Schreiben an Börsenaufsicht Billigmodehändler Shein bekommt Ärger in den USA
31.08.2023, 20:10 Uhr Artikel anhören
Unternehmen wie Shein können ein Schlupfloch im US-Gesetz nutzen.
(Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS)
Die US-Börsenaufsicht SEC könnte dem chinesischen Online-Riesen einen Strich durch die Rechnung machen: Shein will in den USA an die Börse gehen. 16 Generalstaatsanwälte fordern, vorher sicherzustellen, dass keine Kleidung aus Zwangsarbeit vertrieben wird.
Möglicherweise illegale Produktionsbedingungen bei der Billigmodekette Shein rufen die Justiz in den USA auf den Plan. Shein will Insidern zufolge dieses Jahr an die Börse gehen. 16 Generalstaatsanwälte fordern die US-Börsenaufsicht SEC deshalb auf, den Fast-Fashion-Anbieter genauer zu prüfen.
Bevor dem Unternehmen der Börsengang in den USA gestattet werde, müsse sichergestellt sein, dass Shein US-Recht einhalte, heißt es in einem gemeinsamen Schreiben der Staatsanwälte, aus dem der US-Fernsehsender CNBC zitiert: Es sei offensichtlich, dass Shein versuche, noch vor Ende dieses Kalenderjahres einen Börsengang zu starten. Ein solcher Schritt eines chinesischen Unternehmens, bei dem es Bedenken hinsichtlich seiner Geschäftspraktiken gebe, erfordere ein Verfahren, welches sicherstelle, dass US-Gesetze eingehalten werden. Der Import von Produkten, die ganz oder teilweise durch Zwangsarbeit hergestellt würden, seien gesetzlich verboten.
Die über 60 Milliarden US-Dollar schwere Modekette Shein steht für Fast-Fashion wie kein anderes Unternehmen. Das zugrundeliegende Konzept ist einfach: Mode soll superbillig und schnell beim Kunden sein, schneller als bei allen anderen Anbietern. Nicht nur bei der Jugend in China, sondern auch im Westen kommt das Konzept gut an. Weil es in hohem Maße von den günstigen Produktionsbedingungen in China profitiert, punktet das Unternehmen vor allem mit den Preisen. Das Geschäftsmodell ist umstritten, weil es im Verdacht steht, maßgeblich auf Ausbeutung zu beruhen.
Die Politik macht Druck
Offene Fragen zu Sheins Produktionsstätten gibt es seit Längerem. Im Februar hatten drei US-Senatoren den Vorstandsvorsitzenden des Fast-Fashion-Unternehmens, Chris Xu, schriftlich um eine Stellungnahme zu den Vorwürfen von Menschenrechtsverletzungen gebeten.
Anlass für das Schreiben waren unabhängige Labortests, die Ende vergangenen Jahres bestätigten, dass bei Shein bestellte Kleidungsstücke Baumwolle aus Xinjiang enthielten. Produkte aus der Region Chinas dürfen laut Bundesgesetz nicht in die USA eingeführt werden, weil bei der Herstellung der Waren angeblich Zwangsarbeiter der muslimischen Minderheit der Uiguren eingesetzt werden.
Laut Berichten ehemaliger Häftlinge und Menschenrechtsorganisationen hat die chinesische Regierung in der Vergangenheit mehr als eine Million Menschen in Internierungslagern untergebracht und Arbeiter zu Arbeit auf Feldern und in Fabriken gezwungen. Peking hat diese Berichte stets zurückgewiesen.
Shein selbst hat lange zu den Vorwürfen, die Verrichtung von Zwangsarbeit zu unterstützen, geschwiegen. In früheren offiziellen Erklärungen des Fast-Fashion-Händlers hieß es dazu lediglich, Shein unternehme in allen seinen Märkten Maßnahmen, "um sicherzustellen, dass wir die lokalen Gesetze und Vorschriften einhalten". Laut US-Website führt das Unternehmen regelmäßige Überprüfungen durch, um eine Null-Toleranz-Politik gegenüber "Zwangsarbeit" und anderen Umwelt- und Sozialbelangen sicherzustellen.
Ein Schlupfloch in der US-Gesetzgebung
Richtig ist aber, dass Kleidung aus Baumwolle aus der umstrittenen Region in China ungeprüft in den westlichen Kleiderschränken landet. Grund ist ein Schlupfloch in der US-Gesetzgebung. Die Lieferungen an Shein-Kunden liegen in der Regel unterhalb des beim US-amerikanischen Zoll und Grenzschutz meldepflichtigen Schwellenwerts von 800 US-Dollar. Wo sich Einzelhändler um saubere Herkunftsangaben für ihre Massenimporte bemühen müssen, unterliegt der Onlinehändler Shein keinerlei Prüfung. "Chinesische Unternehmen wie Shein haben dieses Schlupfloch genutzt", konstatierte Kim Glas, Chef des US-Textilverbands National Council of Textile Organizations gegenüber Bloomberg.
Der öffentliche Druck zeigt möglicherweise bereits Wirkung. Gegenüber dem Fernsehsender CNBC hat Shein inzwischen eingeräumt, dass ein Teil seines Baumwollangebots tatsächlich aus Xinjiang stammt. Um die Herkunft der Fasern in seiner Kleidung zurückzuverfolgen, beauftragte das Unternehmen den Lieferkettenspezialisten Oritain. Wie es heißt, wurden zwischen Juni 2022 und Juli 2023 2111 Tests durchgeführt, dabei ergaben 46 eine Herkunft aus Regionen, die auf einer schwarzen Liste wegen Menschenrechtsverletzungen stehen. Das heißt, gut zwei Prozent der Proben waren "positiv".
Oritain testet jedes Jahr mehr als 1000 Baumwollproben aus der gesamten Modebranche. Wie die US-Nachrichtenseite Politico berichtete, waren bei einer kürzlich durchgeführten Testrunde zwölf Prozent der Proben positiv, also aus einer "nicht erlaubten Region". Shein will nach eigenen Angaben die positiven Testergebnisse künftig auf Null senken. Wie der Leiter für Strategie und Unternehmensangelegenheiten, Peter Pernot-Day, gegenüber CNBC erklärte, sollen solche "positiven Rohstofftests aus der Produktion genommen" werden. Zusätzlich will Shein gänzlich auf den Kauf von Baumwolle aus China verzichten.
Quelle: ntv.de