Milliarden reichen nicht Deutschlands Stahlwerke rufen um Hilfe
16.09.2024, 22:07 Uhr Artikel anhören
Innerhalb weniger Jahre soll ein Drittel der deutschen Stahlproduktion auf grüne Energie umstellt werden.
(Foto: picture alliance/dpa/TASS)
Teure Energie, schwache Konjunktur und billige Konkurrenz: Die Stahlbranche steht unter Druck und soll gleichzeitig eine teure Öko-Transformation stemmen. Zwar unterstützt der Staat die Industrie schon mit Milliarden. Landesregierungen, Unternehmen und Gewerkschaften fordern aber mehr als Geld.
Anlässlich des Stahlgipfels in Duisburg haben die elf deutschen Bundesländer mit Stahlstandorten die Bundesregierung dazu aufgefordert, die Voraussetzungen für einen Erhalt der Stahlindustrie in Deutschland zu schaffen. Notwendig seien bezahlbare Energie und ausreichend grüner Wasserstoff, forderten sie gemeinsam mit der Wirtschaftsvereinigung Stahl und der IG Metall. Zudem seien auch handelspolitische Maßnahmen nötig, um die Hersteller vor billigen Importen zu schützen.
Die deutsche Stahlindustrie steckt in einer Krise. Grund ist das Aufeinandertreffen einer schwachen Konjunktur, hoher Energiepreise und Billigimporte vor allem aus Asien. Gleichzeitig soll die Branche klimafreundlicher werden. Die Stahlindustrie ist derzeit für rund sieben Prozent des gesamten Treibhausgasausstoßes in Deutschland verantwortlich. Abhilfe schaffen sollen etwa neue Stahlerzeugungsverfahren mit klimaneutral hergestelltem Wasserstoff. Der Bau der dafür nötigen Großanlagen wird vom Staat mit mehreren Milliarden Euro gefördert. Damit soll bis 2030 ein Drittel der Produktionskapazität auf klimaneutrale Energie umgestellt werden.
Zu den Bundesländern mit Stahlstandorten, der sogenannten Stahlallianz, gehören Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, das Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Diese Länder waren in Duisburg auf Einladung von Nordrhein-Westfalens Wirtschaftsministerin Mona Neubaur zum Nationalen Stahlgipfel mit weiteren Vertretern aus Politik und Wirtschaft sowie von Gewerkschaften zusammengekommen.
Tausende Arbeitsplätze in Gefahr
Im Anschluss wurde der Nationale Aktionsplan Stahl an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck übergeben. Habeck hob hervor, dass die deutsche Stahlproduktion "am Anfang vieler relevanter Wertschöpfungsketten" stehe und damit "zugleich wichtiger Impulsgeber für Schlüsselbranchen wie Automobil oder Maschinenbau und ihre Transformation" sei. Bei der Dekarbonisierung der Stahlindustrie seien Deutschland und die EU "global Vorreiter", führte der Vizekanzler weiter aus.
"Es geht um viele Wertschöpfungsketten, die hier beginnen und die unsere Wirtschaft stark machen", erklärte auch Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst. "Der internationale Wettbewerb ist schärfer geworden: Steigende Energiepreise, globale Überkapazitäten und die Notwendigkeit, die Produktion klimaneutral zu gestalten - all das sind Herausforderungen, denen wir nur mit einer Anpassung der Rahmenbedingungen und gemeinsam begegnen können."
Zuletzt hatte es wachsende Befürchtungen hinsichtlich des schleichenden Niedergangs der Branche in Deutschland und eines weitreichenden Arbeitsplatzabbaus gegeben. Im Vorfeld des Stahlgipfels hatte Bundestagspräsidentin Bärbel Bas mit Blick auf die Stahlsparte des Industriekonzerns Thyssenkrupp vor einer Schließung mehrerer Stahlwerke mit 10.000 Arbeitsplätzen gewarnt.
Umweltschützer sehen "echte Chance"
Die Beschäftigten erwarteten "eine klare Positionierung sowohl von der Landesregierung als auch von der Bundesregierung, wie sie die Transformation in Richtung grünem Stahl auch bewältigen will", sagte Bas im WDR. Beim langwierigen Umbau von Kohle hin zu Wasserstoff als Energieträger sei weitere staatliche Unterstützung nötig.
Der Chef der SHS-Stahl-Holding-Saar, Stefan Rauber, warf der Bundesregierung vor, die Industrie hängen zu lassen. "Es genüge nicht, Milliarden Staatssubventionen für Stahlwerke auszugeben", sagte er dem Wirtschaftsmagazin "Capital". Die energieintensive Industrie insgesamt brauche einen niedrigen und international wettbewerbsfähigen Industriestrompreis, sonst "verlieren wir Wettbewerbsfähigkeit und riskieren Tausende von Arbeitsplätzen".
Die Umweltorganisation Germanwatch erklärte, eine "gut gemachte Transformation zur Klimaneutralität" könne in der jetzigen Situation "eine echte Chance für die Branche" darstellen. Um diese zu nutzen, müssten jedoch "Politik und Industrie entschlossen an einem Strang ziehen: mit einem klaren Fahrplan und sicheren Rahmenbedingungen für die Transformation, damit Angebot und Nachfrage nach grünem Stahl in eine Aufwärtsspirale kommen".
Quelle: ntv.de, mbo/dpa/AFP