Nun reagiert auch der Aktienmarkt Anleihen mit klarem Warnsignal
14.06.2016, 18:47 Uhr
Die EZB hat ihr Anleihenkaufprogramm auf 80 Mrd. Euro aufgestockt.
(Foto: dpa)
Die aktuelle Flucht in Sicherheit hat die Renditen der zehnjährigen Bundesanleihen zum ersten Mal überhaupt ins Minus gedrückt. Auch der Aktienmarkt reagiert mit Abschlägen, setzt sich der Abschwung fort?
Ein historischer Tag am deutschen Anleihemarkt. Im Tief sind die Renditen der zehnjährigen Bundesanleihen zum ersten Mal ins Minus gerutscht und signalisieren damit wirtschaftlich harte Zeiten. Selbst die Aussicht auf eine weitere Lockerung der expansiven Geldpolitik in Europa und Japan sowie der Zinsaufschub in den USA können die Märkte nicht beruhigen. Die schwächelnde US-Wirtschaft und die Zahl der steigenden Brexit-Befürworter in Großbritannien spielen derzeit die erste Geige an den Börsen und sorgen für die große Verunsicherung.
Optimisten wenden ein, dass ein Großteil der Wirtschafts- und Brexit-Sorgen durch die Kurseinbußen am Anleihe- und Aktienmarkt in den Kursen eingepreist ist. Doch wann kehrt der Optimismus an die Börsen zurück? Die Zinsentscheidung der US-Notenbank ist komplett eingepreist und eine Zinsanhebung auch auf der Juli-Sitzung ist vom Tisch. Am 23. Juni wird erst über den Brexit entschieden, bis dahin dürfte es unsicher bleiben. Vor allem, wenn die schwächelnden US-Konjunkturdaten auch nach Europa hinüber schwappen. Bis zuletzt hatte sich die europäische Wirtschaft gut erholt, nicht zuletzt durch einen schwachen Euro und die EZB.
Wirkt die Geldpolitik noch?
Sie hat ihr Anleihenkaufprogramm auf 80 Milliarden Euro aufgestockt und kauft neben Staatsanleihen und Asset Backed Securities (forderungsbesicherte Wertpapiere) seit dem 8. Juni auch Unternehmensanleihen. Gleichzeitig liegen die Zinsen für Bankeinlagen bei minus 0,4 Prozent, die Banken zahlen also Strafzinsen auf das Geld, das sie bei der EZB parken. Sollte die Geldpolitik die Wirtschaft nicht bald stärker stützen, könnte es eine Entwicklung wie in Japan geben. Dort liegen die zehnjährigen Staatsanleihen schon länger im Minusbereich und sind aktuell auf ein Rekordtief bei minus 0,17 Prozent gefallen. Inzwischen werfen weltweit Anleihen im Volumen von umgerechnet mehr als zehn Billionen Dollar Strafzinsen ab. Das bedeutet, dass rund ein Drittel der weltweiten Staatsanleihen Strafzinsen generieren. Durch die negativen Zinsen entgehen den Sparern weltweit Billionen von Euro im Jahr und sie fehlen für mögliche Konsumausgaben. Die hohe Zahl an Staatsanleihen mit negativen Renditen konterkariert gleichzeitig aber die expansive Geldpolitik zahlreicher Notenbanken.
Ölpreis ist kein Zeichen für eine wirtschaftliche Erholung
Auch ein gestiegener Ölpreis kann Investoren derzeit nicht überzeugen, dass die Weltwirtschaft auf dem Weg der Besserung ist. In der Regel sorgt ein Anstieg des Ölpreises für eine höhere Inflationserwartung, die wiederum zu steigenden Renditen bei langfristigen Anleihen führt, weil Investoren als künftigen Inflationsausgleich eine höhere Zinsprämie verlangen. Allerdings passiert derzeit genau das Gegenteil, denn der Ölpreisanstieg wird als Reaktion auf den starken Kursverfall von rund 75 Prozent von Juni 2014 bis Februar 2016 gewertet und nicht als Start in eine neue weltwirtschaftliche Aufschwungphase.
Die Abwärtsspirale wird wohl erst zu stoppen sein, wenn die Weltwirtschaft tatsächlich eine stärkere Erholung signalisiert und keine politische Unsicherheit, ausgelöst durch einen Brexit, hinzukommt. Bis zur Entscheidung am 23. Juni dürfte es daher noch sehr turbulent am Aktien- und Rentenmarkt zugehen.
Quelle: ntv.de