Apples Retina-Tablet unter der Lupe Muss man das iPad 3 haben?
23.03.2012, 17:27 Uhr
Das neue iPad glänzt vor allem durch sein wunderschönes Retina-Display.
(Foto: Apple)
Das neue iPad hat ein fantastisches Display und ordentlich Power unter der Haube. Andererseits sind die Unterschiede zum Vorgängermodell gar nicht so groß. Noch nicht. Apples drittes Tablet kann vermulich erst richtig zeigen, was es kann, wenn es genügend Apps gibt, die es richtig heiß machen. Lohnt sich der Kauf trotzdem? Hier eine kleine Entscheidungshilfe.
Apple hat mit dem neuen iPad kein revolutionär neues Tablet präsentiert. Rein äußerlich ist es kaum von seinem Vorgänger zu unterscheiden und neue Funktionen sind rar. Dass das Gerät 50 bis 60 Gramm schwerer und 0,6 Millimeter dicker ist, spürt und sieht man nicht wirklich.
Doch drei Dinge machen das iPad der dritten Generation auch für Besitzer eines iPad 2 interessant: Es hat das beste Tablet-Display, das es zur Zeit gibt, ein verdoppelter Arbeitsspeicher (1 Gigabyte) und ein Grafik-Prozessor mit vier Kernen treiben das iPad zu neuen Höchstleistungen und die Kamera macht jetzt richtig gute Bilder. Wer noch keinen Tablet-Rechner besitzt, sieht mit dem neuen iPad sicher das beste iPad, das es bisher gibt - und vermutlich auch das beste Tablet auf dem Markt. Perfekt ist Apples Bestseller aber nicht.
Noch ist das iPad unterfordert
Der unverändert 9,7 Zoll große Retina-Bildschirm ist in der Tat eine Augenweide. Die Punktdichte ist mit 266 ppi so hoch, dass man einzelne Pixel buchstäblich mit der Lupe suchen muss. Auch Farben, Kontrast und Leuchtkraft sind fantastisch. Seine ganze Pracht kann das Display aber nur entfalten, wenn es mit entsprechenden hochauflösenden Apps gefüttert wird. Bei Standard-Programmen sieht man nur im direkten Vergleich einen kleinen Vorteil gegenüber dem iPad 2. Bisher ist die Retina-Fraktion im App Store noch sehr schwach vertreten. Doch die Zahl der Retina-Apps steigt täglich und in absehbarer Zeit wird es ein großes Angebot für das neue iPad geben. Auch n-tv arbeitet an einem Update seiner App.
Andere Programme werden mit mehr oder weniger schönem Resultat automatisch skaliert. Wer ein iPhone 4S hat, wird sich freuen, dass das neue iPad auch Apps, die für dessen Retina-Display optimiert wurden, besser darstellt. Das erhöht die Zahl der mit Vergnügen nutzbaren Programme für das neue iPad doch erheblich.
Spiele, die das iPad wirklich ausreiten wollen, müssen auch die sehr leistungsfähige Grafikeinheit des neuen A5X-Chips herausfordern können. Derzeit gilt als Benchmark-Programm "Infinity Blade II". Schwingt man in dem Spiel für längere Zeit das Schwert, zeigt sich auch eine kleine Schwäche des hochgerüsteten neuen iPad: Es wird warm. Allerdings sind Berichte, wonach die Rückseite richtig heiß werden soll, offenbar übertrieben. Stiftung Warentest hat in der Spitze 40 Grad Celsius gemessen, 35 Grad dürften die normale Betriebstemperatur sein. Auch n-tv.de hat eine spürbare Erwärmung festgestellt, die etwa in diesem Bereich liegt.
Display mit Farbstich?
In der n-tv.de-Redaktion ist auch ein anderes Phänomen aufgefallen: Beim Vergleich des Testgeräts mit einem von einem Kollegen gekauften iPad fiel überdeutlich auf, dass ein Display einen kalten, bläulichen Farbton, das andere einen warmen gelblichen hat. Liegt es an unterschiedlichen Herstellern (Samsung, LG, Sharp)? Handelt es sich nicht um (absichtliche) Farbtemperaturen, sondern um einen Farbstich? Schwer zu sagen.
Temperatur hin oder her: Die Fotosammlung könnte nirgends besser als auf dem neuen iPad aufgehoben sein. Vor allem Bilder, die von einer Spiegelreflexkamera oder dem iPhone 4S geschossen wurden, sehen auf dem Retina-Display fantastisch aus. Für Bilder, die mit der 5-Megapixel-Kamera des iPad gemacht wurden, gilt dies nicht unbedingt. Zwar besitzt Apples neues Tablet mit der Fotoeinheit des iPhone 4 jetzt eine wirklich mehr als akzeptable Kamera. Aber es ist eben unglaublich wackelig, mit einem 9,7-Zoll-Tablet zu fotografieren. Ein Bildstabilisator sorgt aber dafür, dass das iPad 3 sehr anspruchsvolle Videos in 1080p aufnimmt. Die Kamera auf der Vorderseite für Videotelefonate via Facetime oder Skype ist unverändert geblieben.
