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Freude über Antipiraterie-Abkommen "Es geht wie immer ums liebe Geld"

Alvar Freude

Alvar Freude

(Foto: Privat)

Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit haben zahlreiche Staaten ein Abkommen ausgehandelt, das die Rechte von Urhebern stärken und der Piraterie im Internet einen Riegel vorschieben soll. Im Zusammenhang mit den Aufsehen erregenden Protesten gegen die US-Gesetzesvorhaben SOPA und PIPA, die ähnliche Ziele verfolgen, fiel nun wieder ein Schlaglicht auf das "Anti-Counterfeiting Trade Agreement" ACTA. n-tv.de sprach mit dem Programmierer, Kommunikationsdesigner und Netzaktivisten Alvar Freude.

n-tv.de: Warum findet das Abkommen in Deutschland so wenig Beachtung?

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(Foto: Maya Hitij/AP/dapd)

Alvar Freude: Es ist relativ komplex, stand lange im schwebenden Zustand von Geheimverhandlungen, und die Auswirkungen sind nicht so direkt plakativ wie beispielsweise beim Zugangserschwerungsgesetz, den von Ursula von der Leyen geforderten Internet-Sperren.

Warum nutzt die Piratenpartei die die "Steilvorlage" SOPA/PIPA-Aufregung nicht?

Tja, das ist eine gute Frage! Auch schon bei anderen Themen wie dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag und sogar beim Zugangserschwerungsgesetz sind sie relativ spät aufgesprungen. Aber SOPA, PIPA und ACTA betreffen mit der damit einhergehenden Diskussion ums Urheberrecht ja das Kernthema der Piraten, und sie wären gut beraten gewesen, dies rechtzeitig ausführlich zu thematisieren.

Was sind die größten Gefahren, die von ACTA ausgehen?

ACTA sieht eine Stärkung der Rechte insbesondere von großen Medienkonzernen zu Lasten von Grundrechten wie der Meinungs- und Rezipientenfreiheit vor. So sollen beispielsweise die Internet-Zugangs-Anbieter stärker für die Inhalte zur Verantwortung gezogen werden, die über ihre Leitungen übertragen werden. Man muss sich das so vorstellen, als ob die Bahn dafür verantwortlich wäre, was die Reisenden im Koffer transportieren.

Alvar Freude

Was missfällt ihnen an dem Abkommen am meisten?

Vor allem die langen Geheimverhandlungen zwischen der Regierung der USA zusammen mit den Vertretern der Urheberrechtsindustrie auf der einen, und den anderen Regierungen auf der anderen Seite. Weder die Öffentlichkeit noch die Parlamente waren einbezogen oder auch nur informiert! Zum anderen sehe ich es als sehr gefährlich an, wenn Grundrechte wie die Meinungs- und Rezipientenfreiheit – also das Recht, sich aus allen öffentlichen Quellen ungehindert zu unterrichten – für die finanziellen Interessen einer Industrie eingeschränkt werden.

Worin unterscheidet sich ACTA von SOPA und PIPA?

ACTA ist ein internationales Abkommen der Regierungen untereinander. SOPA und PIPA sind Gesetzentwürfe des US-Repräsentatenhauses bzw. des Senats – die letztendlich auch das in verschärfter Form umsetzen, was in ACTA steht.

Die Netzgemeinde agitiert, aber die breite Öffentlichkeit schweigt.

Die Netzgemeinde agitiert, aber die breite Öffentlichkeit schweigt.

Werden die Interessen von Nutzern und Dienstleistern - wie in der Präambel gefordert - ausreichend berücksichtigt?

Kurz gesagt: Nein.

Kann ACTA noch gestoppt werden?

Natürlich, die Diskussion um das Zugangserschwerungsgesetz, den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag oder die EU-Internet-Sperr-Richtlinie haben gezeigt, dass wir Internet-Nutzer durchaus die Möglichkeit haben, schädliche Gesetze zu stoppen. Selbst wenn es schon zu spät war. Aber gerade bei den Kinderpornografie-Sperren hatten wir es in der Hinsicht leichter, da wir nachweisen konnten, dass die geplanten Maßnahmen zum Kinderschutz vollkommen kontraproduktiv sind und es bessere Methoden gibt. Bei ACTA und auch SOPA/PIPA geht es um die Frage von Grundrechten und wie viele man davon bereit ist, für die Interessen einer starken Lobby zu opfern. Es geht wie immer ums liebe Geld – und da ist leider die Diskussion deutlich schwerer.

Wie steht das EU-Parlament zu dem Abkommen und der Art und Weise, wie es verhandelt und verabschiedet wird?

Das EU-Parlament war in den Verhandlungsprozess nicht eingebunden und hat auch nicht über ACTA abgestimmt. Die Abgeordneten sind daher zu Recht sauer und deshalb haben sich auch mehrere Abgeordnete dafür ausgesprochen, das Abkommen vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) überprüfen zu lassen.

Kann ACTA Raubkopien verhindern?

Die Rechteinhaber hoffen, dass mit steigendem Druck Urheberrechtsverletzungen zurückgehen. Ich glaube eher, dass nur eine Verdrängung hin zu anderen Plattformen stattfinden wird. So war es in der Vergangenheit seit Napster immer. Die Rechteinhaber haben es seit 15 Jahren versäumt, neue angepasste Geschäftsmodelle zu entwickeln und versuchen es hauptsächlich über gesetzliche Regelungen. Ich denke nicht, dass dies auf Dauer erfolgreich sein wird.

Die Fragen stellte Klaus Wedekind

Quelle: ntv.de

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