"Collinas Erben" freuen sich Diesmal zürnt Köln nicht über den Keller
16.08.2021, 07:22 Uhr

Schiedsdrichter Robert Hartmann und Köln-Trainer Steffen Baumgart treffen sich für ein Gespräch an der Seitenlinie.
(Foto: imago images/Matthias Koch)
Der 1. FC Köln hat diesmal keinen Grund zur Klage über den VAR, zwei heikle Überprüfungen gehen zu seinen Gunsten aus - und das zu Recht. In Mönchengladbach ist man derweil verstimmt, weil es in zwei Situationen keinen Strafstoß gab.
Die Zufriedenheit des 1. FC Köln mit den Video-Assistenten hielt sich bislang in Grenzen. Zu häufig, so hört und liest man es vor allem von den Fans der Rheinländer, sei der Klub vom VAR benachteiligt worden: in Form von Eingriffen zulasten des "Effzeh", wo es aus Sicht vieler Anhänger der Domstädter keine hätte geben dürfen, oder durch unterlassene Interventionen, wo sie nach deren Dafürhalten geboten gewesen wären. Mag die Zustimmung von Fußballfans zur Videozentrale der Unparteiischen generell begrenzt sein, so ist diese Institution bei den Kölnern, wenn nicht alles täuscht, besonders unbeliebt.
An diesem ersten Spieltag der neuen Saison jedoch dürften sie im Ergebnis wenig gegen sie einzuwenden gehabt haben: Zweimal wurde der Video-Assistent in der Partie des 1. FC Köln gegen Hertha BSC (3:1) in spielentscheidenden Situationen konsultiert, beide Male ging die Überprüfung am Ende zugunsten der Gastgeber aus. Zur ersten davon kam es nach 23 Minuten, als der Kölner Rafael Czichos den Ball nach einer Flanke von Peter Pekarik mit dem Kopf verfehlte und dafür mit dem Unterarm ins Toraus lenkte. Referee Robert Hartmann entschied auf Eckstoß, und VAR Markus Schmidt empfahl ihm daraufhin ein On-Field-Review.
Denkbar ist, dass der Referee das Handspiel gar nicht wahrgenommen und somit nicht bewertet hatte; möglich ist aber auch, dass Hartmann zu dem Schluss gekommen war, dass es sich nicht um ein strafbares Handspiel handelte, und Schmidt das für eine klare Fehleinschätzung hielt. Gleichwie: Der Unparteiische lief selbst zum Monitor und entschied dann, dass der Kölner Verteidiger nichts Regelwidriges getan hatte. Es blieb deshalb bei der Eckstoßentscheidung. Und das, obwohl Czichos durch das Abwinkeln des rechten Armes beim gescheiterten Kopfballversuch durchaus seine Abwehrfläche vergrößert hatte.
Beim Handspiel steht nun wieder die Intention im Vordergrund
In der vergangenen Saison hätte es hier mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Elfmeter gegeben. Doch die Regelhüter vom International Football Association Board (Ifab) haben die Handspielregel erneut geändert. Jetzt steht bei der Bewertung von Handspielen wieder stärker die Intention des Spielers im Vordergrund und weniger starr die Position des Armes oder der Hand. Gefragt wird nun: Dient die Armhaltung dieses Spielers vorrangig dazu, die Abwehrfläche zu vergrößern, um den Ball aufzuhalten oder abzulenken? Oder wird das zumindest billigend in Kauf genommen? Dann ist das betreffende Handspiel strafbar.
Oder ist die Armhaltung Teil einer normalen, natürlichen Körperbewegung, - etwa beim Sprung, beim Tackling oder bei der Drehung -, mit der nicht das Ziel verfolgt oder das Risiko in Kauf genommen wird, den Ball aufzuhalten? Dann ist das Handspiel nicht strafbar. Dass sich diese Fragen nicht immer eindeutig und zweifelsfrei beantworten lassen und es dadurch nach wie vor einen Graubereich gibt, weiß auch das IFAB. Ganz bewusst lässt es den Schiedsrichtern aber wieder einen größeren Ermessensspielraum. Mit ihrer Fachkompetenz können sie die Intention eines Spielers am besten beurteilen.
Als Rafael Czichos zum Ball ging, war sein Vorhaben, den Ball mit dem Kopf zu erreichen, gut zu erkennen. Dass ihm das misslang und er die Kugel stattdessen mit dem Arm spielte, lag an seinem schlechten Timing. Die Frage war nun, ob die Armhaltung des Kölners als Folge einer normalen, fußballtypischen Sprungbewegung beim Kopfballversuch zu bewerten war oder als Vergrößerung der Abwehrfläche, durch die Czichos zumindest das Risiko einging, den Ball mit dem Arm zu treffen.
