KBA stimmte Dieselgate-Bericht ab Behörde ließ Autobauer mitschreiben
11.11.2016, 07:30 Uhr
Diesel-Abgase
(Foto: dpa-tmn)
Wo endet die notwendige Zusammenarbeit zwischen Industrie und Aufsichtsbehörde, und wo beginnt eine skandalöse Einflussnahme? Vielleicht wenn ein Behördenchef E-Mails mit "industriefreundlichen Grüßen" schließt.
Die deutschen Autokonzerne haben direkten Einfluss genommen auf einen Bericht des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) zu überhöhten Abgaswerten nach dem VW-Skandal. Das geht aus E-Mails hervor, deren Inhalt unter anderem die dpa einsehen konnte.
In einer Notiz des KBA von Mitte Januar heißt es zum Beispiel, es werde mit den Herstellern "zuvor konkret besprochen", was veröffentlicht werde. An anderer Stelle ist die Rede von einem "abgestimmten Vorschlag" für einen Bericht der "Untersuchungskommission Volkswagen". Das KBA ist dem Bundesverkehrsministerium untergeordnet. Es ist für die Zulassung von Automodellen zuständig, die die Einhaltung von Abgasgrenzwerten voraussetzt.
Infolge des VW-Dieselskandals um manipulierte Abgastests hatte Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt im September 2015 die "Untersuchungskommission Volkswagen" eingesetzt. Außerdem ordnete er Abgas-Nachmessungen durch das KBA bei VW und anderen Herstellern an. Die Ergebnisse dieser Messungen finden sich in dem Bericht der Untersuchungskommission, der im April veröffentlicht wurde.
Demnach bestanden bei 22 von 53 getesteten Dieselmodellen Zweifel, ob das Herunterregeln der Abgasreinigung bei niedrigeren Temperaturen wirklich mit dem Schutz von Motorbauteilen zu tun hat. Umweltschützer gehen davon aus, dass es sich in vielen Fällen um illegale Manipulationen der Abgasuntersuchungen handle. Es wurde ein Rückruf von insgesamt 630.000 Fahrzeugen von Audi, Mercedes, Opel, Porsche und VW beschlossen, um die Technik zur Abgasreinigung zu ändern. Die Hersteller sprachen von einem "freiwilligen" Update und betonten, es gebe keine Hinweise auf unzulässige Software.
Hinweise auf Gesetzesverstöße gestrichen
E-Mails zwischen der Aufsichtsbehörde KBA und den Autoherstellern legen nun nahe, dass sich beide Seiten über Inhalte des Berichtes enger abgestimmt haben als bislang belegt. Die Opposition im Bundestag wirft Dobrindt schon seit Bekanntwerden des Dieselskandals zu große Nähe zu den Autobauern vor.
In den E-Mails schrieb ein Vertreter von Opel an einen KBA-Mitarbeiter, der Autohersteller könne Formulierungen in einem Entwurf des Berichts nicht zustimmen. "Uns geht es um einen Maßnahmenplan im Rahmen einer von uns vorgeschlagenen, freiwilligen Produktverbesserung." Es könne daher nicht von "Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftmäßigkeit" gesprochen werden. Dies impliziere einen Gesetzesverstoß, was aber nicht angemessen sei.
An anderer Stelle schreibt ein KBA-Vertreter an einen Mitarbeiter des Bundesverkehrsministeriums, in der Rohfassung des Berichts sei ein "Porsche-Text" mit dem Hersteller abgestimmt. Ein VW-Mitarbeiter schrieb an das KBA, man wolle einen "abgestimmten Vorschlag" an die Untersuchungskommission versenden.
In den Unterlagen taucht auch KBA-Präsident Ekhard Zinke auf. Er schrieb an einen seiner Mitarbeiter, er halte Opel-Ausführungen "insbesondere im techn. Teil im Grunde für nachvollziehbar." Der Behördenchef schließt dann: "Mit industriefreundlichem Gruß."
KBA besteht auf eigener "Meinungsbildung"
In einer gemeinsamen Stellungnahme von Bundesverkehrsministerium und KBA zu den Recherchen hieß es: "Mit den Herstellern wurden im Rahmen dieser Untersuchungen Gespräche geführt und technische Fragen erörtert. Ein solches Prozedere ist international üblich und notwendig." Schlussfolgerungen im Untersuchungsbericht seien durch die Untersuchungskommission getroffen worden. "Die Meinungsbildung erfolgte unabhängig."
Ein VW-Konzernsprecher teilte mit: "Die beteiligten Marken haben konkrete Lösungen erarbeitet und dem KBA zur Überprüfung und Freigabe vorgestellt." Weiter hieß es: "In dem gesamten Prozess haben wir gegenüber dem KBA sensible und vertrauliche Daten offengelegt. Wenn das KBA mit Blick auf die angekündigte Veröffentlichung des Untersuchungsberichtes Rücksprachen mit betroffenen Unternehmen führt, ist dieses aus unserer Sicht erst einmal nachvollziehbar und naheliegend." Der Autobauer Opel wollte sich zu dem Bericht nicht äußern.
Die Grünen sehen sich in ihrem Vorwurf bestätigt, Verkehrsminister Dobrindt und das KBA handelten nicht unabhängig. Schleswig-Holsteins Umweltminister Robert Habeck sagte: "Hier hat offenbar die Industrie dem KBA die Feder geführt. Das ist ein Problem. Schon allein der Anschein einer Kultur der Kumpanei ist fatal." Dies schädige das Vertrauen in die Unabhängigkeit der staatlichen Institutionen. Die logische Konsequenz könne nur sein, dass eine unabhängige Kommission das Ganze noch einmal aufrolle, sagte Habeck. Die Frage, ob alle Hersteller bei der Abgasreinigung illegal handelten, sei von hohem öffentlichen Interesse. "Das dürfen das KBA und das Verkehrsministerium nicht verschleiern."
Quelle: ntv.de, mbo/dpa