
Die KfW gibt grünes Licht für rasche und unkomplizierte Hilfen, auch für kleine und mittlere Unternehmen. Doch die Hausbanken ziehen nicht in jedem Fall mit.
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Damit alle Firmen in der Corona-Krise Finanzhilfen bekommen, übernimmt der Staat die komplette Haftung. Trotzdem lassen manche Banken kleine Kunden hängen. Ihr Geld geben sie lieber Großkonzernen - daran verdienen sie mehr. "Ein Tritt ins Gesicht", findet ein grundsolider Unternehmer.
Als Jörg R. Ende März den Antrag ausfüllt, der über das Schicksal seines Lebenswerks entscheiden könnte, ahnt er schon, dass die Chancen schlecht stehen. R. ist erfolgreicher Unternehmer, baut seit mehr als 20 Jahren Häuser in Thüringen. Von geliehenem Geld hält er nicht viel, Schulden bei der Bank hat er, abgesehen von Leasing-Finanzierungen für seine Firmenautos, nie gemacht: "Ich lasse mich ungern erpressen", sagt R.
All die Jahre ging das gut, doch die Corona-Pandemie lässt R. keine Wahl. "Die laufenden Projekte werden uns noch eine Weile beschäftigen, aber wenn kein Neugeschäft kommt, werde ich wohl in sechs Monaten alle Leute nach Hause schicken müssen", fürchtet der Mittelständler. Um die Firma abzusichern, beantragt R. einen Notkredit der staatlichen Förderbank KfW, 100.000 Euro um notfalls die Gehälter seiner Mitarbeiter und laufende Kosten zu bestreiten. Drei Tage später flattert ihm die Absage ins Haus: "Wir haben Ihre Anfrage im Haus und über unsere Verbundpartner geprüft. Leider können wir Ihrem Antrag nicht entgegentreten", antwortet ihm die Beraterin der VR Bank Weimar lapidar. "Das war natürlich ein Tritt ins Gesicht vom Feinsten", erinnert sich R.
Denn eigentlich ist R.s Firma genau das, was Wirtschaftsminister Peter Altmaier und Finanzminister Olaf Scholz vor dem Corona-Crash retten wollen: ein Mittelständler mit kleinem, aber ansehnlichen Millionenumsatz, der seit Jahren regelmäßig Gewinne schreibt, aus Eigenmitteln finanziert, seit rund 20 Jahren am Markt, ohne Bankschulden, das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Für solch solide Firmen, die die Virus-Krise aus der Bahn zu werfen droht, hat die Bundesregierung ein gigantisches Kreditprogramm aufgelegt.
Auf dem Papier liest es sich gut: Freiberufler und Unternehmen jeder Größe, die länger als fünf Jahre am Markt sind, können sich vom Staat Geld borgen, um das Doppelte ihrer Lohnkosten, ein Viertel ihres Umsatzes oder den Liquiditätsbedarf für die nächsten 18 Monate zu decken. Je nach Firmengröße nimmt der Staat den Banken 80 bis 90 Prozent des Risikos für die Kredite ab. Sie laufen bis zu zehn Jahre, auch bis zu zwei tilgungsfreie Anlaufjahre sind möglich. Bis Ende des Jahres können alle Unternehmen, die wirtschaftlich gesund sind, die staatlichen Vollkasko-Darlehen abrufen. Das Ziel: Jeder, der aus einer Corona-Notlage heraus Geld braucht, soll es bekommen. Das Risiko trägt der Steuerzahler.
Die Banken sollen dabei nur Erfüllungsgehilfen sein, die Kreditanträge für die KfW abwickeln. Viele machen das auch. Mehr als 29 Milliarden Euro hat die KfW inzwischen vergeben, über 18.000 Anträge haben die Banken bewilligt. Aber wie viele sie zugleich ablehnen und aus welchen Gründen, weiß niemand. Die Dunkelziffer ist hoch. Denn eine Berichtspflicht über abgelehnte KfW-Anträge gibt es nicht, die Förderbank erreichen bloß die Erfolgsmeldungen des Kreditprogramms.
