Collinas Erben

"Collinas Erben" vergleichen Ahamada kassiert Gelb-Rot für zu viel Fannähe

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Ahamada jubelte mit den Stuttgart-Fans und flog vom Platz.

Ahamada jubelte mit den Stuttgart-Fans und flog vom Platz.

(Foto: IMAGO/Avanti)

Der Stuttgarter Naouirou Ahamada muss mit Gelb-Rot vom Feld, weil er nach einem Tor zu ausgiebig mit den Fans jubelt. Da es sich um eine Pflichtverwarnung handelt, bleibt dem Schiedsrichter keine Wahl. Der Fall erinnert an eine noch kuriosere Begebenheit.

Beim Spiel zwischen der TSG 1899 Hoffenheim und dem VfB Stuttgart (2:2) dürften viele Stadionbesucher und auch die Fernsehzuschauer nach 78 Minuten etwas ratlos gewesen sein: Soeben hatte Wataru Endo den Führungstreffer zum 2:1 für die Gäste erzielt, als es im Freudentaumel der Stuttgarter plötzlich Gelb-Rot für Naouirou Ahamada gab, der den Treffer vorbereitet hatte. Mehrere Spieler des VfB protestierten bei Schiedsrichter Florian Badstübner gegen den Feldverweis, und nicht wenige Beobachter fragten sich: Was hatte Ahamada - der fünf Minuten vorher wegen Meckerns verwarnt worden war - getan, das den Unparteiischen zu dieser Sanktion veranlasste?

Die Antwort lieferten bald die Fernsehbilder: Ahamada war nach dem Torerfolg über eine Werbebande hinter dem Tor der Hoffenheimer gesprungen und zum Gästeblock gelaufen, wo er eine kleine Treppe hinaufstieg und sich zu den dort versammelten VfB-Fans begab, um mit einigen von ihnen eng umschlungen zu feiern. Für diese Form des Torjubels sieht das Regelwerk eine Gelbe Karte vor. Zwar ist das Verlassen des Spielfelds zum Zwecke des Feierns "an sich noch kein verwarnungswürdiges Vergehen", wie es in der Regel 12 ("Fouls und sonstiges Fehlverhalten") heißt. Die Spieler seien lediglich "gehalten, so rasch wie möglich zurückzukehren".

Doch weiter steht dort: "Ein Spieler wird verwarnt, selbst wenn das Tor aberkannt wird, wenn er an einem Zaun hochklettert und/oder sich den Zuschauern auf eine Weise nähert, die zu einem Sicherheitsproblem führt." Einer der bekanntesten diesbezüglichen Fälle in der Geschichte der Bundesliga hatte sich vor etwas mehr als zehn Jahren im Spiel zwischen Hannover 96 und Werder Bremen ereignet, als der Hannoveraner Szabolcs Huszti sich nach seinem Siegtor zum 3:2 in der Nachspielzeit erst das Trikot vom Leib riss und anschließend einen Zaun erklomm, um mit den Fans zu jubeln.

Eine Pflichtverwarnung wie einst bei Huszti

Schiedsrichter Deniz Aytekin hatte Huszti seinerzeit mit einer Geste des Bedauerns nacheinander die Gelbe Karte für das Ausziehen des Trikots gezeigt und dann Gelb-Rot für das Klettern auf den Zaun. Eine gewiss kuriose Entscheidung, die DFB-Schiedsrichter-Lehrwart Lutz Wagner aber ausdrücklich als korrekt bewertete. Aytekin habe "keinen Handlungsspielraum" gehabt, ihm seien "die Hände gebunden" gewesen, sagte er. Denn es handelte sich hierbei um sogenannte Pflichtverwarnungen, bei denen es nicht auf das Ermessen des Referees ankommt. Weitere Beispiele für solche Pflichtverwarnungen sind das unerlaubte Betreten des Feldes, das Verkürzen des Mauerabstandes - sofern der Schiedsrichter den Freistoß deshalb wiederholen lässt - und der Versuch, die sogenannte Rückpassregel zu umgehen.

Nun gibt es in vielen Fußballstadien keine Zäune mehr, die man hochklettern könnte, sondern stattdessen beispielsweise Treppen wie in der Heimspielstätte der TSG 1899 Hoffenheim. Doch verwarnungswürdig ist es nach dem Regelwerk eben auch, sich den Zuschauern so zu nähern, dass die Sicherheit tangiert ist. Gemeint ist dabei sowohl die Sicherheit des betreffenden Spielers selbst, der von freudetrunkenen Fans versehentlich verletzt werden könnte, als auch die Sicherheit von Teilen des Publikums beim Versuch, dem Spieler in der Euphorie so nahe wie möglich zu kommen.

Verständlicher, aber verbotener Überschwang

Mit der jubelnden Masse auf Tuchfühlung zu gehen wie Ahamada, mag im Überschwang der Gefühle ein nachvollziehbares Bedürfnis sein - nach dem Regelwerk ist es aber schon seit etlichen Jahren als Form des übertriebenen Torjubels untersagt, genauso wie das Ausziehen des Trikots. Und zumindest in Deutschland sprechen die Unparteiischen diese Pflichtverwarnung normalerweise auch konsequent aus. Deniz Aytekin sagte seinerzeit zu Gelb-Rot gegen Huszti, ihm habe diese Sanktion "leid getan", auch sein Kollege Florian Badstübner dürfte wenig erbaut gewesen sein, dass er keine Wahl hatte. Doch die betreffende Regel hatten beide nun mal anzuwenden, und deshalb war der Feldverweis eine korrekte Entscheidung.

