Fünf Jahre Hintergrundrauschen Im Garten der Zwitscherkinder
18.03.2011, 10:48 Uhr
Über einen Tweet gestolpert: Über Twitter verbreiten sich Nachrichten rasant schnell.
200 Millionen Menschen nutzen die Kommunikationsplattform Twitter (zu deutsch: „Gezwitscher“). Sie geben Kneipentipps, prangern Menschenrechtsverletzungen an, reden übers Wetter, organisieren Revolutionen. Vor fünf Jahren schickte Jack Dorsey die erste Mitteilung los.
Was damals mit einem leisen Pieps anfing, ist inzwischen zum konstanten Hintergrundrauschen des modernen Lebens angeschwollen. Auch n-tv zwitschert fleißig mit, weit über 40.000 Leute folgen alleine dem Hauptaccount @ntvde.
Dorsey entwickelte die Idee mit seinen Kollegen Biz Stone und Evan Williams weiter. Grenzenlose Vernetzung, direkte Kommunikation, Meinungsaustausch ohne Hürden - ermöglicht übers Internet, abrufbar am Computer oder am Mobiltelefon: Die drei Tüftler hatten früh das Gefühl, mit Twitter den Nerv der Zeit zu treffen. "Bei all dem Spaß, den wir hatten, war im Hinterkopf doch immer die Vorstellung, dass sich daraus etwas Wichtiges entwickeln könnte", sagt Twitter-Mitbegründer Stone. "Das haben wir damals allerdings nicht laut gesagt."
Die gegenwärtige Entwicklung bestätigt den anfänglichen Optimismus. Im vergangenen Jahr schickten Twitter-Nutzer 25 Milliarden Kurzbotschaften, sogenannte "Tweets", hinaus in die Welt. In diesem Jahr werden es viel mehr sein. Derzeit melden sich täglich 460.000 neue Nutzer an. Twitter beschäftigt inzwischen 400 Menschen, fast jede Woche kommen neue Mitarbeiter hinzu.
Die Plattform hat an politischer und gesellschaftlicher Relevanz gewonnen. Was anfangs als Netzwerk zum Austausch von Belanglosigkeiten belächelt wurde, ist zum machtvollen Instrument sozialen Wandels geworden. Die Demonstranten in der arabischen Welt etwa umgehen mit Twitter die staatliche Repression.
"Triumph der Menschlichkeit"
"Es ist nicht unbedingt ein Triumph der Technologie, sondern ein Triumph der Menschlichkeit", erklärt sich Stone den Erfolg. "Wir sind nicht erfolgreich wegen unserer Algorithmen und Geräte, sondern durch das, was die Menschen damit machen." Und die Menschen machen viel damit, die Nutzerzahlen belegen es. "Es geht darum, den Interessen zu folgen, den Dingen, die einen faszinieren", sagt Stone. "Es geht um Nachrichten und Informationen, die man sonst nicht bekommen würde."
Twitter verschafft den Nutzern Zugang zu Menschen, an die sie sonst nicht herankommen würden. Nutzer können zum Beispiel die Tweets ihrer Idole abonnieren und in Echtzeit verfolgen. Die meisten registrierten Abonnenten ("Follower") hat derzeit Popstar Lady Gaga- es sind fast neun Millionen. Teenie-Idol Justin Bieber kommt auf 8,1 Millionen Follower, US-Präsident Barack Obama liegt mit knapp sieben Millionen auf Platz vier.
Offene Architektur als Erfolgsrezept
Twitter ist erfolgreich, und das liegt unter anderem auch daran, dass die Plattform von Anfang an auf eine offene Architektur gesetzt hat. Über Programmierschnittstellen ("APIs") können Entwickler auf die öffentlichen Daten zugreifen und damit ganz neue Dinge kreieren. So entstand etwa die erste Möglichkeit, Tweets zu durchsuchen, als eigenständiges Projekt. Inzwischen hat Twitter den Dienst allerdings aufgekauft und in die eigene Plattform integriert.
Auch Online-Karten, die anzeigten wo gerade was gezwitschert wurde, entstanden so, Webseiten, die die Gemütslage der Menschheit anhand von Tweets ablesen wollten und Millionen weiterer teils nützlicher, teils völlig unsinniger Anwendungen.
Was zur Popularität entscheidend beitrug, ist den Machern heute allerdings ein Dorn im Auge – zumindest teilweise. Verständlich, generiert sich doch viel von dem Traffic, den Twitter so erzeugt, zwar aus den Datenbanken des Unternehmens, läuft aber nicht über seine Webserver, sondern wird eben von findigen Drittanbietern unters Volk gebracht - und vermarktet. Erst unlängst gab die Twitter-Führung bekannt, dass sie Applikationen, mit denen man Twitter benutzen kann, nicht mehr wie bisher unterstützen will.
"Anfang eines Lebens voller Potenzial und Abenteuer"
Das hat sicher auch damit zu tun, dass die Vermarktung der Beliebtheit deutlich hinterherhinkt. Twitter CEO- Dick Costolo sagte zwar kürzlich in Barcelona, man verdiene durchaus Geld. Stone relativierte allerdings: "Wir sind erst in der Anfangsphase der Einnahmesteigerung. Wir probieren aus, was funktioniert und was nicht", sagt Stone. Ein Börsengang sei nicht geplant.
Mitbegründer Stone vergleicht den Entwicklungsstand von Twitter mit dem eines Kindes, das gerade erst in den Kindergarten kommt. "Wir stehen hier gerade erst am Anfang eines Lebens voller Potenzial und Abenteuer", sagt Stone. "In den vergangenen Jahren haben wir eigentlich erst Laufen gelernt."
Quelle: ntv.de, tle/AFP