"Krimi voller Emotionen" Löw bastelt am neuen DFB-Mythos
24.06.2018, 09:31 Uhr
Lange Zeit sah es gegen Schweden nicht gut aus für die deutsche Mannschaft und Bundestrainer Joachim Löw.
(Foto: picture alliance/dpa)
Mit Leidenschaft, ordentlichem Spiel und Glück wendet die deutsche Fußball-Nationalmannschaft gegen Schweden das Aus bei der WM in Russland ab. Bundestrainer Joachim Löw ist erleichtert, nicht euphorisch. Eine Frage bleibt offen.
Der Bundestrainer hatte allen Grund, sich zu freuen. Das tat er auch. Ein wenig. Euphorisch war Joachim Löw nicht, er war erleichtert. Er sagte: "Es war auch ein Sieg der Moral, des Nicht-Nachlassens." In der Tat hatte die deutsche Fußball-Mannschaft an diesem Samstagabend vor 44.287 Zuschauern im Fisht-Stadion in Sotschi durchaus viel geleistet. Sie hatte in ihrem zweiten Spiel der Gruppe F bei der Weltmeisterschaft in Russland die Schweden in Unterzahl 2:1 (0:1) besiegt und nach den Schweizern als zweites Team bei diesem Turnier eine Partie noch umgebogen. Eine Niederlage hätte das Aus bedeutet, es wäre für den amtierender Weltmeister eine Blamage gewesen. Noch nie ist eine Auswahl des DFB schon in der WM-Vorrunde gescheitert.
So aber hat die DFB-Elf die Chance, am Mittwoch in Kasan gegen Südkorea (ab 16 Uhr im Liveticker bei n-tv.de) das Achtelfinale zu erreichen. Der Sieg gegen biedere Skandinavier war nach der Auftaktpleite gegen Mexiko bestenfalls ein Anfang. Wie ihr das gelungen ist, bietet der Mannschaft aber Anlass zur Hoffnung. Denn es gelang ihr mit viel Leidenschaft, großem Einsatz und mit dem Rücken zur Wand. In Unterzahl, weil Innenverteidiger Jérôme Boateng in der 82. Minute seine zweite Gelbe Karte kassiert hatte und vom Platz musste. Es gelang ihr, weil Marco Reus drei Minuten nach der Halbzeitpause per Knietor die Führung der Schweden durch Ola Toivonen (32.) ausglich. Vor allen Dingen aber gelang es ihr, weil Toni Kroos in der fünften Minute der Nachspielzeit einen genialen Moment hatte. Er zirkelte einen Freistoß von der linken Ecke des Strafraums ins Glück. Es war ein Traum von einem Traumtor.
Nicht nur der Bundestrainer hatte "einen Krimi voller Emotionen" gesehen, bei dem sich sein Team das Leben allerdings wieder selbst schwer gemacht hatte. Nach forschem Beginn war es ein Fehlpass von Kroos im Mittelfeld, der das 0:1 einleitete. Wieder ein Konter nach fatalem Ballverlust, wie gegen Mexiko. Danach wirkte die Mannschaft verunsichert. Timo Werner, der in der zweiten Halbzeit nach seinem Wechsel von der Angriffsmitte auf den linken Flügel aufgeblüht war und sich für weitere Einsätze auf dieser Position empfahl, räumte ein: "Nach dem 1:0 waren wir eigentlich ausgeschieden." Ein bitterer Moment sei das gewesen. "Die Köpfe sind nicht mehr arg weit höher gekommen als Kniehöhe." Nach dem guten Start in die zweite Halbzeit, dem Ausgleich und selbst nach der Roten Karte "haben wir weitergespielt und immer noch ein bisschen Hoffnung gehabt".
Initialzündung? "Hoffentlich"
Das passte dann schon besser zu dem, was der Bundestrainer sagte: "Wir haben immer geglaubt, dass wir dieses Spiel noch drehen können." Das zumindest könnte den Mythos eines Neubeginns begründen und trägt die Hoffnung in sich, dass die Nationalelf sich nun von Spiel zu Spiel steigert und doch noch lange in Russland mitmischt. Turniermannschaft hieß das früher. Innenverteidiger Mats Hummels, der gegen die Schweden fehlte, weil er sich den Halswirbel verrenkt hatte, wollte das zumindest nicht ausschließen. Ob dieser Sieg in letzter Minute eine Initialzündung sei, wurde er gefragt. "Hoffentlich" sagte er und zeigte eine Zurückhaltung, die der deutschen Mannschaft gut tut.
Und auch Löw war weit davon entfernt, zu triumphieren. Ein Lob hatte er aber schon parat: "Wir haben in den letzten zehn Minuten alles riskiert, mit allen Mitteln, die wir noch hatten." Der Lohn war erst eine gute Torchance von Werner (81.), dann eine sehr gute Kopfballchance des nach der Pause für Julian Draxler eingewechselten Angreifers Mario Gomez (88.), dann ein Pfostenschuss von Julian Brandt (90.+2), der fünf Minuten vorher für Linksverteidiger Jonas Hector gekommen war. Er habe, sagte der Bundestrainer, der Mannschaft in der Halbzeit gesagt, "dass sie auf jeden Fall ruhig bleiben soll. Dass wir 45 Minuten Zeit haben und nicht die Nerven verlieren dürfen. Dass wir weiter unser Passspiel aufziehen und die Schweden müde spielen müssen. Und dass wir weiter nach vorne spielen und noch mehr hinter die Abwehr kommen müssen." Kurzum: "Der Sieg kam glücklich in der Nachspielzeit und in Unterzahl zustande. Letztlich war er aber verdient."
Und wie geht's weiter? "Jetzt müssen wir uns erst einmal sammeln, dann erholen, müssen Südkorea schlagen und überzeugend auftreten." Schließlich gelte es, sich "definitiv für das Achtelfinale zu qualifizieren". An das, was danach kommen könnte, mochte Löw nicht denken. Also daran zum Beispiel, dass in der ersten K.-o.-Runde eventuell Brasilien auf ihn und sein Team zukommen könnte. Und wenn doch, dann war er so klug, nicht darüber zu sprechen.
Quelle: ntv.de