Hartmanns Entscheidungen waren im Sinne des Fußballs
Robert Hartmann entschied sich nach dem Betrachten der Bilder für Ersteres, mochte dem Abwehrspieler also keine Fahrlässigkeit unterstellen, obwohl es auch dafür Argumente gegeben hätte, zumal Czichos alleine für seine schlechte Koordination in dieser Situation verantwortlich war. Doch wenn schon die Intention maßgeblich für die Bewertung von Handspielen ist, dann ist es auch im Sinne des Fußballs, eine eher verunglückte, unbeabsichtigte Aktion wie die des Kölner Abwehrspielers nicht mit einem Elfmeter zu ahnden. Somit kann man Robert Hartmann in seinem Urteil folgen.
Das gilt auch für seine - vom VAR nicht monierte - Entscheidung, den Ausgleichstreffer für die Hausherren zum 1:1 durch Anthony Modeste wenige Minuten vor der Pause anzuerkennen. Nach einer Flanke von Jan Thielmann hatte der Kölner acht Meter vor dem Berliner Tor in zentraler Position ein wenig seine Arme gegen Marton Dardai eingesetzt und den Ball schließlich ins Gehäuse der Gäste geköpft. Die Herthaner reklamierten ein Stoßen von Modeste, doch der Referee, der insgesamt relativ viel laufen ließ, blieb bei seinem Urteil.
Zu Recht, denn als Modeste seine Hände auf den Oberkörper von Dardai legte, befand sich dieser schon in gebückter und vorgebeugter Haltung und der deutlich schlechteren Position. Der Impuls, der schließlich vom Kölner Angreifer ausging, war so gering, dass nicht ernsthaft von einem Vergehen die Rede sein konnte. Der Berliner hatte vielmehr zu geringen Widerstand im Zweikampf geleistet und war auch zu leicht zu Boden gegangen. Hier auf Foulspiel von Modeste zu erkennen, wäre unverhältnismäßig gewesen, nicht zuletzt gemessen an Robert Hartmanns genereller Linie bei der Zweikampfbewertung. Ein Eingriff des VAR war deshalb auch nicht erforderlich.
Gladbach hadert nur teilweise zu Recht mit dem VAR
Weniger glücklich war Borussia Mönchengladbach nach dem Spiel gegen den FC Bayern München (1:1) mit dem Video-Assistenten. Denn der hatte jeweils nicht eingegriffen, als Marcus Thuram in der Schlussphase in zwei Duellen mit dem Münchner Neuzugang Dayot Upamecano im Strafraum der Bayern zu Fall gekommen war und Schiedsrichter Marco Fritz nicht auf Elfmeter entschieden hatte. Dabei waren die beiden Fälle unterschiedlich gelagert.
In der 81. Minute kam Thuram zu Fall, weil Gegenspieler Upamecano bei einem Zweikampf abseits des Balles dessen Fuß getroffen und so dafür gesorgt hatte, dass der Gladbacher sich selbst ein Bein stellte. Dass er auch leicht am Arm gehalten wurde, dürfte keine Rolle gespielt haben. Thuram fiel damit als Zielspieler für die Hereingabe von Jonas Hofmann aus - als der Ball in die Mitte kam, lag der Franzose bereits auf dem Rasen. Da Fritz zum Ball schaute und sich der Zweikampf dadurch außerhalb seines Blickfeldes zutrug, wären eine Review-Empfehlung durch den VAR und in der Folge ein Strafstoß angemessen gewesen. Doch aus Köln kam kein entsprechender Rat.
Zwei Minuten später ging Thuram erneut zu Boden. Diesmal waren zwar mehrere kleine Berührungen durch Upamecano im Oberkörper- und im Beinbereich festzustellen, aber es gab keinen klaren strafbaren Kontakt, der einen Elfmeter unausweichlich werden ließ. Der Stürmer fiel hier vielmehr ohne rechte Not. Da Marco Fritz grundsätzlich recht großzügig pfiff, hätte eine Strafstoßentscheidung nicht recht zu seiner Linie gepasst, auch wenn sie nicht völlig abwegig gewesen wäre. Dass der VAR nicht intervenierte, war jedenfalls korrekt, denn ein klarer Fehler lag nicht vor. Alles in allem können sich die Münchner jedoch glücklich schätzen, beide Male unbehelligt geblieben zu sein.
Quelle: ntv.de