Experte sieht Eigner in Pflicht "Immobilien in Hochwassergebieten verlieren bis zu einem Viertel an Wert"
07.06.2024, 19:05 Uhr Artikel anhören
Bisher liegt der Wertverlust fünf Jahre nach einer Flut noch bei bis zu zehn Prozent - angesichts des Klimawandels könnte dieser Wert steigen.
(Foto: dpa)
Auf die menschlichen Tragödien in den überfluteten Regionen Süddeutschlands folgt ein bedeutender finanzieller Verlust für die betroffenen Anwohner - der Jahre anhält. Welche Rolle dabei der Klimawandel spielt und wie sich vorbeugen lässt, erklärt Steffen Sebastian im Interview mit ntv.de. Der Professor für Immobilienfinanzierung ist überzeugt, dass Immobilienbesitzer selbst das Risiko tragen sollten.
ntv.de: Die Häuser in den süddeutschen Hochwasserregionen verlieren durch die Schäden vor Ort auch deutlich an Wert. Von welcher Größenordnung sprechen wir hier?
Steffen Sebastian: Zum jetzigen Zeitpunkt dürften betroffene Immobilien nahezu unverkäuflich sein. Direkt nach solchen Hochwasserkatastrophen sind Käufer übervorsichtig, was zu sehr hohen Preisabschlägen führt. Betroffene Immobilien haben schätzungsweise ein Fünftel bis zu einem Viertel an Wert verloren.
Die diesmal überschwemmten Gegenden sind im Schnitt wohlhabend, dortige Immobilien vergleichsweise wertvoll. Verlieren solche Häuser und Wohnungen weniger an Wert als etwa die im Ahrtal oder Saarland?
Selbstverständlich. Ein Haus am Flussufer in Regensburg wird immer wieder einen Käufer oder Mieter finden. Aktuell sind unter anderem mittelalterliche Städte betroffen, die regelmäßig überschwemmt werden. Die alten Häuser halten das im Zweifel aus, dann ist zwar die Technik beschädigt, aber nicht die Substanz. Immobilienbesitzer in hochpreisigen Lagen können die Kosten von Hochwasserschäden aber natürlich auch besser stemmen.
Verpufft der Wertverfall nach einer gewissen Zeit wieder?
Ja, der Mensch vergisst irgendwann. Etwa fünf Jahre nach einer Naturkatastrophe betrug der Wertverlust bisher noch bis zu zehn Prozent, nach zehn Jahren war kein Unterschied mehr festzustellen.
Wird sich das angesichts der zunehmenden Naturkatastrophen ändern?
Vielleicht, denn die Hiobsbotschaften aus aller Welt werden immer häufiger und größer, dadurch steigt die Sensibilität für solche Katastrophen. Neben Hochwasser nehmen auch Starkregen und Hagel zu. Am besten sollte auch der Staat dazu beitragen, dass das nicht mehr in Vergessenheit gerät.
Was halten Sie von einer Pflichtversicherung gegen Elementarschäden, wie sie nun viele fordern?
Es ärgert mich, dass zum wiederholten Male alle Steuerzahler für die Fehler einzelner Immobilienbesitzer aufkommen sollen. Politiker haben erneut finanzielle Hilfe in Aussicht gestellt. Gerade kurz vor einer Wahl verteilt die Regierung in der Regel Wahlgeschenke. Richtig wäre aber: Wer in einem Risikogebiet baut, muss selbst die Konsequenzen tragen. Jedes Jahr werden etwa 1000 Häuser in Gebieten mit Überschwemmungsgefahr gebaut. Es ist erschreckend, wie wenig aus der Flutkatastrophe im Ahrtal gelernt wurde.
Steffen Sebastian ist Professor für Immobilienfinanzierung an der Universität Regensburg.
(Foto: Christian Buck)
Sie sind also für eine Pflichtversicherung?
Es ist zwar nur die zweitbeste Wahl, aber wenn der Staat nicht das Rückgrat hat, die Bürger für ihre eigenen Entscheidungen in die Verantwortung zu nehmen, müssen wir über eine Pflichtversicherung wie bei der Krankenversicherung nachdenken. Allerdings nicht für alle Grundstücke, sondern nur für Risikogebiete. In Deutschland liegen sehr gute Daten zu Hochwasserrisiken vor. Wer in solchen Lagen wohnen möchte, sollte selbst das Risiko dafür tragen. Es ist nicht einzusehen, dass alle Steuerzahler dafür aufkommen müssen.
Gilt das nur für Hochwasser?