HD-Filme aus iTunes sind ebenfalls eine wahre Pracht auf dem Retina-Bildschirm. Umso mehr stört, dass Apple auch der dritten Tablet-Generation keine Stereo-Lautsprecher gegönnt hat. Wie schon beim iPad 2 ist der Sound mit angeschlossenen Kopfhörern aber eine Wucht. Überträgt man Videos vom iPad via Airplay plus Apple TV oder per HDMI-Kabel auf einen Fernseher, werden sie dort in Full HD (1080) angezeigt. Auch die Audio-Qualität lässt hier keine Wünsche offen. Retina-Inhalte müssen übrigens von der iPad-Auflösung (2048 x 1536 Pixel) auf Full HD heruntergerechnet werden.
Monster-Akku für lange Laufleistung
Damit das hochgerüstete iPad nicht zu früh schlapp macht, hat ihm Apple einen mächtigen 42,5 Wattstunden-Akku eingebaut. Tatsächlich hält das neue iPad durch die riesige Batterie ebenso lange durch wie sein Vorgänger. Acht bis zehn Stunden Dauereinsatz sind kein Problem, mehr durchaus möglich. Es lohnt sich aber, das iPad immer an die Steckdose zu hängen, wenn es eine längere Pause macht, da eine Komplettladung mehr als acht Stunden dauert. Während des Betriebs lädt das iPad nur sehr eingeschränkt. Apple könnte dies vermutlich mit einem Software-Update beheben. Vielleicht unterbindet es aber gleichzeitiges Laden und Betrieb absichtlich, um die Wärmeentwicklung einzudämmen.

Die Reader-Funktion im Safari-Browser erhöht den Lesekomfort enorm.
(Foto: kwe)
Auch Apples neues Betriebssystem iOS 5.1 kann sich auf dem neuen iPad von seiner besten Seite zeigen. Ausflüge ins Internet machen mit Safari-Browser richtig Laune. Webseiten laden sehr schnell und wenn man in Beiträgen die Reader-Funktion in der Adressleiste antippt, bekommt man eine eReader-ähnliche Darstellung mit einem gestochen scharfen Schriftbild. Das LTE-Modul des iPad ist zwar hierzulande wertlos, da es nicht die Frequenzen der deutschen Anbieter nutzt. Wer sich aber einen entsprechend teuren Vertrag leistet, ist auch mit DC-HSDPA mobil sehr flott im Internet unterwegs.
Sprachassistentin Siri hat's nicht aufs neue iPad geschafft, aber immerhin steht jetzt eine Diktierfunktion zur Verfügung, die in der Tastatur über ein Mikrophon-Symbol aufgerufen wird. So lange sich die Hintergrundgeräusche in Grenzen hielten, funktionierte dies im Test sehr gut. Allerdings muss eine Internetverbindung bestehen, da das iPad das Diktat über Apples Server umleitet.
Standard-USB und SD-Karten-Slot fehlen
Im Prinzip ist das neue iPad derzeit mit Abstand das beste Tablet in der freien Wildbahn. Trotzdem könnten einige Neulinge von einem Einstieg und Android-Nutzer von einem Umstieg absehen. Denn neben den oben genannten kleineren Problemen weist auch das neue iPad wie alle iOS-Geräte einige typische Einschränkungen auf, die nicht jedem Nutzer schmecken. So bekommt man ohne die Computer-Software iTunes eigentlich nur Fotos ohne Umwege aufs iPad rauf oder von ihm runter.
Einen Standard-USB-Anschluss sucht man an Apples Tablet vergeblich und man kann beipielsweise keinen Drucker anschließen. Außerdem kann der Speicher nicht via SD-Karte erweitert werden, weil kein Einschub vorhanden ist. Dass der Akku nicht austauschbar ist, ist zwar ärgerlich, hat sich aber auch bei anderen Herstellern eingebürgert. Im Alltag dürfte es außerdem nur ein Problem für Nutzer sein, die sich in den nächsten vier Jahren kein neues Tablet kaufen wollen.
Das iPad lockt zwar nach wie vor mit einem sehr günstigen Einstiegspreis von 479 Euro. Wer aber ein Gerät ohne SIM-Karte kauft, muss auf GPS verzichten. Das günstigste 4G-iPad kostet aber bereits rund 600 Euro.
Alles in allem kann man sagen, dass man das neue iPad nicht unbedingt haben muss. Besitzer eines iPad 2 können mit ihrem feinen Tablet ruhig noch die nächste iPad-Generation abwarten. Bei vielen von ihnen ist es aber vermutlich so, dass sie das Ding haben wollen. Für Neueinsteiger, die mit den üblichen Apple-Einschränkungen kein Problem haben, ist das neue iPad derzeit die erste Wahl.
Quelle: ntv.de