Wirtschaft

Dickes Geschäft mit Cannabis? "Renditen wie beim Anbau von Tomaten und Gurken"

Viele Unternehmen wollen expandieren und warten auf die Legalisierung in Deutschland.

Viele Unternehmen wollen expandieren und warten auf die Legalisierung in Deutschland.

(Foto: picture alliance/dpa)

Bald könnte Cannabis legal sein - einschließlich eines lizenzierten Anbaus und Verkaufs. Deutsche Anbauer warten seit Jahren, dass es jetzt im großen Stil losgeht. Um mit dem Schwarzmarkt konkurrieren zu können, muss der legale Handel aber einige Kriterien erfüllen, erklärt Ökonom Justus Haucap ntv.de. Außerdem plädiert er für Realismus bei Renditeerwartungen in der Cannabis-Branche.

ntv.de: Deutschland wagt sich langsam an eine Cannabis-Legalisierung, und die Anbauer schauen nervös zu. Welchen Fehler darf die Bundesregierung jetzt nicht machen?

Justus Haucap: Als Erstes sollte man sicherstellen, dass genug Cannabis verfügbar ist - das wären etwa 400 Tonnen pro Jahr. Das ist eine Lehre aus Kanada und Kalifornien, wo man am Anfang zu wenig hatte. Der Schwarzmarkt bleibt dann zwangsläufig erhalten. Das Zweite ist, dass es genügend Verkaufsstellen gibt, die auch gut erreichbar sind. Denn auch sonst sind illegale Angebote gegebenenfalls komfortabler. Drittens darf der Verkaufspreis nicht zu hoch sein - etwa 10 Euro pro Gramm, wie man es auch aktuell anstrebt, sind gut. Nur dann ist der Preis konkurrenzfähig gegenüber dem Schwarzmarkt.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat nun Eckpunkte zur Cannabis-Legalisierung vorgestellt. Wo sehen Sie noch Verbesserungsbedarf?

Es gibt zwei Punkte, die ich momentan für kritisch halte. Das eine ist die Obergrenze des THC-Gehalts von 15 Prozent. Wir wollen ja mit dem Schwarzmarkt mithalten können, um den so schnell und so weit wie möglich zurückdrängen. Da müsste der THC-Gehalt bei mindestens 20 Prozent liegen. Zweitens gibt es möglicherweise Einschränkungen bei der Produktauswahl. Zum Beispiel soll es keine vorgerollten Joints mit Tabak geben, auch wenn es naheliegt, dass einige Konsumenten sich den zu Hause selber drehen würden. Letztlich sollte das Angebot in den Cannabis-Abgabestellen aber möglichst attraktiv sein, um den Schwarzmarkt unattraktiv zu machen. Sonst haben wir am Ende viel Aufwand betrieben, das Ziel aber nicht erreicht.

Deutsche Cannabis-Anbauer stehen in den Startlöchern und produzieren teilweise schon medizinisches Cannabis in kleinem Umfang. Könnten die bei Bedarf die Produktion sofort hochfahren?

Erst einmal ist es nicht so, dass der Bundestag heute ein Gesetz verabschiedet und morgen bauen sie dann lizenziert an. Aus anderen Ländern wissen wir, dass der Aufbau von regulierenden Instanzen, von Anbau und Handel etwa 12 Monate braucht. Gleichzeitig bekomme ich regelmäßig Anrufe von Unternehmen, die wirklich mit den Hufen scharren und bereitstehen.

Für die 400 Tonnen Cannabis jährlich braucht man aber auch tatsächlich gar nicht so viele Erzeuger. Im Moment wird noch ausschließlich indoor unter erhöhten Sicherheitsbedingungen angebaut. Ich verstehe auch die Sicherheitsbedenken, wenn man auf freier Fläche anbaut, weswegen sich konventioneller Gewächshausanbau anbieten könnte. Wir gehen davon aus, dass viele Landwirte und Gärtnereien umstellen von Tomaten, Gurken, Salat auf Cannabis. Das ist gar nicht so schwierig. Landwirte ticken sehr unternehmerisch, und wenn sie eine Möglichkeit für Profit sehen, dann machen die das.

Ist der Hype um das Cannabis-Geschäft in Ihren Augen angemessen oder übertrieben?

Es gibt auf jeden Fall einen Hype. Der ist aber gar nicht Cannabis-spezifisch. Den findet man in allen Branchen, wo eine Liberalisierung stattfindet. Häufig gibt es aber nach relativ kurzer Zeit eine Konsolidierung, weil nicht alle Wettbewerber marktfähig bleiben - das haben wir auch nach der Legalisierung in Kanada gesehen.