Das wäre auch für Starkregen und Hagel sinnvoll, auch dazu gibt es gute Risikodaten. Eine Pflichtversicherung passt zwar nicht zum Credo der absoluten Freiheit der FDP, entspräche aber der politischen Realität, weil ansonsten eben immer der Staat einspringt. Allerdings wäre eine solche Pflichtversicherung nur für Betroffene wahrscheinlich teuer. Begehrte Lagen würden dadurch also noch teurer, das entspräche aber dem marktwirtschaftlichen Prinzip. Der Staat müsste dabei nur sicherstellen, dass Versicherer die Pflicht nicht ausnutzen und Möglichkeiten zur Rückversicherung bestehen. Aber wir können Hurrikans und Atomkraftwerke versichern, also können wir natürlich auch Hochwassergebiete versichern.
Hätte eine Pflichtversicherung auch Vorteile für Immobilienbesitzer?
Durch eine Versicherungspflicht würden Immobilienbesitzer zwangsläufig besser vorsorgen. Denn wer zum Beispiel sein Haus gegen Starkregen absichert, erhält einen günstigeren Versicherungstarif. Und Betroffene wären besser über die Konsequenzen von Naturkatastrophen aufgeklärt, zum Beispiel, wie teuer es wird, wenn die Solaranlage auf dem Dach durch starken Hagel zerstört wird.
Auf dem Immobilienmarkt ist schon länger ein teils deutlicher Wertverfall zu beobachten, wird dieser durch den Klimawandel noch verschärft?
Bisher nicht. Wir haben einen fast übertriebenen Anspruch beim energetischen Sanieren entwickelt. Bei Isolierung und Heiztechnik sind Immobilienkäufer und Mieter gewerblicher Immobilien extrem sensibel geworden. Noch wenig Wert wird auf Schutz gegen steigende Sommertemperaturen und zunehmende Extremwetterereignisse wie Überschwemmungen, Hagel und Starkregen gelegt. Da herrscht Nachholbedarf. Hitze etwa haben wir außer Klimaanlagen bisher wenig entgegenzusetzen. Doch die vermiesen die Energiebilanz, denn auch im Sommer kommt ein Teil des Stroms aus fossilen Energieträgern. Und auch Hitze wird zunehmen.
Welche Regionen in Deutschland sind besonders durch die Folgen des Klimawandels gefährdet?
Süddeutschland ist sowohl von Hochwasser als auch Hagel stärker bedroht, denn durch die Gebirgsnähe haben wir auch ein Problem mit Luftfeuchtigkeit. Es gibt wie gesagt sehr gute Daten dazu, die Gefahr ist nur noch nicht im Bewusstsein der Bevölkerung angekommen. Eventuell wäre eine Aufklärungspflicht beim Notar sinnvoll, wenn ein Kaufvertrag unterschrieben wird.
Was raten Sie Immobilienbesitzern und -käufern?
Sich über Naturrisiken in der Lage der Immobilien zu informieren und diese gegebenenfalls zu versichern oder geeignete Schutzmaßnahmen zu treffen. Dabei sollte man sich auch überlegen, was ist, wenn Naturkatastrophen oder sehr heiße Sommer in zehn Jahren noch öfter vorkommen.
Was sind denn geeignete Schutzmaßnahmen?
Man sollte sich klarmachen, was passiert, wenn der eigene Keller überflutet wird, und ob es sich verhindern lässt, zum Beispiel durch eine Fensterabdichtung. Die technische Zentrale zum Beispiel muss nicht im Keller stehen, vielleicht ist sie auf dem Dachboden besser aufgehoben. Besonders, wenn sie kaputt ist, sollte man über einen Standortwechsel nachdenken.
Sie arbeiten an der Universität Regensburg, wie ist die Hochwasserlage vor Ort?
Der Zug, in dem ich gerade sitze, hat hochwasserbedingt, 1,5 Stunden Verspätung. Aber das Wasser geht langsam zurück. Vor allem war Regensburg gut vorbereitet, dadurch wurden größere Schäden verhindert. Hier kommen zum Beispiel mobile Wasserschutzwände zum Einsatz, was vorher trainiert wurde. Denn dabei muss es schnell gehen. Vorsorge kann auch gut von Kommunen organisiert werden.
Wie lange wird es Ihrer Einschätzung nach dauern, bis die Hochwasserschäden in Süddeutschland beseitigt sind?
Es wird noch ein paar Wochen dauern, bis das Ausmaß der Schäden klar ist: was noch trocknet oder nachhaltig beschädigt ist. Die Beseitigung der Schäden wird Monate dauern. Aber es wird nicht so schlimm sein wie etwa im Ahrtal oder nach der Jahrhundertflut an der Elbe 2002, als sich Gerhard Schröder in Gummistiefeln als Krisenkanzler profilieren konnte - kurz vor der Bundestagswahl.
Mit Steffen Sebastian sprach Christina Lohner
Quelle: ntv.de