Was kann Windows Phone 7? Das HTC 7 Mozart im Test
21.10.2010, 16:57 UhrWindows Phone 7 ist auf dem Markt. In Kürze erscheint bei der Deutschen Telekom das HTC-Flaggschiff "Mozart". Das Telefon zeigt alle Stärken von Microsofts neuem mobilen Betriebssystem, aber auch ein paar Schwächen.
Offiziell ist Microsofts neues mobiles Betriebssystem Windows Phone 7 (WP7) bereits auf dem Markt, doch weil die Einführung neuer Tarife abgewartet wird, gibt es das HTC 7 Mozart erst ab 3. November bei der Deutschen Telekom.
Das Mozart erinnert sehr stark an das HTC Desire. Wie das Android-Telefon ist auch das WP7-Handy in ein robustes Alu-Kleid mit Gummi-Applikationen gehüllt und fühlt sich überaus solide an. Der helle TFT-Bildschirm misst ebenfalls 3,7 Zoll und löst mit 480 x 800 Bildpunkten auf. Auch bei der Prozessorleistung und dem internen Speicher liegen die Geräte mit einem Gigahertz Taktung, 576 Megabyte RAM und 512 Megabyte ROM gleichauf.
Starke Hardware
Dass zur Grundausstattung WLAN, Bluetooth und GPS gehören, ist bei Smartphones dieser Geräteklasse selbstverständlich. Vor allem wenn man ein WP7-Telefon ist. Denn Microsoft macht strenge Vorgaben: wenigstens einen 1-Gigahertz-Prozessor, 256 Megabyte Arbeitsspeicher, Grafikbeschleunigung, ein multitouch-fähiges Display mit 800 x 480 Pixeln, eine Kamera mit fünf Megapixeln, GPS und einen Beschleunigungssensor. Der interne Speicher der Geräte muss mindestens acht Gigabyte Speicher bieten.
Hier verdoppelt das Mozart Microsofts Vorgaben auf 16 Gigabyte, wovon rund 14 Gigabyte zur Verfügung stehen. Allerdings verbietet Microsoft einen SD-Karten-Einschub und so können Nutzer den Speicher weder erweitern, noch Daten nach Belieben verschieben.
Da wackelt nichts
Die Kamera des Mozart bietet acht Megapixel, doch die Qualität der Bilder ist außergewöhnlich gut - auch wenn sie in Verbindung mit dem lichtstarken Xenon-Blitz geschossen wurden. Hier kommt den Nutzern auch ein weiteres Muss von Microsoft zugute. Denn WP7-Telefone müssen eine extra Auslösetaste haben. So lässt sich das Mozart wie eine normale Digitalkamera bedienen: Auslöser leicht drücken, fokussieren, auslösen. Verwackler wie bei einer reinen Touch-Bedienung (z.B. Samsung Galaxy S) gibt es so fast nie. Eine Frontkamera für Videotelefonie hat das Telefon nicht.
Damit ist über das HTC Mozart eigentlich alles geschrieben. Denn beim Betriebssystem lässt sich Microsoft nicht hineinpfuschen. Hersteller-Oberflächen gibt's nicht - auch HTC muss auf Sense verzichten.
Windows Phone 7 sieht auf allen Smartphones grundsätzlich gleich aus. Mit den umständlichen Vorgängern hat das Betriebssystem nichts, aber auch wirklich nichts gemeinsam.
Alles unter einem Hub
Es gibt einen Startbildschirm, auf dem sich rechteckige Felder befinden: die sogenannten Live Tiles. Über diese "Kacheln" gelangen Nutzer zu den wichtigsten Funktionen des Telefons: den "Hubs" für Kontakte, SMS, Browser (Internet Explorer), Bilder oder Musik und Videos. Nutzer können Hubs frei gruppieren, hinzufügen oder entfernen. Ebenso können die Live Tiles einzelner Programme auf dem Startbildschirm abgelegt werden. Es gibt nur einen Startbildschirm, auf dem der Nutzer von oben nach unten scrollt. Einen Fingerwisch nach rechts findet man alle installierten Anwendungen und die System-Einstellungen in kleinen Icons ebenfalls untereinander gruppiert.
Die Hubs sind aber keine statischen Felder oder lediglich Verknüpfungen zu Programmen. Unter ihnen vereint Microsoft verschiedene Apps, die zu einem Themenbereich gehören. So findet der Nutzer unter "Kontakte" beispielsweise auch seine Facebook-Freunde und -Neuigkeiten oder Windows-Live-Infos. Um zu den Facebook-Posts oder zuletzt verwendeten Kontakten zu kommen, wischt man mit dem Finger seitwärts. Andere Netzwerke unterstützt der Kontakte-Hub bisher nicht. Für Twitter soll es demnächst eine eigene Anwendung geben.
