
Christine Lagarde leitet die Zinswende ein.
(Foto: REUTERS)
Mit ihrer Zinserhöhung versucht die Europäische Zentralbank die Rekord-Inflation auszubremsen. Das wird so schnell nicht gelingen. Trotzdem ist der Zinsschritt wichtig - für die Glaubwürdigkeit der Notenbank und für den Euro.
Endlich! Christine Lagarde macht etwas. Monatelang schienen die EZB-Präsidentin und ihr Team in einer Schockstarre zu verharren. Die Inflationsraten in der Euro-Zone schossen nach oben. Aber im Turm der Europäischen Zentralbank herrschte mutloses Zaudern.
Jetzt erhöhen die Notenbanker zum ersten Mal seit elf Jahren den Leitzins - um 50 Basispunkte und damit noch stärker als erwartet. Der Eiertanz ist damit vorbei.
Die Entscheidung kommt zu spät, um eine schnelle und nachhaltige Wirkung zu entfalten. Seit Monaten steigen die Teuerungsraten in Deutschland und Europa. Gewerkschaften sehen darin einen willkommenen Anlass, Kompensationen auszuhandeln. Der Grundstein für die von vielen Experten gefürchtete Lohn-Preis-Spirale, die dafür sorgt, dass sich die Teuerung immer weiter befeuert, ist längst gelegt.
Die aktuell so anschwellende Inflationsrate lassen sich von der Zinsentscheidung ohnehin kaum bremsen. Denn anders als zu früheren Zeiten ist die Teuerung auf die hohen Kosten für Energie zurückzuführen. Die Inflation wird also importiert. Trotzdem ist es wichtig, dass die EZB den Leitzins erhöht. Allein schon um Glaubwürdigkeit zu verteidigen und zu demonstrieren, dass sie die aktuelle Inflationsentwicklung ernst nimmt.
EZB erfindet neues Kriseninstrument
Die EZB will außerdem den schwachen Euro stützen. Weil die US-Notenbank Fed zuletzt den Zinssatz deutlich nach oben schraubte, floss viel Kapital aus dem Euro-Raum in die USA. Das führte dazu, dass der Euro im Vergleich zum Dollar an Wert verlor. Weil Energieimporte in der Regel in Dollar bezahlt werden, machte das den Zukauf von Gas und Öl teurer als er ohnehin schon war. Die Inflation wurde damit weiter angeheizt.
Weil überschuldete Euro-Länder durch die Zinsanhebung unter weiteren Druck geraten dürften, haben sich die Notenbanker ein neues Kriseninstrument ausgedacht. Damit will sich die EZB erlauben, ganz gezielt Anleihen einzelner Länder zu kaufen. Das Ziel: die drohende Zahlungsfähigkeit hoch verschuldeter Mitgliedsstaaten verhindern und vorsorgen, dass die Euro-Zone durch die Entwicklung nicht auseinander bricht.
Diese Taktik ist nachvollziehbar, könnte aber für neue Kritik sorgen. Denn die Notenbank sind zur politischen Unabhängigkeit verpflichtet. Dass die verschiedenen Euro-Länder ihre finanzpolitischen Aufgaben erledigen, ist die Aufgabe der Politik, nicht die der EZB. Die Glaubwürdigkeit der Frankfurter Währungshüter ist nach wie vor in Gefahr.
Quelle: ntv.de