Null Risiko für die Bank - und trotzdem eine Absage
R. sagt deshalb: "Das ganze Ding ist eine Show, die die Bundesregierung aufführt." Das Programm sei für kleine Mittelständler wie ihn "ein Marketing-Gag". Nicht nur die VR Bank Weimar, auch die Sparkasse Mittelthüringen erteilte ihm Anfang der Woche eine Abfuhr. Eine Begründung hat sie nie geliefert: "Unsere Prüfung ist abgeschlossen. Wir werden hier keine Kreditmittel ausreichen können", teilte der Sparkassen-Sachbearbeiter R. sehr sachlich ohne weitere Erklärung mit.
Einige Banken scheuen offenbar trotz 90%iger Haftungsübernahme des Staates selbst die Kreditvergabe an grundsolide Mittelständler wie R., weil sie Angst vor Ausfällen haben und die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise unabsehbar sind. R.s Beraterin bei der VR Bank Weimar begründete die Ablehnung per Mail jedenfalls damit, sein Creditreform-Bonitätsindex sei "nicht ausreichend". Dabei bescheinigt die Auskunft R. branchenüberdurchschnittliche Kennzahlen und gute Bonität, Urteil: "Kredite werden nicht abgelehnt." Die VR Bank Weimar tat es trotzdem. Obwohl R. sogar noch anbot, das 10%ige Restrisiko für die Bank zu eliminieren, indem er 10.000 Euro als Pfand in bar hinterlegt.
Nicht nur R. wurde trotz bester Voraussetzungen ausgebremst. "Das ist nicht der Sinn der Übung", wetterte Wirtschaftsminister Altmaier vor wenigen Wochen heftig in der "Bild"-Zeitung gegen diese Verweigerungshaltung. "Es gibt einige, die sagen: 'Wir geben dir keinen Kredit, denn wir wissen ja gar nicht, wie lange du nicht produzieren kannst.' " Dabei sei es doch genau "das Ziel dieses Programms, dass man diese Zeit überbrücken kann". Mitte April hat Altmeier die KfW-Hilfen nachgebessert und den Schnellkredit aus der Taufe gehoben: Bei Firmen mit mehr als zehn Mitarbeitern und einer Kreditsumme von höchstens 800.000 Euro nimmt der Staat den Banken nun sogar komplett jegliche Haftung ab - er trägt 100 Prozent des Kreditrisikos.
Bauunternehmer R. nützte es trotzdem nichts: "Beim Schnellkredit müssen die Banken eigentlich nur den Postboten für die KfW spielen und das Geld durchreichen. Machen sie aber nicht." Am Mittwoch schickte er der VR Bank Weimar seinen Antrag, diesmal über 200.000 Euro. Eigentlich nur ein Formular für ein bedingungsloses Geldgeschenk des Staates an seine Firma, das die Bank übergeben soll. Doch die VR Bank sperrte sich wieder: "Leider können wir Ihrem Antrag nicht entgegentreten. Da die Voraussetzung für das KfW-Darlehen nicht gegeben sind (Verlust im Geschäftsjahr 2018)."
Das ist glatt gelogen: Den Schnellkredit mit 100%iger Absicherung vom Staat sollen laut KfW alle Firmen bekommen, die 2019 oder "in der Summe der Jahre 2017 bis 2019 einen Gewinn erzielt haben". ntv.de liegen die Jahresabschlüsse vor, die R. auch an die Bank geschickt hat. Der geringe Verlust in 2018, der auf Sonderausgaben zurückgeht, wird durch die Gewinne im Jahr zuvor und danach mehr als aufgewogen. Zudem soll die Bank laut KfW-Vorgabe ausdrücklich "keine Risikoprüfung" vornehmen. "Sie sind lediglich dafür da, die Vollständigkeit und Richtigkeit der zugesendeten Unterlagen zu prüfen. Warum weichen Sie von der beschriebenen Vorgehensweise ab?", will R.s Sohn vom Berater der VR Bank Weimar wissen. Eine Antwort hat er bis heute nicht bekommen. Dafür brüstete sich Vorstandschef Martin Wagner noch wenige Tage vorher staatstragend in der "Thüringer Allgemeinen", seine Bank habe in der Corona-Pandemie die Aufgabe, "die Versorgung der Menschen mit Geld und Finanzdienstleistungen sicherzustellen". In der Realität sieht das dann offenbar anders aus.
