45 Milliarden Euro jährlich Börsensteuer brächte mehr als Soli
09.03.2015, 09:58 Uhr
Aktivisten fordern bereits seit Jahren eine Steuer auf Börsengeschäfte, um Spekulation einzudämmen.
(Foto: picture alliance / dpa)
Deutschland diskutiert heftig über die Abschaffung des Solidaritätszuschlags. Dabei geht dem Staat ein Vielfaches durch die Lappen, solange er keine Steuer auf Finanzgeschäfte einführt. Die Rechnung enthält allerdings noch viele Unbekannte.
Die geplante Umsatzsteuer auf Finanzgeschäfte in elf europäischen Staaten könnte allein Deutschland jährliche Erlöse von bis zu 45 Milliarden Euro einbringen. Zu diesem Ergebnis kommt ein Gutachten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin, aus dem die "Süddeutsche Zeitung" zitiert. Die Studie war von der SPD-Bundestagsfraktion in Auftrag gegeben worden.
US-Ökonomen brachten schon 1972 eine Steuer auf Börsengeschäfte ins Gespräch. Vereinfacht gesagt funktioniert sie wie eine Mehrwertsteuer auf den Handel mit Finanzprodukten wie Aktien, Anleihen oder hoch spekulative Papiere.
Sie würde diese Geschäfte verteuern und somit Spekulation einzudämmen. Außerdem würde der Finanzsektor mit den Steuereinnahmen an den Kosten der Krise beteiligt, die maßgeblich von ihm ausgelöst worden war. Zudem soll die Steuer den so genannten Hochfrequenzhandel begrenzen, bei dem Computer innerhalb von Sekundenbruchteilen Aktien kaufen und wieder verkaufen. Spekulanten wollen so an minimalen Kursunterschieden Geld verdienen, können aber damit auch Börsenturbulenzenverstärken.
Gegner der Abgabe führen vor allem zwei Argumente an: Sie sehen in der Finanztransaktionssteuer eine Wachstumsbremse, und sie funktioniere nur dann, wenn sie weltweit eingeführt werde. Andernfalls würden die Geschäfte nämlich dort gemacht, wo die Steuer nicht anfällt.
Frankreich käme demnach auf Mehreinnahmen von bis zu 36 Milliarden, Italien immerhin noch auf maximal sechs Milliarden Euro. "Die Studie zeigt einmal mehr: Wir brauchen eine umfassende Finanztransaktionsteuer", zitiert die Zeitung den SPD-Finanzexperten Carsten Sieling. "Sie ist sinnvoll, machbar und überfällig."
Bisher haben elf EU-Staaten darunter Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien erklärt, gemeinsam eine solche Steuer einführen zu wollen. Eine EU-weite Regelung war am Widerstand vor allem Großbritanniens aber auch Luxemburgs und Schwedens gescheitert.
Finanzbranche könnte abwandern
In dem Gutachten zeigt das DIW demnach auf, mit welchen Erlösen die elf Staaten je nach Gestaltung der Finanztransaktionsteuer (FTT) in etwa rechnen können. Da ist zunächst das Modell der EU-Kommission, das vorsieht, den Anbieter wie den Erwerber einer Aktie oder Anleihe mit einem Steuersatz von je 0,1 Prozent des Kaufpreises zu belegen. Bei Termin-, Tausch- und Optionsgeschäften, sogenannten Derivaten, beträgt der Satz 0,01 Prozent.
Ausgenommen sind Bankgeschäfte des täglichen Lebens, also etwa Überweisungen vom Girokonto, die Aufnahme von Kredite, die Emission von Aktien sowie Transaktionen zwischen Lebensversicherungen und ihren Kunden. Geht man davon aus, dass das Handelsvolumen trotz Einführung der Steuer unverändert bleibt, kommt man auf die genannten Maximalerlöse, also im Falle Deutschlands auf knapp 45 Milliarden Euro pro Jahr. Im Vergleich dazu bringt der Solidaritätszuschlag, über dessen mögliche Abschaffung wieder einmal gestritten wird, derzeit etwa 14 Milliarden Euro jährlich.
Fachleute erwarten allerdings, dass ein Teil des Geschäfts zum Erliegen käme oder in Drittstaaten, etwa nach Großbritannien, verlagert würde, wie die SZ schreibt. Doch selbst in diesem Fall wären die Einnahmen laut Gutachten noch beträchtlich: Bei einem 15-prozentigen Rückgang der Wertpapiergeschäfte und einem Einbruch des Derivatehandels um 75 Prozent kämen demnach immer noch fast 19 Milliarden Euro zusammen. Auch bei einer Halbierung der Steuersätze auf 0,05 Prozent für Aktien und 0,005 Prozent für Derivate läge das Aufkommen noch bei zehn bis 25 Milliarden Euro rechnen, und selbst bei einer Zehntelung auf 0,01 und 0,001 Prozent kämen noch 2,3 bis 5,4 Milliarden Euro zusammen.
Quelle: ntv.de, mbo/DJ