten Bieter sind in der Vergangenheit nicht unbedingt durch Philanthropie aufgefallen. Was bei dem geforderten Preis von beinahe vier Milliarden Euro auch wenig überraschend ist: Derartige Reichtümer lassen sich kaum mit Menschenfreundlichkeit anhäufen. "Egal, wer den öffentlichen Wettbewerb um den Kauf des FC Chelsea von Abramowitsch gewinnt, wird der Verein weiterhin, mehr oder weniger stark, mit der Politik verbunden sein", folgert "The Athletic" ernüchtert.

Quelle: ntv.de

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