Wirtschaft

Kampf gegen Inflation EZB erhöht Leitzins um 0,75 Prozentpunkte

Die Europäische Zentralbank (EZB) in Frankfurt/Main - mit dem neuen Leitzins fallen bei vielen Banken die Negativzinsen.

Die Europäische Zentralbank beschließt angesichts der rekordhohen Inflation eine weitere Zinserhöhung.

(Foto: Boris Roessler/dpa)

Die Inflation im Euroraum kletterte im August auf die Rekordhöhe von 9,1 Prozent. Die EZB will mit einem historischen Schritt die Kaufkraft im Euro-Raum erhalten: Sie beschließt die größte Zinserhöhung seit Einführung des Euro-Bargelds.

Die EZB stemmt sich mit dem größten Zinsschritt seit Einführung des Euro-Bargelds 2002 gegen die Rekordinflation. Die Währungshüter um EZB-Chefin Christine Lagarde beschlossen, den sogenannten Hauptrefinanzierungssatz um einen Dreiviertel-Prozentpunkt auf 1,25 Prozent zu erhöhen. Die Währungshüter reagieren auf die ausufernde Inflation, die zuletzt mit 9,1 Prozent einen Höchststand erreichte.

Die Volkswirte der EZB gehen für das laufende Jahr nun von einer durchschnittlichen Teuerungsrate in der Euro-Zone von 8,1 Prozent aus, wie die EZB mitteilte. Noch im Juni lautete die Prognose auf 6,8 Prozent. 2023 werde die Inflation dann voraussichtlich bei 5,5 (Juni-Prognose: 3,5) Prozent liegen und 2024 dann auf 2,3 (Juni-Prognose: 2,1) Prozent sinken. "Der Preisdruck hat in der gesamten Wirtschaft weiterhin an Stärke und Breite gewonnen", räumten die Währungshüter ein. "Getrieben wird die Inflation weiterhin von stark steigenden Energie- und Nahrungsmittelpreisen, dem in einigen Sektoren herrschenden Nachfragedruck infolge der Wiedereröffnung der Wirtschaft sowie von Lieferengpässen."

Die EZB sieht angesichts der Gaskrise und hoher Inflation düstere Konjunkturaussichten für die Euro-Zone. Die Wirtschaft werde sich deutlich verlangsamen, sagte Lagarde nach der Zinssitzung in Frankfurt. Es sei mit einer Stagnation im späteren Jahresverlauf und dem ersten Quartal 2023 zu rechnen. Dieser Ausblick spiegelt sich auch in den jüngsten von Fachleuten der EZB erstellten Projektionen für das Wirtschaftswachstum wider. Sie wurden für den Rest des laufenden Jahres und für 2023 deutlich nach unten korrigiert. Die Fachleute erwarten nun ein Wachstum von 3,1 Prozent für 2022, von 0,9 Prozent für 2023 und von 1,9 Prozent für 2024.

Viele Volkswirte halten es inzwischen für möglich, dass die Wirtschaft im Euro-Raum aufgrund der anhaltenden Energiekrise in Folge des Ukraine-Kriegs und der noch nicht ausgestandenen Lieferkettenprobleme im Herbst in eine Rezession rutschen könnte. Jüngste Wirtschaftsdaten untermauerten zuletzt diese Befürchtung. So war beispielsweise der Einkaufsmanagerindex (PMI) für die Privatwirtschaft, die den Industrie- und Servicesektor umfasst, im August unter die Wachstumsschwelle von 50 Punkte gefallen und damit auf den tiefsten Stand seit 18 Monaten. In Deutschland, der größten Volkswirtschaft im Euro-Raum, war im August der Ifo-Geschäftsklimaindex auf den niedrigsten Wert seit Juni 2020 gesunken.

Sorge vor Konjunkturbremse ist groß

Den Leitzins, zu dem sich Kreditinstitute bei der EZB Geld leihen können, hatten die Währungshüter zuletzt im Juli von 0 Prozent auf 0,50 Prozent angehoben. Ökonomen halten ein deutlich höheres Zinsniveau für notwendig, um die Inflation wirksam zu bekämpfen. Die Inflation im Euroraum kletterte im August, getrieben von steigenden Energie- und Lebensmittelpreisen, auf die Rekordhöhe von 9,1 Prozent. Volkswirte rechnen für die nächsten Monate mit einem weiteren Anstieg. Angestrebt ist von der EZB für den gemeinsamen Währungsraum mittelfristig ein stabiles Preisniveau bei einer Jahresteuerung von 2 Prozent.

EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel hatte bei der internationalen Zentralbankenkonferenz im amerikanischen Jackson Hole Ende August gemahnt, mit Entschlossenheit gegen die hartnäckig hohe Teuerung vorzugehen. "Je länger die Inflation hoch bleibt, desto größer ist die Gefahr, dass die Öffentlichkeit das Vertrauen in unsere Entschlossenheit und Fähigkeit verliert, die Kaufkraft zu erhalten", warnte Schnabel.

Unter den Währungshütern gibt es allerdings auch Sorge, mit einer zu schnellen Normalisierung der zuvor jahrelang ultralockeren Geldpolitik die Konjunktur zu bremsen, die ohnehin mit Lieferengpässen und den Folgen des Ukraine-Krieges etwa auf dem Energiemarkt zu schaffen hat. Die EZB behält sich daher vor, über Anleihenkäufe hoch verschuldeten Eurostaaten unter die Arme zu greifen. Die EZB hatte die hohe Inflation lange als vorübergehend interpretiert und hat deutlich später als viele andere Zentralbanken die Zinswende eingeleitet.

Quelle: ntv.de, lve/dpa/rts

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