Rezession bleibt aus Institute erhöhen deutsche BIP-Prognose für 2023
05.04.2023, 10:07 Uhr Artikel anhören
0,3 statt -0,4 Prozent wächst das Bruttoinlandsprodukt Deutschlands laut Prognosen 2023.
(Foto: picture alliance/dpa)
Der starke Rückgang der Energiepreise entlastet die Wirtschaft deutlich - so das Frühjahrsgutachten der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute. Demnach wird das Bruttoinlandsprodukt im laufenden Jahr entgegen den bisherigen Erwartungen sogar steigen.
Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute haben ihre Prognose für das Wirtschaftswachstum in Deutschland im laufenden Jahr aufgrund der fallenden Energiepreise angehoben. Der Höhepunkt der Inflationswelle dürfte nach Ansicht der Experten zwar mittlerweile erreicht sein, die Inflation werde in Deutschland aber im Kern hoch bleiben, schreiben sie in ihrem Frühjahrsgutachten. Daher sollten die Angebotskräfte jetzt gestärkt werden. Wie aus dem Frühjahrsgutachten hervorgeht, erwarten die Institute einen Anstieg des Bruttoinlandsproduktes (BIP) um 0,3 (Herbstgutachten: -0,4) Prozent für das laufende und 1,5 (1,9) Prozent Wachstum für das kommende Jahr.
"Der konjunkturelle Rückschlag im Winterhalbjahr 2022/2023 dürfte glimpflicher ausgefallen sein, als im Herbst befürchtet. Maßgeblich ist ein geringerer Kaufkraftentzug infolge deutlich rückläufiger Energiepreise", sagte IFO-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser.
Inflationsrate sinkt 2024 auf 2,4 Prozent
Dennoch werde die Inflationsrate nur langsam zurückgehen - von 6,9 Prozent im vergangenen Jahr auf 6,0 Prozent in diesem Jahr. Die Ökonomen führen dies auf staatliche Entlastungsmaßnahmen und absehbar hohe Lohnsteigerungen zurück, die die Binnennachfrage stärken und den heimischen Preisauftrieb hochhalten würden. Erst im kommenden Jahr werde auch von dieser Seite der Inflationsdruck nachlassen. Die Teuerungsrate dürfte dann auf 2,4 Prozent fallen.
"Der Höhepunkt der Inflationswelle dürfte mittlerweile erreicht sein, wobei die gemessene Inflation von den staatlichen Preisbremsen für Strom und Gas zunächst gedämpft wird. Ein merklicher Rückgang beim Verbraucherpreisanstieg wird jedoch noch etwas auf sich warten lassen, da der Nachfragesog vorerst kaum nachlassen dürfte", heißt es in dem Gutachten.
Im Verlauf des Jahres dürften die Reallöhne wieder anziehen und der private Konsum im kommenden Jahr wieder positiv zur gesamtwirtschaftlichen Expansion beitragen, so die Ökonomen.
Nur geringer Anstieg der Arbeitslosenzahlen
Die Forscher bewerten die Lage auf dem Arbeitsmarkt insgesamt als positiv, trotz der Schwächephase im Winterhalbjahr. Unternehmen würden aufgrund der sich seit Jahren verschärfenden Arbeitskräfteknappheit an ihrem Personal festhalten. Die Zahl der Arbeitslosen steigt der Prognose zufolge in diesem Jahr vorübergehend von 2,42 auf 2,48 Millionen.
Die Ökonomen führen dies auf die ukrainischen Flüchtlinge zurück, die nicht sofort auf dem Arbeitsmarkt Fuß fassen. Im kommenden Jahr dürfte die Arbeitslosigkeit dann allerdings wieder sinken - auf dann 2,41 Millionen Personen. Die Arbeitslosenquote werde sich von 5,3 Prozent 2022 auf 5,4 Prozent im laufenden Jahr erhöhen und dann wieder auf 5,3 Prozent zurückfallen. Die Zahl der Erwerbstätigen dürfte sich von 45,6 Millionen 2022 auf 45,9 Millionen 2023 und 46,0 Millionen 2024 erhöhen.
Haushaltsdefizit sinkt bis 2024 auf 0,9 Prozent
Für die öffentlichen Haushalte erwarten die Forscher im laufenden Jahr nur eine leichte Verbesserung. Der Staat wird laut Prognose sein Finanzierungsdefizit im laufenden Jahr nur leicht auf 2,2 Prozent in Relation zum nominalen Bruttoinlandsprodukt verringern, nach 2,6 Prozent im Vorjahr, weil die Finanzpolitik zunächst expansiv ausgerichtet bleibt.
"Erst im kommenden Jahr wird der Kurs deutlicher gestrafft", heißt es in der Gemeinschaftsdiagnose der Institute. Das Defizit werde dann 2024 auf 0,9 Prozent sinken. Die Institute erwarten ein Defizit von 90,8 Milliarden Euro in diesem Jahr und 39,9 Milliarden 2024.
Verfügbarkeit von Gas als Risikofaktor
Für ihre Prognose haben die Forscher unterstellt, dass im Laufe des Jahres die Lieferengpässe ebenso wie krankheitsbedingte Arbeitsausfälle nachlassen werden. Auch wird in der vorliegenden Prognose davon ausgegangen, dass es im kommenden Winter zu keiner deutlichen Verschlechterung der Gasversorgungslage kommt, wie es im Gutachten heißt.
Ein Risiko für die konjunkturelle Entwicklung stellt nach Ansicht der Ökonomen aber weiterhin die Verfügbarkeit von Gas im kommenden Winter dar. Zwar sei die Ausgangsposition deutlich günstiger als noch vor Jahresfrist, da die Gasspeicher zu Beginn des Frühjahrs mit über 60 Prozent außergewöhnlich gut gefüllt seien und weitere Terminals für das Anlanden von Flüssiggas errichtet würden. Dennoch zeigten die Simulationen der Institute, dass eine Gasmangellage im kommenden Winter vor allem bei lang anhaltenden niedrigen Temperaturen nicht auszuschließen sei.
Sparverhalten bleibt Unsicherheitsfaktor
Unklar sei zudem, wie die privaten Haushalte auf die hohen Preisanstiege und die damit einhergehenden Kaufkraftverluste reagieren würden. Sollten sie mehr sparen, würde die erwartete Erholung des privaten Konsums auf die lange Bank geschoben, so das Gutachten.
An dem Gemeinschaftsgutachten wirken derzeit die deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute IFO Institut, das Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW Kiel), das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) und das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) mit.
Quelle: ntv.de, Andrea Thomas, DJ