Wirtschaft

"Mythos" oder reale Gefahr? Lohn-Preis-Spirale entzweit die Ökonomen

Die Arbeitgeber warnen vor steigenden Lohnkosten, die etwa das Bauen noch teurer machen würden.

Die Arbeitgeber warnen vor steigenden Lohnkosten, die etwa das Bauen noch teurer machen würden.

(Foto: imago images/McPHOTO)

Mit einer konzertierten Aktion will der Bundeskanzler eine Lohn-Preis-Spirale verhindern. Unter Wirtschaftswissenschaftlern ist die Existenz des Phänomens allerdings umstritten - ebenso wie die vorgeschlagenen Maßnahmen dagegen.

Die Sorge davor, dass steigende Löhne die Inflation weiter anheizen könnten, ist in Deutschland so groß, dass der Bundeskanzler die Tarifparteien zu einem Treffen in seinem Amtssitz geladen hat. Im Rahmen der sogenannten konzertierten Aktion soll nach Wegen gesucht werden, die Belastung durch die steigenden Verbraucherpreise zu lindern, ohne die gefürchtete Lohn-Preis-Spirale in Ganz zu setzen. Während diese Sorge auf höchster politischer Ebene debattiert wird, ist unter Wirtschaftswissenschaftler allerdings umstritten, ob es sich überhaupt um ein reales Phänomen handelt.

Unter anderem das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) warnt vor einer wachsenden Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale. Aktuell sehe er zwar noch kein solches Szenario, sagte dessen Direktor Michael Hüther "T-Online". "Das Risiko dafür steigt jedoch, sobald die Lohnstückkosten spürbar und in der Breite steigen - was mit deutlichen Lohnerhöhungen der Fall wäre."

Der Ökonom appellierte vor der von Bundeskanzler Olaf Scholz für Montag geplanten konzertierten Aktion an Arbeitgeber und Gewerkschaften. "Eine konzertierte Aktion kann eine kluge Lösung sein, um die Tarifpartner auf einen einheitlichen Informationsstand zu bringen und das Verständnis über die jeweiligen Handlungsbedingungen schärfen", sagte Hüther. "Denn Arbeitnehmer und Arbeitgeber tragen über die Lohnpolitik eine große Verantwortung in der aktuellen Situation. Das sollte allen klar werden." Einmalzahlungen, wie Scholz sie jüngst vorgeschlagen hat, hält der Experte "für eine kluge Idee".

"Gesundes Maß an Lohnsteigerungen notwendig"

Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, ist völlig anderer Meinung. Die Lohn-Preis-Spirale sei ein "falscher Mythos", sagte Fratzscher der DPA. Die generelle Lohnentwicklung in diesem Jahr sei eher zu schwach als zu stark. "Je stärker die Kaufkraft schrumpft, desto höher ist auch der Schaden für die Wirtschaft." Eine geringere Kaufkraft bei Menschen mit mittleren und geringen Einkommen führe zu einem Rückgang beim Konsum und damit zu weniger Umsatz und Beschäftigung bei vielen Unternehmen.

Für den Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung, Sebastian Dullien, kommt es auf das richtige Maß von Lohnerhöhungen ab. "Einmalzahlungen statt Lohnerhöhungen halte ich für falsch", sagte er "T-Online". "Ein normales, gesundes Maß an Lohnsteigerungen ist notwendig und sollte entsprechend in den Tariftabellen abgebildet sein." Dullien brachte erneut die Idee eines Gaspreisdeckels ins Spiel. Darüber solle die Politik "ernsthaft nachdenken", sagte er. "Auch das würde die Haushalte in Deutschland entlasten."

Die Inflationsrate ist im Juni auf 7,6 Prozent gefallen, nachdem sie im Mai mit 7,9 Prozent das höchste Niveau seit dem Winter 1973/74 erreicht hatte. Tankrabatt und Neun-Euro-Ticket für den Nahverkehr sorgten dabei für eine Entlastung der inflationsgeplagten Verbraucher. Experten warnen allerdings, dass die Preise im September wieder nach oben springen könnten, wenn die auf drei Monate befristete Maßnahmen der Bundesregierung auslaufen. Bei einer Lohn-Preis-Spirale schaukelt sich die Inflation immer weiter nach oben, wenn Unternehmen gestiegen Lohnkosten an ihre Kunden weiterreichen.

Quelle: ntv.de, mbo/rts/dpa

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen