Fußball

"Geld nicht zum Stimmenkauf" Was weiß Uli Hoeneß über die Sommermärchen-Millionen?

Uli Hoeneß behauptete in der Vergangenheit, mehr über die Millionenzahlung zu wissen.

Uli Hoeneß behauptete in der Vergangenheit, mehr über die Millionenzahlung zu wissen.

(Foto: imago sportfotodienst)

Die Heim-EM vor Augen, doch die Heim-WM noch immer nicht abgehakt. Der Prozess um den Vorwurf der schweren Steuerhinterziehung vor dem Sommermärchen 2006 ist in vollem Gange. Mit prominenter Beteiligung: Uli Hoeneß soll zu seinen Andeutungen aussagen.

Jetzt soll Uli Hoeneß als Zeuge aussagen. Wenn der einstige Patron des FC Bayern an diesem Montag vor dem Landgericht Frankfurt auftritt, dürfte das öffentliche Interesse am Sommermärchen-Prozess sprunghaft ansteigen. Vor dem vierten Verhandlungstag ist längst klar: Es geht in dem Verfahren um weit mehr als den Vorwurf der schweren Steuerhinterziehung gegen drei ehemalige Top-Funktionäre des DFB. Denn zur juristischen Aufklärung in dieser Sache wird Hoeneß eher nichts beitragen können.

Nach jahrelanger Juristerei - unter anderem mit der Einstellung eines Verfahrens in der Schweiz wegen Verjährung - steht für viele vor allem eine Frage immer noch im Raum: War die Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland gekauft? Dies konnte bei dem komplexen Sachverhalt um dubiose Geldflüsse über den damaligen WM-Organisationschef Franz Beckenbauer, den früheren Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus, den DFB, die FIFA bis hin zum früheren Skandalfunktionär Mohamed bin Hammam aus Katar, der mittlerweile lebenslang gesperrt ist, bis heute nicht geklärt werden.

Beckenbauer und Dreyfus sind gestorben, bin Hammam ist nicht zu greifen. Jetzt soll Hoeneß Licht ins Dunkel der WM-Affäre bringen. Vor allem deshalb dürfte die Vorsitzende Richterin Eva-Maria Distler den Bayern-Ehrenpräsidenten vorgeladen haben. Der 72-Jährige hatte 2020 im Sport1-"Doppelpass" und 2021 im Podcast "11Leben" Andeutungen gemacht. Er wisse "sehr sicher, dass das Geld nicht zum Stimmenkauf verwendet wurde", sagte er im "Doppelpass" und wiederholte im Podcast: "Ich weiß ziemlich genau, was damals los war." Details nannte er nicht. Für ihn gilt - wie in der Wahrnehmung vieler Fußball-Fans: Lasst den Kaiser in Frieden ruhen, Beckenbauer hat so viel für Deutschland getan. Auch Günter Netzer, der am 23. Mai vor Gericht als Zeuge aussagen soll, galt als enger Verbindungsmann zu Beckenbauer.

Oberstaatsanwalt: "Halblegales Korruptionsmodell" möglich

In dem Prozess, der auf über 20 Verhandlungstage angesetzt ist, geht es um eine Zahlung von 6,7 Millionen Euro, die der DFB im April 2005 über die FIFA an Louis-Dreyfus überwiesen hatte. Diese Summe entsprach umgerechnet exakt den zehn Millionen Schweizer Franken, die Beckenbauer drei Jahre zuvor als Privatdarlehen von dem französischen Unternehmer erhalten hatte und kurz darauf in mehreren Tranchen auf ein Geschäftskonto von bin Hammam transferieren ließ. Zu welchem Zweck ist bis heute ungeklärt.

Den beiden früheren DFB-Präsidenten Theo Zwanziger und Wolfgang Niersbach sowie Ex-Generalsekretär Horst R. Schmidt wird von der Staatsanwaltschaft zur Last gelegt, dass diese Summe in der Steuererklärung des Verbandes für 2006 unberechtigt als Betriebsausgabe in die Gewinnermittlung eingeflossen sein soll. Die drei Angeklagten haben die Vorwürfe stets strikt zurückgewiesen.

DFB-Anwalt Jan Olaf Leisner bestritt am vergangenen Prozesstag, dass bei der WM-Vergabe Stimmen gekauft worden seien. Oberstaatsanwalt Jesco Kümmel sprach hingegen von der Möglichkeit, dass der DFB "ein halblegales Korruptionsmodell entwickelt hat".

Auch Ex-DFB-Präsident Keller soll aussagen

Im Blickpunkt steht derzeit vor allem der frühere Generalsekretär Horst R. Schmidt, der damals wie Beckenbauer, Zwanziger und Niersbach dem Organisationskomitee der WM 2006 angehörte. Zuerst der "Spiegel" und dann die "Süddeutsche Zeitung" berichteten von einem Dokument aus einer internen Untersuchung zum Sommermärchen, die der Verband vor einigen Jahren durch die Firma Esecon vornehmen ließ.

In einem von Schmidt nicht autorisierten Protokoll soll der frühere DFB-Generalsekretär gesagt haben: "Dennoch muss vermutet werden, dass das Geld zum Stimmenkauf genutzt worden ist." Der heute 82-Jährige hatte sich später offiziell davon distanziert und einen Stimmenkauf bei der Vergabe der WM 2006 offiziell stets bestritten.

Um in diese Causa mehr Klarheit zu bekommen, soll auch der frühere DFB-Präsident Fritz Keller noch als Zeuge vernommen werden. Es gibt verschiedene Theorien - abseits von der WM-Vergabe wird auch über einen Stimmenkauf für die Wiederwahl des damaligen FIFA-Präsidenten Joseph Blatter 2002 spekuliert und über Geschäfte auf dem damals millionenschweren TV-Markt.

Landgericht statt Fußball-Glamour

Dass das Verfahren weit über steuertechnische Fragen hinaus geht, sorgt bei Zwanziger, Schmidt und Niersbach inzwischen für großes Unverständnis. Alle drei kämpfen vor Gericht um ihre ohnehin längst beschädigte Reputation. Das ernüchternde Ambiente im Saal 1 des Frankfurter Landgerichts mit Glasscheiben vor den Publikumsreihen, keinen Fenstern, kaltem Licht und Holzvertäfelung steht so ganz im Widerspruch zu dem, was das Funktionärstrio in der ersten Reihe erlebt hat: Glanzzeiten des deutschen Fußballs.

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Zwanziger schrecken als erfahrenen Anwalt Gerichtsverfahren natürlich nicht. Der 78 Jahre alte ehemalige Verbandspräsident kämpft wild entschlossen um sein Recht und sagte nach dem Prozessauftakt zuversichtlich: "Ich habe den Eindruck, dass die Vertreter der Anklage sehr wohl wissen, dass sie auf sehr dünnem Eis sind und es einen Freispruch geben kann und geben wird für alle drei Angeklagten."

Mehrfach schon griff Zwanziger das Gericht und vor allem die Staatsanwaltschaft verbal an, weil sie bei diesem Prozess seiner Meinung nach zu öffentlichkeitswirksam und weit über den Vorwurf der Steuerhinterziehung hinaus agieren. Am dritten Verhandlungstag hatten Zwanziger sowie sein und Schmidts Anwalt immer wieder die Ausführungen des Oberstaatsanwalts kommentiert - sodass die Richterin sie zweimal energisch ermahnte. Der Auftritt von Hoeneß verspricht also durchaus spannend zu werden.

Quelle: ntv.de, Ulrike John und Eric Dobias, dpa

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