Aus Deutschland kennen wir das von der Öffnung für den Fernbusmarkt. Da gab es am Anfang ganz viele Unternehmen und letztlich haben wir fast nur noch einen Anbieter. Beim Cannabis erwarte ich aber nicht so eine Monopolisierung wie bei den Fernbussen. Zum einen, weil das Eckpunktepapier auch den Eigenanbau von zwei Pflanzen pro Person erlaubt und zum anderen, weil es ein anderer Markt ist. Ich brauche nicht viel Kapital und habe auch nicht so große Skalenvorteile, wie man das in der Logistik und im Transportgeschäft hat. Wir werden eher bei einer Marktstruktur ähnlich wie im Gemüseanbau landen. Die Eintrittsbarrieren in den Markt sind niedrig, und die Pflanze ist leicht anzubauen.

Cannabis-Aktien, auch deutsche Unternehmen, haben nach der Ankündigung von Lauterbach kurzfristig einen Kurssprung verzeichnet. Kann das Cannabis-Geschäft auch mittel- und langfristig ökonomisch erfolgreich sein?

Ich denke schon, dass man damit langfristig Geld verdienen kann. Wir reden hier aber von "normalen" Renditen, die sich an denen der Nahrungsmittelindustrie orientieren - wie beim Tomaten- und Gurkenanbau. Superrenditen oder Übergewinne kann man in der Hanfbranche nicht einfahren und auch keine Superstar-Unternehmen damit kreieren. Die bestehenden Anbauer für medizinisches Cannabis haben da auch nur einen kleinen Vorsprung. Aber wenn wir ganz ehrlich sind: Es gibt heute schon viele Deutsche mit Cannabis-Expertise, weil es einen enormen illegalen Anbau gibt. Es ist letztlich eine pflegeleichte Nutzpflanze, die Skalierbarkeit ist überschaubar, und es gibt da auch kein Know-how, das man patentieren kann. Das ist nicht wie in der Pharma-Industrie.

Können steigende Energiepreise zum Problem für Erzeuger werden?

Natürlich. Das macht die ganze Hanfproduktion teurer, insbesondere den Indoor-Anbau. Beim Flächenanbau hätten wir das Problem weniger und bei den Gewächshäusern wären wir irgendwo dazwischen. Das wäre auch ein Grund, mit einer möglichen Besteuerung vorsichtiger ranzugehen, um bei einem Grammpreis von etwa 10 Euro rauszukommen. Das wäre letztlich auch ein Vorteil gegenüber dem Schwarzmarkt, der in hohem Maße indoor anbaut. Der legale Anbau in Gewächshäusern hätte dann relativ gesehen einen Vorteil.

Welches wirtschaftliche Potenzial sehen Sie für Deutschland, sollte es einen etablierten Cannabis-Markt geben?

Wir gehen von einem fiskalischen Betrag von rund 4,7 Milliarden Euro aus, der durch eine Legalisierung von Cannabis realisiert werden kann. Dabei handelt es sich zum einen um Einnahmen durch Steuern und Sozialabgaben von über 3,3 Milliarden Euro. Zum anderen haben wir ein großes Potenzial, bei Polizei und Justiz einzusparen, wenn der Großteil der Cannabis-Delikte nicht mehr geahndet wird - da sprechen wir von geschätzten 1,3 Milliarden Euro Ersparnissen.

Rechnen Sie mit einem schnell florierender Cannabis-Markt?

Ich würde nicht davon ausgehen. Dafür hinkt die Politik ihren Versprechen ein bisschen hinterher. Ich kann mir vorstellen, dass ein Gesetz einen Vorlauf von etwa 12 Monaten beinhaltet, und dann muss es noch durch den Bundesrat gehen. Also halte ich alles vor 2024 für sehr unwahrscheinlich. Die Unternehmen beobachten das mit großen Hoffnungen, und was ich mitbekommen habe, erwarten die ähnlich positive Erfahrungen wie nach der Legalisierung in anderen Ländern. Die Erfahrung mit allen neuen Märkten ist aber: Es wird Unternehmen geben, die sich verkalkulieren, die sich etwas ausdenken, was die Leute nicht haben wollen. Es wird Pleiten geben und Unternehmen, die aufgeben, der Cannabis-Markt ist da keine Ausnahme.

Mit Justus Haucap sprach Martin Schmitz

Quelle: ntv.de

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