Wirtschaft

Athen: Drittes Paket wird besprochen Griechenland wähnt sich auf der Zielgeraden

Man sieht es kaum. Doch Regierungschef Tsipras (r) und Finanzminister Varoufakis (l) versprühen Optimismus nach einer Sitzung in Athen.

Man sieht es kaum. Doch Regierungschef Tsipras (r) und Finanzminister Varoufakis (l) versprühen Optimismus nach einer Sitzung in Athen.

(Foto: REUTERS)

Kakophonie bei Hellas-Hilfen: Während die Kreditgeber mit düsterer Miene auf weiter offene Punkte verweisen, sieht sich Athen bereits kurz vor dem Zieleinlauf. Und weil fast alles in trockenen Tüchern sei, rede man schon über ein neues Paket, heißt es.

Nach monatelangem Ringen geht die Griechenland-Rettung offenbar in die entscheidende Phase: Die Vertreter Athens und der Gläubiger-Institutionen wollten nach Angaben aus griechischen Regierungskreisen beginnen, schon gefundene Einigungen auf Arbeitsebene in einem Entwurf festzuklopfen. Verhandlungsführer Euclid Tsakalotos sagte, Teil der Beratungen sei schon ein neues, drittes Rettungspaket.

In der Bundesregierung wird der Darstellung Tsipras' widersprochen. "In der Sache sind wir noch nicht sehr viel weiter gekommen", hieß es aus Kreisen der deutschen Delegation beim G7-Finanzministertreffen in Dresden. Man sei überrascht über die Hinweise aus Athen, dass eine Einigung bevorstehe.

Aus der Athener Regierung verlautete hingegen, die angepeilte vorläufige Einigung beinhalte auch eine Schuldenerleichterung und keine weiteren Einschnitte bei Renten und Gehältern. "Wir sind auf der Zielgeraden, wir sind eine Vereinbarung nahe", sagte Ministerpräsident Alexis Tsipras nach Beratungen im Finanzministerium in Athen. Schon bald werde seine Regierung Einzelheiten nennen können.

EU-Kommissionsvizepräsident Valdis Dombrovskis hatte noch am Morgen gemahnt, es gebe noch eine ganze Reihe offener Fragen, diese würden von den Haushaltsvorgaben bis zur eingeforderten Renten- und Arbeitsmarktreform reichen. Aus der EU-Kommission wurde daher noch nicht bestätigt, dass sich ein Durchbruch abzeichne. Auch der Chefvolkswirt des Internationalen Währungsfonds (IWF), Olivier Blanchard, sagte dem "Handelsblatt", es gebe zwar "ernsthafte" Verhandlungen, "wir sind aber noch nicht am Ziel."

"Verhandlungsprozesse von selbst vereint"

Griechenland und die Gläubiger-Institutionen der EU und des IWF verhandeln seit gut drei Monaten mit Athen über die Konditionen, zu denen der pleitebedrohte Staat ausstehende Kredite in Höhe von 7,2 Milliarden Euro ausgezahlt bekommt. Der Zeitdruck sei "hoch", mahnte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) bei einem Besuch in Lissabon. "Nicht nur jede Woche, sondern jeder Tag ist entscheidend." Im Juni muss Athen in vier Raten knapp 1,6 Milliarden Euro beim IWF begleichen, wofür nach Regierungsangaben nicht genug Geld da ist.

In den kniffligen Gesprächen gehe es aber auch schon um ein weiteres Hilfspaket, weil die 7,2 Milliarden Euro nicht auf Dauer reichen, sagte der griechische Vizeaußenminister und Verhandlungsführer Euclid Tsakalotos der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Und weiter sagte er: "Nahezu von selbst sind nun die beiden Verhandlungsprozesse vereint worden." Dass die 7,2 Milliarden Euro aus dem verlängerten zweiten Programm nicht reichen, um Griechenland auch in den kommenden Jahren über Wasser zu halten, ist seit langem bekannt. Konkrete Verhandlungen darüber wurden bislang aber nicht öffentlich.

Eine Einigung Athens mit den Vertretern der Gläubiger müsste anschließend noch von den Euro-Finanzministern gebilligt werden, bevor tatsächlich Geld überwiesen werden könnte. Sollte dies nicht rechtzeitig gelingen und Griechenland seine Schulden nicht begleichen können, drohen unkalkulierbare Folgen bis hin zu einem Euro-Austritt des Landes.

Athen schuldet Pharmabranche mehr als eine Milliarde

Derweil droht dem Land neues Ungemach: Inzwischen summieren sich die Schulden Griechenlands bei internationalen Pharmakonzernen auf 1,1 Milliarden Euro, wie Richard Bergström, Generaldirektor des europäischen Branchenverbandes EFPIA, Reuters sagte. Die betroffenen Mitgliedsfirmen hätten seit Dezember 2014 kein Geld mehr von dem krisengeschüttelten Euro-Land erhalten.

Krankenhäuser und der staatliche Krankenversicherer Eopyy bezahlten nicht. Für die Pharmakonzerne bedeute dies ein Dilemma. Sie stünden unter dem moralischen Druck, nicht die Lieferungen von lebenswichtigen Medikamenten an die griechische Bevölkerung zu stoppen. Die Unternehmen und EU-Vertreter berieten nun Optionen für den Fall, dass Griechenland pleitegehe oder die Eurozone verlasse.

Ein solcher Schritt könnte die Einfuhr von notwendigen Gütern wie Arzneimitteln unterbrechen. Griechenland importiert fast alle Medikamente. "Wir haben Gespräche in Brüssel mit der Europäischen Kommission aufgenommen", sagte Bergström. "Wir wollen, dass die Kommission weiß, dass unsere Unternehmen langfristig agieren und sich für Griechenland engagieren."

Quelle: ntv.de, jwu/AFP/rts

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