Wirtschaft

Historisches Zinstief und Anleihen Bank of England will notfalls nachlegen

Notenbankchef Mark Carney (r.) hält sich Optionen offen.

Notenbankchef Mark Carney (r.) hält sich Optionen offen.

(Foto: dpa)

Mit Nachdruck reagiert die Bank of England auf die eingetrübten Konjunkturaussichten Großbritanniens - doch die Zinssenkungen und Anleihekäufe könnten nur der Anfang sein. Notenbankchef Carney sieht einen "strukturellen Schock".

Die britische Notenbank will den Worten ihres Chefs zufolge über die angekündigte Zinssenkung hinaus im Ernstfall weitere Maßnahmen ergreifen. Bei allen Beschlüssen gebe es Spielraum für eine Ausweitung, sagte Mark Carney von der Bank of England. Der Notenbankchef machte aber deutlich: "Ich bin kein Fan negativer Zinsen." Carney fügte hinzu, es gebe für ihn kein Szenario, in dem er einen solchen Schritt erwägen würde. Vielmehr gebe es andere Möglichkeiten, bei Bedarf für weitere Impulse zu sorgen.

Euro / Britisches Pfund
Euro / Britisches Pfund ,87

Carney appellierte an die Banken, die Zinssenkung an ihre Kunden weiterzureichen. Für die Institute gebe es "keine Ausrede", dies nicht zu tun. Die BoE hat erstmals seit über sieben Jahren ihren Leitzins gesenkt, und zwar von 0,5 Prozent auf das Rekordtief von 0,25 Prozent. "Es ist sehr klar, dass die Untergrenze bei über Null liegt", versicherte Carney. Die Bank stockte zugleich ihr Staatsanleihen-Kaufprogramm um 60 Milliarden auf 435 Milliarden Pfund (514 Milliarden Euro) auf.

Mit dem gesenkten Leitzins und den umfangreichen Anleihekäufen stemmt sich die Bank of England mit allen Mitteln gegen die negativen Folgen des Brexit-Votums. Experten sind sich sicher, dass die Notenbank den Brexit-Schock alleine kaum aufhalten kann, obwohl der Leitzins in der Geschichte der Bank seit ihrer Gründung im Jahr 1694 noch nie so tief stand. Selbst in der Finanzkrise 2009 lag der Zinssatz höher.

"Die Londoner Währungshüter reagieren nicht gerade zimperlich auf die spürbar gefallenen Konjunkturindikatoren", kommentierte Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank. Die Wahrscheinlichkeit, dass die britische Wirtschaft im Sommer schrumpft, nehme täglich zu. Notenbankchef Carney hatte schon vor der Brexit-Entscheidung vor den wirtschaftlichen Folgen eines EU-Austritts gewarnt. Er war dafür heftig von Austrittsbefürwortern angegriffen worden. Nun scheint er Recht zu behalten.

Schlechte Aussichten

Die jüngsten Frühindikatoren zur Unternehmens- und Verbraucherstimmung sind regelrecht eingebrochen. So signalisiert der Einkaufsmanagerindex für die Industrie im Juli einen merklichen Rückgang der wirtschaftlichen Aktivität. Im Dienstleistungssektor ist der Indikator so stark gefallen wie zuletzt vor 20 Jahren. "Die Notenbank kann einen großen strukturellen Schock nur teilweise ausgleichen", sagte Carney. "Großbritannien ist in einer Phase der Unsicherheit." Vor allem das unklare künftige Verhältnis zur Europäischen Union belastet die Wirtschaft.

Die Verhandlungen mit der EU über einen Austritt haben noch nicht einmal begonnen und könnten sich über Jahre hinziehen. Dabei ist die Wirtschaft auf gute Handelsbedingungen und einen Zugang zum europäischen Binnenmarkt angewiesen. Schließlich hat das Land ein großes Defizit im Außenhandel und braucht ausländische Investitionen. Helfen könnte jedoch das nach dem Brexit-Votum und der Zinsentscheidung gefallene britische Pfund. So ist das Pfund am Donnerstag zum Dollar nochmals um zwei Cent gesunken. Die Exportchancen der britischen Unternehmen steigen damit, da ihre Waren auf dem Weltmarkt billiger werden.

Allerdings könnten die gestiegenen Einfuhrpreise zu einer steigenden Inflation in Großbritannien führen. Das wiederum könnte den Spielraum der Notenbank zur Stützung der Wirtschaft beschränken. Entscheidend für den künftigen Kurs der britischen Notenbank dürften nun neue britischen Konjunkturdaten und das Verhalten der Politik sein.

Quelle: ntv.de, rpe/rts/AFP

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