Erstmals Urteil gegen VW-Konzern Gericht zwingt Händler zu Pkw-Rücknahme
21.05.2016, 15:52 Uhr
Der manipulierte Diesel vom Typ EA189 ist auch im Ibiza von VW-Tochter Seat verbaut.
(Foto: picture alliance / dpa)
In der Abgas-Affäre steht die deutsche Justiz bisher an der Seite von Volkswagen. Dem Konzern und seinen Händlern wird Zeit für eine Umrüstung gewährt. Doch ein Münchener Gericht urteilt erstmals zugunsten eines Seat-Besitzers und fordert die Rücknahme.
Im VW-Abgas-Skandal hat erstmals ein Gericht einen Autohändler dazu verpflichtet, das manipulierte Fahrzeug zurückzunehmen und den Kaufpreis zu erstatten. Das Urteil des Landgerichts München sei am vergangenen Dienstag ergangen, wie "Stern TV" berichtet. Es handele sich um einen Seat Ibiza mit 1,6 Liter Diesel-Motor vom Typ EA189, der mit der Betrugssoftware ausgestattet sei.
Geklagt habe ein Ehepaar aus München. Volkswagen bestätigte das Urteil. Der Händler werde in Absprache mit dem Konzern Berufung einlegen, hieß es. Entscheidungen anderer Gerichte legten nahe, dass es für die Besitzer der Autos zumutbar sei, die Umrüstung abzuwarten. Die Fahrzeuge könnten bis dahin ohne Einschränkungen im Straßenverkehr genutzt werden.
Acht Gerichte urteilten gegen Halter
Laut Volkswagen sind deutschlandweit bislang neun Urteile zur Thematik ergangen. Acht unterschiedliche Landgerichte hätten die Klagen der Autobesitzer abgewiesen. Nur das Landgericht München habe in erster Instanz der Klage gegen einen Händler stattgegeben.
Bereits im März hatte etwa das Landgericht Bochum die Klage eines VW-Kunden auf Rückgabe des Autos zurückgewiesen. Die Veränderungen am Abgassystem seien zwar als Mangel einzustufen, entschied das Gericht. Dieser sei aber vergleichsweise günstig zu beheben. Die Mangelbeseitigung liege unter der Bagatellgrenze von einem Prozent des Kaufpreises. Deshalb gebe es keine erhebliche Pflichtverletzung und damit auch kein Recht zum Rücktritt vom Kaufvertrag.
Münchener Gericht sieht Zeit abgelaufen
Laut "Stern TV" heißt es in der Münchener Urteilsbegründung, der Händler habe länger als ein halbes Jahr Zeit gehabt, den Mangel zu beheben. Diese Frist sei ungenutzt verstrichen. Den Klägern müsse daher der Kaufpreis erstattet werden.
Zur Problematik stehen weitere Entscheidungen an. Am Landgericht Braunschweig sind im Zuge des Abgas-Skandals bislang 46 Klagen von Autobesitzern eingereicht worden. Sie klagen laut Gericht entweder gegen den jeweiligen Verkäufer des Fahrzeuges, ein Autohaus oder die Volkswagen AG auf Rückabwicklung des Kaufvertrages oder gegen den Konzern als Hersteller auf Schadenersatz. Am 24. Mai soll es ein Urteil im Prozess eines Audi-Besitzers gegen ein Autohaus geben.
Verkehrspolitiker nimmt Hersteller in die Pflicht
CDU-Verkehrspolitikers Oliver Wittke warnte davor die Autobesitzer für unzulässig hohe Abgaswerte büßen zu lassen. "Sie jetzt zu bestrafen und Fahrzeuge stillzulegen oder höher zu besteuern, das wäre der falsche Weg", sagte Wittke im Deutschlandfunk. Kunden hätten im guten Glauben saubere Fahrzeuge gekauft. "Wenn es da Probleme gibt, dann müssen diejenigen, die den Schaden verursacht haben, dafür geradestehen", sagte er mit Blick auf die Hersteller.
Wittke forderte die Branche zu höheren Investitionen auf. "Nur saubere Fahrzeuge werden künftig konkurrenzfähig sein." Bei Abgastests im Zuge der Diesel-Affäre waren nach Angaben des Bundesverkehrsministeriums bei 30 von 53 untersuchten Autos auffällig hohe CO2-Emissionen festgestellt worden. Das Kraftfahrtbundesamt soll weitere Prüfungen dazu anstellen. Der Ausstoß des klimaschädlichen Kohlendioxids (CO2) ist auch Teil der Kfz-Steuer-Berechnung.
Quelle: ntv.de, shu/dpa