"Kosten muss Industrie tragen" Dobrindt erhöht Druck vor Diesel-Gipfel
02.08.2017, 05:44 Uhr
Verkehrsminister Alexander Dobrindt hat eine Krise zu bewältigen.
(Foto: dpa)
Die deutschen Autobauer müssen beim Diesel-Gipfel liefern, darin sind sich Verkehrsminister Dobrindt, Bundesländer und Kommunen einig. Nun geht es darum, wie viel Geld die Konzerne in die Hand nehmen - und für was. Der Druck auf die Konzerne ist enorm.
Vor Beginn des Diesel-Gipfels nimmt Verkehrminister Alexander Dobrindt die Hersteller in die Pflicht. "Völlig klar ist: Die Kosten von Umrüstungen muss die Industrie tragen. Den Kunden dürfen keine Extrakosten entstehen", sagte Dobrindt der "Passauer Neuen Presse". Die Autoindustrie habe sich in "richtig schweres Fahrwasser" gebracht. "Ich finde es furchtbar, dass die Marke 'Automobil made in Germany' in so eine Lage gebracht wurde", meinte der CSU-Politiker.
Ziel des Treffens sei es, Ökologie und Mobilität näher zusammenzubringen und eine Perspektive für die Mobilität der Zukunft zu geben, sagte Dobrindt. "Dazu muss die Industrie die Umrüstung von Euro-5- und Euro-6-Fahrzeugen umsetzen." Zudem erwarte er ein "akzeptables Angebot der Automobilindustrie" zur Senkung der Schadstoffbelastung in deutschen Städten. Um dieses Ziel zu erreichen, müssten "auch die älteren Fahrzeuge einen Beitrag leisten", erklärte der Minister.
Auch Länder und Kommunen setzen auf Zusagen der Autokonzerne. "Der politische Druck ist so enorm, dass die deutsche Autoindustrie mehr zu verlieren hat als ein paar Diesel-Autos", sagte der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg. Es gehe letztlich um den Wirtschaftsstandort Deutschland. "Deswegen wird die Industrie weiter gehen, als sie bislang gesagt hat." Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin und Bundesratspräsidentin Malu Dreyer (SPD) kündigte an, man werde die Autoindustrie "in die Pflicht nehmen". Sie erwarte ein Sofortprogramm der Hersteller.
Bei dem Spitzentreffen von Bund, Ländern und Autobranche geht es um Nachbesserungen bei der Abgasreinigung von Millionen Diesel-Autos in Deutschland und die Förderung eines abgasarmen Verkehrs in den Städten. Die Verpflichtung der Hersteller zu Updates an der Motorsoftware gilt als sicher.
Streit gab es bis zuletzt um die Frage, ob zusätzlich auch Bauteile am Motor selbst nachgerüstet werden müssen, um den Stickoxid-Ausstoß der Fahrzeuge zu senken und drohende Fahrverbote in Städten zu verhindern. Die Autobranche hat bisher nur günstigere und einfachere Updates der Computersteuerung angeboten.
Weil relativiert eigene Aussage
Unter anderem die Ministerpräsidenten der "Autoländer" Bayern und Niedersachsen, Horst Seehofer (CSU) und Stephan Weil (SPD), hatten staatliche Anreize wie Steuernachlässe oder Prämien ins Gespräch gebracht, damit Besitzer älterer Autos auf neue, sauberere Modelle umsteigen. Vor dem Gipfel relativierte Weil das teilweise: Er wolle "den Konzernen nichts schenken", sagte er der "Bild"-Zeitung. Um alte Diesel von der Straße zu bekommen, brauche es Anreize, "vor allem von der Industrie". Seehofer mahnte erneut eine Lösung für die mehr als fünf Millionen älteren Diesel-Pkw in Deutschland an, bei denen Software-Updates nicht möglich seien. "Ich will, dass modernere Autos die älteren Autos ablösen", sagte er.
SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz betonte, dass Autobesitzer weder für die Umrüstungen noch für die Entsorgung alter Autos zahlen sollten. Für beides müssten die Hersteller aufkommen. "Wer einen Diesel gekauft hat, darf nicht der Dumme sein", sagte der SPD-Chef dem "Spiegel".
Einer YouGov-Umfrage zufolge hat die Abgasaffäre das Vertrauen in die Autoindustrie bei 41 Prozent der Deutschen ins Wanken gebracht - unabhängig davon, ob sie Diesel-Fahrer sind. Jeder fünfte Diesel-Besitzer hat demnach darüber nachgedacht, sein Auto zu verkaufen - und zwei von fünf würden künftig kein Dieselfahrzeug mehr kaufen. Derzeit ist rund jedes dritte in Deutschland gemeldete Auto ein Diesel.
Im Gespräch sind ein Fonds für weniger Schadstoffe im Stadtverkehr. Die Rede war von 500 Millionen Euro, an denen sich auch die Autobranche beteiligen sollte. Zusätzlich will die Politik Förderprogramme auf den Weg bringen und ausbauen, unter anderem für den Rad- und Schienenverkehr. Die Kommunen fordern unter anderem Hilfen für die Nachbesserung bei Bussen.
Zum Gipfel eingeladen sind die Chefs von Volkswagen, Porsche, Audi, Daimler, BMW sowie von Opel und Ford in Deutschland. Erwartet werden zudem die Ministerpräsidenten der "Autoländer" Bayern, Baden-Württemberg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland sowie der Stadtstaaten Hamburg und Berlin. Diese sind stark von hohem Ausstoß an Stickoxid (NOx) betroffen. Gastgeber des Treffens sind Dobrindt und Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD).
Die Grünen kritisierten die Pläne als zu lasch. "Verbindliche Verpflichtungen der Autoindustrie zur Umrüstung finden sich genauso wenig wie wirksame Kontrollen", sagte Bundestags-Fraktionsvize Oliver Krischer der dpa. "So wird kein Fahrverbot verhindert und kein ernsthafter Schritt in die elektromobile Zukunft gemacht."
Quelle: ntv.de, rpe/dpa