Bund größter Anteilseigener Lufthansa will Staatshilfen bis zur Wahl tilgen
18.06.2021, 15:42 Uhr
Die Lufthansa hatte in der Krise einen Großteil der Flotte Stillgelegt.
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In der Coronakrise rettet der Bund Deutschlands größte Airline mit Steuergeldern vor der Bruchlandung. Die Rettungsmilliarden will die Lufthansa nach Möglichkeit bis zur Wahl zurückzahlen. Gleichzeitig mahnt sie aber auf einem anderen Feld neue Hilfen an.
Lufthansa-Chef Carsten Spohr hat sich zuversichtlich gezeigt, dass sein Unternehmen bis Ende September die milliardenschwere Staatshilfe der Bundesregierung wieder zurückzahlen wird. Er appellierte zudem an Bundeskanzlerin Angela Merkel, dass der Staat der Luftverkehrsbrache bei der Transformation hin zur Klimaneutralität unterstützte.
"Wir waren eines der ersten Unternehmen, was von der Bundesregierung gerettet wurde. Wir wollen auch eines der ersten Unternehmen sein, das die Rettungsmittel zurückzahlt - hoffentlich noch vor der Bundestagswahl, da sind wir dran", sagte Spohr auf dem zweiten Nationalen Luftfahrtkonferenz im Gespräch mit Merkel. Der Bund ist nach der coronabedingten staatlichen Milliardenhilfe größter Anteilseigner der Lufthansa.
Die Bundesregierung, die neben Krediten und stiller Beteiligung mit der Rettungsaktion zum größten Lufthansa-Aktionär wurde, wolle "möglichst bald" einen Rückzug des Staates, erklärte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer. Die Lufthansa war durch den Einbruch der Passagierflüge in der Corona-Krise in Existenznot geraten und musste mit einem Finanzrahmen von neun Milliarden Euro von Deutschland und den Sitzländern ihrer Tochter-Airlines gestützt werden. Doch die Lufthansa musste seither nicht alle verfügbaren Mittel in Anspruch nehmen und konnte den KfW-Kredit über eine Milliarde schon zurückzahlen, sodass der Konzern dem Staat derzeit rund eine Milliarde Euro schuldet.
Wichtiges Ziel: Transatlantikrouten
Hinzu kommt das 20-prozentige Aktienpaket, dass der staatliche Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) für rund 300 Millionen Euro kaufte. Bei der Schweiz, Österreich und Belgien hat die Lufthansa noch 1,2 Milliarden Euro Schulden. Der MDax-Konzern läutete in dieser Woche die Vorbereitungen zu einer Kapitalerhöhung ein, mit der die Hilfe beglichen werden könnte. Diese soll Insidern zufolge ein Volumen von rund drei Milliarden Euro haben. Sobald die stille Einlage des Staates getilgt ist, kann der WSF das Aktienpaket verkaufen. Dann wäre die Airline auch die Auflagen der EU los: das Verbot, Dividende an Aktionäre zu zahlen, oder Zinsen an Anleihebesitzer oder Bonuszahlungen an Führungskräfte.
Die Lufthansa kann derzeit 30 Prozent der Passagiere im Vergleich zum Vorkrisenjahr 2019 befördern. Für August werden 55 Prozent erwartet, sodass der Jahresschnitt bei 40 Prozent liegen würde. Der wichtigste nächste Schritt für eine Erholung der Lufthansa wäre die vollständige Öffnung der Transatlantikrouten, die vor der Pandemie am meisten Gewinn abwarfen. Deutschland und alle anderen EU-Länder lassen gegen Covid geimpfte Reisende aus den USA demnächst wieder einreisen. Umgekehrt können die Europäer aber noch nicht wieder in die Vereinigten Staaten reisen. Die US-Regierung will in einer Arbeitsgruppe mit der EU einen Plan entwickeln.
Merkel erinnert an Klimaziele
Merkel forderte in ihrer Rede auf der Konferenz mehr Anstrengungen von der Luftfahrtindustrie, um die Transformation hin zur Klimaneutralität zu bewältigen. Deutschland strebe Klimaneutralität bis zum Jahr 2045 an. Dies bedeute, dass die Dekarbonisierung aller Wirtschaftszweige "keinen Aufschwung mehr duldet". Allerdings räumte sie ein, dass noch zu wenig nachhaltiges Kerosin für den deutschen Luftverkehr verfügbar sei. Preise und Mengen ließen noch zu wünschen übrig.
Spohr forderte in diesem Zusammenhang massive staatliche Unterstützung. Nachhaltiges Kerosin koste das Fünffache des herkömmlichen Kraftstoffes. Auch sei es nicht unbegrenzt verfügbar. Synthetische Kraftstoffe, die aus grüner Elektrizität gewonnen würden, seien skalierbar, aber um das Zehnfache teurer.
"Das kann sich keine Airline in Europa leisten, das werden wir nur gemeinsam mit den Staaten schaffen", sagte der Konzernchef. Würden die zusätzlich Kosten nicht ausgeglichen, flögen die "Leute über Istanbul oder Doha, wo natürlich kein synthetischer Kraftstoff verlangt wird. Das ist für die Umwelt schlecht und für uns und unserer Arbeitsplätze sowieso." Wenn der europäische Luftverkehr klimaneutraler werden solle, dann müsse er auch wettbewerbsfähig bleiben.
Quelle: ntv.de, jwu/DJ/rts