Peking ist zu weit gegangen Google beendet Zensur
13.01.2010, 10:43 Uhr
Google will der Regierung in Peking die Stirn bieten.
(Foto: REUTERS)
Nach massiven Hacker-Angriffen auf Gmail-Konten von Menschenrechtlern, beendet Google die freiwillige Zensur in China. Sollte Peking dies nicht akzeptieren, werde man Google.cn notfalls beenden und sich aus China zurückziehen, droht Google-Justitiar David Drummond.
Drummond schreibt auf dem offiziellen Google-Blog, dass sein Unternehmen Mitte Dezember einen ausgeklügelten und gezielten Hacker-Angriff aus China festgestellt habe. Laut Wall Street Journal versuchten die Angreifer Quellcode zu stehlen, um später damit Daten abschöpfen zu können. Drummond schreibt lediglich von einem "Diebstahl geistigen Eigentums".
Laut Drummond wurden neben Google gleichzeitig mindestens 20 weitere Unternehmen aus allen Bereichen der Wirtschaft angegriffen. Das primäre Ziel der Hacker seien aber Gmail-Konten von chinesischen Menschenrechtlern und deren Unterstützern in China, den USA und Europa gewesen. Der Google-Justitiar betont, dass die Angreifer ihr Ziel nicht erreicht hätten. Offenbar seien nur von zwei Konten einige unwichtige Daten gestohlen worden.
Grundsätzliche Diskussion über Redefreiheit
Google hat jetzt offensichtlich von der Duckmäuserei vor Peking die Nase voll. Normalerweise würde sein Unternehmen Hacker-Attacken geheimhalten, schreibt Drummond. Jetzt wolle man aber eine grundsätzliche Diskussion über die Redefreiheit anschieben. Die freiwillige Zensur, die Google 2006 mit Bauchschmerzen akzeptiert habe, um Chinesen den Zugriff auf Informationen aus dem Internet zu ermöglichen, werde beendet.
Google will in den kommenden Wochen mit der chinesischen Regierung Gespräche führen und versuchen, sie dazu zu bewegen, eine unzensierte Suchmaschine zu akzeptieren. Drummond: "Wir sind uns bewusst, dass dies bedeuten kann, dass wir möglicherweise Google.cn beenden und unsere Büros in China schließen müssen."
Google.cn war im Januar 2006 gestartet worden. Der Suchmaschinenkonzern hatte sich damals wie andere westliche Internetunternehmen auch verpflichtet, die Gesetze in der Volksrepublik China einzuhalten und auf der chinesischen Google-Seite gefilterte Suchergebnisse angeboten. Diese Geschäftspolitik war von Google-Kritiker als ein Einknicken vor der staatlichen Zensur angeprangert worden.
Clinton schaltet sich ein
Die USA erwarten Aufklärung über die Hacker-Angriffe aus China auf den Internet-Konzerns Google. Die Vorwürfe des Unternehmens "wecken sehr ernste Sorgen und Fragen", sagte Außenministerin Hillary Clinton. Google habe die amerikanische Regierung über die Vorgänge unterrichtet. "Wir erwarten eine Erklärung der chinesischen Regierung", sagte Clinton. Die Außenministerin hob die Bedeutung der Zuverlässigkeit und Freiheit des Internets für eine moderne Gesellschaft und Wirtschaft hervor.
Zustimmung von Menschenrechtlern
Die Menschenrechtsgruppe Human Rights Watch begrüßte Goggles Vorgehen gegen die Zensur in China als "großen Schritt zum Schutz der Menschenrechte online". Chinas Regierung setze "massive finanzielle und personelle Ressourcen ein, um das Internet zu zensieren und Internetnutzer zu jagen und zu bestrafen, die Ansichten vertreten, mit denen die chinesische Kommunistische Partei nicht einverstanden ist". Das amerikanische Center für Democracy and Technology (CDT), das sich für Bürgerrechte einsetzt, meinte: "Google hat einen mutigen und schwierigen Schritt für die Internetfreiheit zur Unterstützung fundamentaler Menschenrechte getan."
Kritik von chinesischen Experten
Chinesische Internetexperten haben die Rückzugsdrohung von Google aus China als nachteilig für den Internetkonzern bewertet. "Sich aus China zu verabschieden, wäre die dümmste Entscheidung von Google", sagte der frühere Chef von Microsoft China, Tang Jun, nach Angaben chinesischer Medien. "China aufzugeben, bedeutet, die halbe Welt aufzugeben." Google werde die Ankündigung noch bedauern, fürchtet der ehemalige Microsoft-Chef.
Der Kommunikationsprofessor Guo Ke von der Shanghaier Universität für Internationale Studien sagte der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua, die chinesische Regierung werde ihre Zensur nicht einstellen. Er warf Google vor, ein "Katz-und-Maus-Spiel" zu verfolgen. Das Unternehmen versuche, "die Verärgerung oder Enttäuschung der Internetnutzer als Hebelwerkzeug zu benutzen". Die Nutzer seien die "wirklichen Opfer".
Während amtliche Stellen auch auf wiederholte Anfragen zunächst nicht reagierten, zitierte die Staatsagentur einen "ranghohen Offiziellen" mit den Worten: "Es ist noch schwer zu sagen, ob Google sich aus China verabschiedet. Niemand weiß es." Xinhua hob allerdings ausführlich darauf ab, dass 700 Angestellte von Google in China jetzt um ihre Arbeit bangten.
Quelle: ntv.de, kwe,dpa,rts