Zu viele E-Mail-Kacheln
An "Kontakte" sieht man auch sehr schön eine weitere Eigenschaft der Live Tiles und Hubs: Aktualisierungen werden direkt angezeigt, animierte Bilder bringen Bewegung ins Spiel.

Das mobile Outlook ist eigentlich schön gelungen. Schade nur, dass es keinen universellen Posteingang gibt.
(Foto: Microsoft)
"Kontakte" zeigt aber auch eine der großen Schwächen, die Windows Phone 7 noch hat: Das Konzept der Hubs wird nicht konsequent umgesetzt. So kann der Nutzer zwar aus den Kontakten heraus E-Mails von jedem seiner Konten abschicken, ein universeller Posteingang fehlt allerdings. WP7 legt für jedes Outlook-Konto ein eigenes Live Tile an. Ebenso ist es unverständlich, warum SMS und MMS-Nachrichten nicht auch im Kontakte-Hub einlaufen. Schön ist dagegen, dass Aktualisierungen durch einen langen Fingertipper gestartet werden können.
Die Mail-App an sich ist sehr angenehm und übersichtlich zu bedienen. Über drei Symbole können Nutzer eine neue Mail erstellen, mehrere Nachrichten auswählen, zu den Ordnern wechseln oder synchronisieren. Untermenüs werden in WP7 über drei Punkte rechts unten aufgerufen. Im Mail-Programm kann man so auf die Einstellungen zugreifen oder ein neues Konto anlegen.
Windows Live ID öffnet Türen
Der Bilder-Hub ist sehr schön umgesetzt: Hier finden sich alle Fotos, die gespeichert, geschossen oder zu Facebook hochgeladen wurden. Der Nutzer kann sie sich nach Datum anzeigen lassen oder Favoriten definieren. Bilder können direkt per Mail verschickt, zu Facebook oder Medienspeicher der Provider (Telekom: Mediencenter) hochgeladen werden.
Wer eine Windows Live ID (gratis) hat, wird über sein Handy automatisch mit Hotmail, dem Messenger oder Skydrive vernetzt. SkyDrive ist eine Online-Festplatte, die Nutzern 25 Gigabyte Gratis-Speicher bietet. Von dort können Fotos beispielsweise auf den heimischen PC gezogen werden. Videos lassen sich aus dem Hub heraus leider weder verschicken noch irgendwohin hochladen. Startet man das Objekt-Menü durch einen langen Tipper, sieht man nur die Option "Löschen".
Daran wird sich vermutlich auch nichts ändern. Denn wie Apple mit iTunes hat Microsoft einen "Diktator" für Musik und Videos installiert: Zune. Ohne das Programm kommen außer mit dem Telefon aufgenommene Dateien kein Video oder Song aufs Handy. Immerhin: Zune arbeitet vorzüglich als Player, hat ein Radio integriert, kann Podcasts verwalten und bietet im Marketplace ein reichhaltiges und gut sortiertes Musik-Sortiment. Videos werden (noch) nicht angeboten.
Grenzenloses Spielvergnügen
Der Spiele-Hub könnte einer der Höhepunkte von WP7 werden. Denn neben den üblichen Apps finden sich hier auch Xbox-Live-Spiele. Sie können auf dem Smartphone, online oder auf Microsofts Konsole Xbox gespielt werden. Insgesamt stehen im Marketplace verglichen mit der Android- und Apple-Konkurrenz noch sehr wenige Spiele zur Verfügung.
Der Marketplace allgemein ist noch die größte Baustelle von Windows Phone 7. Bisher ist das Angebot sehr unbefriedigend. Gratis-Apps finden sich so gut wie keine, Nutzer haben lediglich die Möglichkeit, Bezahl-Apps kostenlos zu testen. Xbox-Live-Games wie "The Harvest" kosten stolze 6,49 Euro. Immerhin hat Ebay schon den Gratis-Weg in den WP7-Marketplace gefunden. Auch eine kostenlose App für die deutsche Facebook-Alternative TickWell bereichert das Angebot.