Für Großkonzerne ist genug Geld da
Warum die VR Bank Weimar ihn gerade dann hängen lässt, wenn er sie am meisten braucht, kann R. nur vermuten. Auf Anfrage von ntv.de teilt sie mit Verweis auf das Bankgeheimnis mit, man könne "generell keine Kommentierung bezüglich einzelner Kundenbeziehungen vornehmen". Liegt es vielleicht daran, dass sie an den Notkrediten für den Mittelstand nicht genug verdient? Für Großkonzerne wie Tui, Adidas und Puma öffnen die Finanzhäuser bereitwilliger ihre Taschen.
Rund zwei Drittel des gesamten Geldes, das die KfW bislang verliehen hat, entfällt auf gerade mal 18 Großkredite von über 100 Millionen Euro. Allein Adidas hat drei Milliarden Euro kassiert, 2,4 Milliarden Euro davon übernimmt die KfW. "Und wir kriegen nicht mal 200.000 Euro, obwohl wir alle Kriterien erfüllen?" empört sich R. "Da wird mir schlecht. Das ist der blanke Hohn und eine Frechheit für jeden, der sich jeden Tag die Hände schmutzig macht."
Anders als die Mini-Liquiditätshilfen für Mittelständler wie R. sind die Corona-Großkredite deutlich lukrativer: Die Banken können die Zinsen frei verhandeln, trotzdem nimmt der Staat ihnen bis zu 80 Prozent des Risikos ab. Die Turbo-Darlehen an kleine Firmen wie die von R. sind dagegen streng normiert. Zwar müssen sie drei Prozent Zinsen zahlen, aber die gehen komplett an die KfW. Schließlich trägt sie ja auch die komplette Haftung. Die Banken werden dabei faktisch zu Außenstellen der Staatsbank degradiert und bekommen für die Abwicklung der Kleinkredite nur eine Bearbeitungsgebühr: 1000 Euro pro Antrag sowie jährlich 0,2 Prozent der ausstehenden Kreditsumme über die gesamte Laufzeit.
Trotz der geringeren Vergütung ist das eigentlich eine staatliche Lizenz zum Gelddrucken, ohne jedes Risiko. Denn für ihre Servicepauschale müssen die Banken kaum mehr tun als ein wenig Papierkram zu erledigen und die Anträge auf Knopfdruck weiterzuleiten. Trotzdem haben manche Institute offenbar einfach keine Lust, sich Kleinkredite aufzuladen, die sie lange verwalten müssen und an denen sie kaum etwas verdienen.
Die KfW kann dagegen nichts machen. Wer Kredit bekommt und wer nicht, ist letztlich Entscheidung der Geldhäuser selbst. "Einen rechtlichen Anspruch auf die Durchleitung eines KfW-Kredits bzw. eine rechtliche Verpflichtung der Hausbanken auf Durchleitung eines Kredits gibt es nicht", teilt die Förderbank auf Anfrage von ntv.de mit. "Vor diesem Hintergrund gibt es aus unserer Sicht keine Grundlage dafür, negative Kreditentscheidungen der Banken systematisch zu prüfen."
Obwohl der Staat dem Mittelstand einen Geldregen versprochen hat, muss Bauunternehmer R. sich also selbst helfen. Die Abfuhr der VR Bank Weimar bleibt für ihn völlig unverständlich: Schließlich haben er, seine Firma und seine gesamte Familie seit Jahrzehnten ihre Konten dort. R. ist seit seinem 14. Lebensjahr Kunde, und schon seine Großmutter ging dort zu frühen DDR-Zeiten ein und aus. Diese lebenslange Beziehung wird nun wahrscheinlich Opfer der Corona-Krise. "Wir werden uns genau überlegen, ob wir uns nicht nach einem neuen Partner umsehen", sagt R. "Wir sind einfach nur maßlos enttäuscht."
Haben auch Sie in der Corona-Krise Schwierigkeiten, einen Kredit oder Förderzuschuss zu bekommen? Dann erzählen Sie uns Ihre Geschichte (leser@ntv.de).
Quelle: ntv.de