Wirtschaft

Prognose mit großen Risiken Ökonomen wecken Hoffnung und Zweifel

Die Konjunkturforscher glauben, dass Deutschlands Wirtschaft schnell wieder Fahrt aufnehmen kann.

Die Konjunkturforscher glauben, dass Deutschlands Wirtschaft schnell wieder Fahrt aufnehmen kann.

(Foto: imago/imagebroker)

Wenn alles gut geht, dann sollte sich die Wirtschaft schnell von der Corona-Krise erholen. Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute machen Hoffnung, dass Pleitewellen und Massenarbeitslosigkeit ausbleiben. Doch die Annahmen für dieses Szenario sind nicht verlässlich.

Der prognostizierte Konjunktureinbruch ist historisch. Allein im zweiten Quartal dieses Jahres, so haben die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute in ihrem Gemeinschaftsgutachten im Auftrag der Bundesregierung errechnet, wird die deutsche Wirtschaft um mehr als zehn Prozent schrumpfen. Einen solchen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) hat es mindestens seit der Nachkriegszeit in Deutschland nie gegeben. Doch so katastrophal die Prognose erscheint, in Wirklichkeit ist sie sogar optimistisch. Die Konjunkturexperten gehen davon aus, dass Deutschland diesen beispiellosen Einschnitt relativ gut verkraften und die Wirtschaftsleistung schon im kommenden Jahr wieder das Vorkrisenniveau erreichen kann.

Das gelte allerdings nur, wenn die der Prognose zugrunde liegenden Annahmen auch zutreffen, wie Timo Wollmershäuser vom Ifo-Institut, das dieses Jahr die Federführung bei dem Gemeinschaftsgutachten hatte, betont. Angesichts des völlig unvorhersehbaren Verlaufs der Pandemie mussten die Forscher dieses Mal viele besonders unsichere Annahmen treffen, um überhaupt eine Prognose errechnen zu können. Das heißt, die gesamte Vorhersage, die unter anderem der Bundesregierung als Grundlage für die Haushaltsplanung und die Steuerschätzungen dienen soll, steht auf extrem wackeligem Fundament. Oder wie die Wirtschaftsexperten es ausdrücken: "Die mit dieser Prognose verbundenen Abwärtsrisiken sind erheblich."

Bei der Vorstellung ihres Gutachtens erklären die Experten immer wieder, was alles eintreten müsste, damit es bei ihrem Szenario eines heftigen, aber relativ kurzen Einbruchs mit einer anschließenden Erholung bleibt. So müsste der Höhepunkt der Pandemie bald überschritten sein. Der "Shutdown", die weitgehenden Beschränkungen für das öffentliche Leben müssten spätestens Ende April weitestgehend aufgehoben werden. Das Virus müsste ab dann mit einem effektiven System aus Tests, Isolation und Nachverfolgung von Infektionswegen in Schach gehalten werden.

Auf Risiken vorbereiten

Neben diesen kaum verlässlichen Voraussagen zum Verhalten des Virus, sind auch die wirtschaftlichen Annahmen der Prognose optimistisch. Die Ökonomen gehen in ihrer Prognose davon aus, dass das Hunderte Milliarden Euro schwere Rettungspaket der Bundesregierung eine Welle von Unternehmenspleiten verhindern wird. Durch die ausgeweitete Kurzarbeiterregelung müsste auch ein Großteil der Arbeitnehmer von der Arbeitslosigkeit verschont bleiben. Insgesamt, so die Hoffnung, bleiben die Strukturen der Wirtschaft weitestgehend intakt, und die Unternehmen können nach der Krise ihre Tätigkeit relativ zügig wieder hochfahren, zumindest in den Bereichen, die keine engen sozialen Kontakte erfordern. Bei der Luftfahrt, dem Tourismus und einigen anderen Branchen wird die Rückkehr zur Normalität deutlich länger dauern.

Auch schwere, lang anhaltende Krisen im Ausland, in das die deutschen Industriebetriebe ihre Exporte liefern, sind in dem Szenario nicht vorgesehen. Schuldenkrisen in den bereits hoch verschuldeten südlichen Euroländern oder Pleitewellen, die die Lieferketten deutscher Unternehmen durcheinanderwirbeln könnten und die wirtschaftliche Erholung bremsen.

Das von den fünf Instituten vorgestellte Szenario ist keineswegs unrealistisch. Die Forscher führen gute Gründe an für ihre Hoffnung, dass Deutschlands Wirtschaft die Krise weitgehend unbeschadet und ohne einen dauerhaften Rückfall in die Arbeitslosigkeit übersteht. Die sogenannten Wirtschaftsweisen hatten eine sogar noch optimistischere Prognose gewagt. Allerdings reicht, dass eine einzelne der teils gewagten Annahmen nicht eintritt, um das gesamte Szenario zum Einsturz zu bringen. Kommt es etwa, wovor viele Wissenschaftler warnen, zu einer zweiten Pandemiewelle, wird ein zweiter Shutdown notwendig und dadurch stehen Industrie und Einzelhandel noch länger still. Dies würde dann die Unternehmen und ihre Wertschöpfungsketten nachhaltig beschädigen. Dann dürfte nicht nur der Einbruch noch tiefer, sondern auch die wirtschaftliche Erholung schwächer ausfallen. Darauf muss sich die Bundesregierung, für deren Planungen das Gutachten gedacht ist, einstellen.

Quelle: ntv.de

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