Ein großes Plus von WP7 ist das Office-Paket, das im Gegensatz zu allen Konkurrenten nicht nur Lese-Funktionen, sondern auch Bearbeitungswerkzeuge bietet. Trotz Multitouch-Zoom hält sich das Arbeitsvergnügen wegen des kleinen Bildschirms trotzdem in Grenzen. Über SharePoint können WP7-Nutzer aber Office-Dokumente herunterladen, bearbeiten und speichern. So wird das Handy zum "kleinen Büro für Zwischendurch".
"Copy & Paste" funktioniert derzeit weder in Office noch einer anderen Applikation. Microsoft will es aber in Kürze nachreichen.
"Karten" (Bing Maps) kann durchaus mit Google Maps mithalten, bietet allerdings keine integrierte Turn-by-Turn- oder Sprach-Navigation. Auf dem HTC 7 Mozart ist wie auf anderen Telekom-Windows-Phones Navigon Select vorinstalliert. Allerdings ist nur die einfache Navigation gratis. Extras wie Sprachführungen sind kostenpflichtig.
Kalte Browser-Dusche
Der Internet Explorer ist kein Rennpferd, lädt Seiten aber in vertretbarer Geschwindigkeit. Seiten können über das Untermenü als Schnellzugriff auf der Startseite abgelegt werden. Schlecht ist, dass Microsoft offenbar auch beim Browser Apple nacheifert: Flash wird nicht unterstützt. Das ließe sich zwar durch HTML5 in absehbarer Zeit ausgleichen. Bisher unterstützt der mobile IE diesen Standard aber noch nicht.
Als Zugeständnis an die Hersteller gewährt ihnen Microsoft einen eigenen Hub, wo sie sich austoben können. HTC hat dies nicht nur genutzt, um eine seiner berühmt schönen Wetter-Apps zu installieren. Unter anderem gibt's dort auch einen animierten Notizblock mit Pinnwand und eine Fotoverbesserung.
Da fehlt noch was
Noch ist Windows Phone 7 nicht ganz auf dem Stand von iPhone OS und Android. Das liegt vor allem am schlecht gefüllten Marketplace. Doch Microsoft steckt viel Energie und Geld in den Ausbau. Außerdem sollen Anwendungen für WP7 leicht zu entwickeln sein. So ist es durchaus möglich, dass der Marketplace recht schnell gefüllt wird.
Kleinere Macken wie das fehlende Copy & Paste will Microsoft noch ausbessern. Für einen universellen Posteingang gibt es zur Zeit laut Pressestelle aber keine Pläne. Der Internet Explorer ohne Flash- und HTML-Unterstützung wird sicher auch einige Käufer abschrecken. Microsoft will den IE aber modernisieren. Ob und wann es so weit ist, ist aber noch offen. Ebenso ist nicht sicher, dass ein zukünftiger Microsoft-Browser auch Flash unterstützen wird. Dass WP7-Telefone ihre UMTS-Verbindung nicht via Tethering an andere Geräte weitergeben können, stört da vermutlich nur wenige.
Gerne thematisiert, aber im Alltag kaum zu spüren: Wie früher iPhones beherrschen WP7-Handys kein echtes Multitasking. Nur WP7-eigene Anwendungen laufen gleichzeitig. Applikationen von Drittanbietern werden beim Start einer zweiten App "eingefroren". Das heißt, dass man beim Neustart dort weitermachen kann, wo man aufgehört hat.
Große Chancen, großes Risiko
Trotzdem ist Microsoft mit WP7 ein richtig gutes Betriebssystem gelungen. Zusammen mit der vorgeschrieben guten Hardware flutscht das System so geschmeidig, wie es sonst nur iPhone-Nutzer kennen. Bis auf kleinere Ungereimtheiten wie die vielen E-Mail-Kacheln ist WP7 sehr logisch aufgebaut und auch ohne Anleitung sofort bedienbar. Außerdem dürfen Nutzer davon ausgehen, dass sie nicht wie bei Android schon nach einem Jahr bereits bangen müssen, ob ihr Telefon das nächste Update noch bekommt. Interessant sind auch die Möglichkeiten, die Xbox Live Spielern bietet. Und das mobile Office-Paket wird Microsoft sicher gratis für keine andere Plattform schnüren.
Vieles hängt jetzt davon ab, wie sich die nächsten Monate entwickeln. Verkauft Microsoft im ersten halben Jahr genügend Geräte, wird sich WP7 voraussichtlich ein hübsches Stück vom Smartphone-Kuchen abschneiden können. Läuft das WP7-Geschäft dagegen schleppend an, droht Windows Phone 7 das gleiche Schicksal wie dem kurzen Handy-Abenteuer Microsoft Kin.
Quelle: ntv.de