Als Ahamada das Bad in der Menge nahm, hielten seine Mitspieler übrigens deutlichen Abstand, und Konstantinos Mavropanos redete ein sichtlich ernstes Wort mit dem 20-Jährigen, bevor dieser das Feld verließ. Das lässt darauf schließen, dass dessen Teamkollegen genau wussten, was diese Art des Torjubels nach sich zieht. In Unterzahl kassierte der VfB Stuttgart schließlich noch den Ausgleichstreffer, Ahamada hatte seinem Team den berühmten Bärendienst erwiesen. Allerdings hatte er auch einmal Grund, sich zu ärgern: Als ihn sein Gegenspieler Stanley Nsoki in der 60. Minute im Hoffenheimer Strafraum beim Kopfballduell mit dem Ellenbogen im Gesicht traf, wäre ein Strafstoß angemessen gewesen. Den aber gab es nicht.

Pavlenkas Patzer bleibt folgenlos

In der Partie des SV Werder Bremen gegen den 1. FC Union Berlin (1:2) konnten sich die Gastgeber derweil kurz vor der Pause glücklich schätzen, dass das Gegentor, das nach einem missglückten Klärungsversuch ihres Torhüters Jiri Pavlenka fiel, letztlich nicht zählte. Der Berliner Kevin Behrens hatte den Ball aus kurzer Distanz bei Pavlenkas Befreiungsschlag abgelenkt, sein Mitspieler Sheraldo Becker danach ins Tor getroffen. Schiedsrichter Bastian Dankert hatte zunächst keine Regelwidrigkeit erkannt, doch Video-Assistent Sören Storks fiel bei der Überprüfung des Treffers auf, dass Behrens den Ball mit der Hand gespielt hatte.

Nach dem folgenden On-Field-Review annullierte Dankert das Tor. Behrens' erkennbares Ansinnen war es, den Ball im Sprung abzublocken, bevorzugt mit dem ausgestreckten und in die Flugbahn des Balles gebrachten linken Bein. Der Ball flog jedoch gegen die Hand des linken Arms, den Behrens ein Stück vom Körper abgespreizt hatte. Eine normale Haltung beim Sprung oder eine unnatürliche Vergrößerung der Körperfläche? Regeltechnisch lässt sich argumentieren: Wer sich in der Absicht breiter macht, den Ball abzublocken, und dabei die Arme seitlich ausstreckt, nimmt ein Handspiel zumindest in Kauf. Deshalb war es nachvollziehbar und regelkonform, dass der VAR hier intervenierte und der Referee den Treffer schließlich aberkannte.

Warum Lindström trotz VAR-Eingriff nur Gelb bekommt

Jederzeit unter Kontrolle hatte Referee Deniz Aytekin die Begegnung zwischen dem SC Freiburg und Eintracht Frankfurt (1:1). Auch in diesem Spiel gab es einen Eingriff des Video-Assistenten, und zwar nach 68 Minuten. Bei einem Konter der Gäste spielte Jesper Lindström den Ball kurz vor der Mittellinie auf der rechten Außenbahn ab, Philipp Lienhart trat ihm danach in den Weg und versuchte so, ihn am Weiterlaufen zu hindern. Der Frankfurter quittierte das, indem er dem Freiburger seinerseits ein Bein stellte. Lienhart hakte daraufhin unfreiwillig bei sich selbst ein und stürzte. Beide Aktionen ereigneten sich abseits des Balles, dessen Lauf Schiedsrichter Aytekin folgte. Es war deshalb offensichtlich, dass er nicht wahrgenommen hatte, was zwischen Lindström und Lienhart vorgefallen war. Zumal es in dieser Situation nicht einmal einen Freistoß gab.

Lindströms Beinstellen fernab des Balles - ersichtlich die Revanche für Lienharts Versuch, den Gegner mit unfairen Mitteln aufzuhalten - hätte man dabei bei einer strengen Regelauslegung als Versuch einer Tätlichkeit bewerten können. Und wohl weil Aytekin der Vorfall verborgen geblieben war, kam es nach Rücksprache mit VAR Pascal Müller zu einem On-Field-Review. Aytekin brauchte am Monitor nicht lange, um zu einem Urteil zu kommen: Er beließ es bei einer Gelben Karte für Lindström. Dafür sprach, dass das Vorgehen des Frankfurters kein klarer Tritt war und es ihm an jener Brutalität fehlte, die eine Tätlichkeit kennzeichnet. Die Verwarnung war somit durch den Ermessensspielraum des Schiedsrichters regelkonform - und sie war auch eine bessere Entscheidung, denn ein Feldverweis hätte hier überzogen angemutet, zumal Aytekin insgesamt keine strenge Linie hatte.

Mancher mag sich gefragt haben, wie es sein kann, dass es nach einem VAR-Eingriff samt On-Field-Review nur eine Gelbe Karte gibt. Die Erklärung liefert das VAR-Protokoll: Nach einem solchen Review am Monitor muss am Ende immer die aus Sicht der Unparteiischen vollständig richtige Entscheidung stehen. Wenn es also zu einer Überprüfung wegen einer möglichen Roten Karte kommt, der Referee aber nach Ansicht der Bilder befindet, dass ein Feldverweis unangemessen oder falsch wäre, kann er auch eine geringere persönliche Strafe aussprechen - eben die Verwarnung. Ihm bleibt also keineswegs nur die Wahl, entweder die Rote Karte zu zeigen oder gänzlich auf eine Sanktion zu verzichten. Das heißt: Es gibt kein On-Field-Review wegen einer fehlenden Verwarnung, aber es kann vorkommen, dass nach einem Eingriff wegen einer womöglich fehlenden Roten Karte am Ende die Gelbe Karte herauskommt.

Quelle: ntv.de

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