Schnell geschaltet, aber zu spät? Google vor China-Aus
30.06.2010, 16:14 UhrBinnen 48 Stunden will Google in China die automatische Weiterleitung von Suchanfragen nach Hongkong abschalten. Weil Google den Chinesen aber noch einen Knopf in die unzensierte Freiheit lässt, fürchten Analysten, dass das Unternehmen in China seine Lizenz zum Suchen verliert.
Google versucht, in letzter Sekunde sein Geschäft in China zu retten. Im Streit um die Zensur von Suchergebnissen kommt der Internetkonzern der Regierung in Peking entgegen. Binnen 48 Stunden werde die automatische Weiterleitung von der chinesischen Suchseite google.cn auf die unzensierte Hongkonger Adresse google.com.hk komplett abgeschaltet, ließ Google wissen.
Dass Google diesen Schritt machen würde, hatte Chefjustiziar David Drummond bereits angekündigt. Er hatte aber kein Zeitfenster genannt. "Wir wissen aus Gesprächen mit chinesischen Offiziellen, dass sie die Weiterleitung inakzeptabel finden", hatte Drummond erklärt. Für Google steht die Betreiberlizenz und damit das gesamte Geschäft in dem Riesenreich auf dem Spiel. Die Genehmigung muss jährlich bis spätestens zum 1. Juli erneuert werden. Bleibt sie aus, "gehen für Google in China die Lichter aus", schreibt Drummond im offiziellen Google-Blog.
Peking: Schau mer mal
Die Regierung hat sich noch nicht zu Googles Entgegenkommen geäußert. Ein Sprecher des Außenministeriums sagte lediglich, man schaue sich den Fall an. Chinesische Google-Nutzer müssen künftig auf einen Link klicken, um zur Suchmaschine in Hongkong zu gelangen. Die ehemals zensierte chinesische Websuche selbst bleibt vorerst abgeschaltet.
Mit diesem Trick will Google seinem Grundsatz treubleiben, keine Selbstzensur zu üben, und trotzdem die Regierung besänftigen. Analysten zweifeln daran, dass Peking sich darauf einlässt.
Baidu wartet schon
Der chinesische Konkurrent und Marktführer Baidu steht schon bereit, um Googles Marktanteile abzuschöpfen. Das staatstragende Unternehmen will sogar erstmals Software-Experten direkt in den USA anheuern. Bei einer Job-Messe am 10. Juli wolle Baidu rund 30 Software-Ingenieure aus dem kalifornischen Silicon Valley unter Vertrag nehmen, sagte ein Sprecher des Konzerns. Talent sei der Schlüssel zum Erfolg der Firma und man gehe dahin, wo es die besten Talente gebe, ob in China oder im Silicon Valley, hieß es in einer Unternehmensmitteilung.
Baidu dominiert den weltgrößten Internetmarkt China, ist im Ausland aber wenig bekannt. Am Umsatz gemessen kommen die Chinesen auf einen Marktanteil von mehr als 60 Prozent. Seit Jahresbeginn haben Baidu-Aktien an der US-Technologiebörse Nasdaq 80 Prozent zugelegt, während der Gesamtmarkt um zwei Prozent verlor. Baidu gilt als der größte Profiteur von Googles Rückzug in die Sonderverwaltungszone Hongkong nach einem Streit zwischen dem US-Konzern und der Regierung in Peking über einen Hacker-Angriff auf Google sowie die chinesische Zensur im Internet.
Quelle: ntv.de, kwe/dpa/rts