Wirtschaft

Aussprache mit Draghi in Washington Schäuble mäßigt Kritik an EZB

Schäuble hatte die EZB unter anderem für den Erfolg der rechten AfD in Deutschland verantwortlich gemacht.

Schäuble hatte die EZB unter anderem für den Erfolg der rechten AfD in Deutschland verantwortlich gemacht.

(Foto: dpa)

Am Rande der IWF-Tagung spricht sich EZB-Chef Draghi mit seinem derzeit schärfsten Kritiker aus: dem deutschen Finanzminister. Auch Bundesbankpräsident Weidmann ist vor Ort und hält Schäuble ein "Grundsatzreferat".

Es gab viel zu bereden für Wolfgang Schäuble und Mario Draghi. Mehrere Stunden verbrachten der Bundesfinanzminister und der EZB-Präsident am Rande der IWF-Frühjahrstagung in einem Washingtoner Restaurant. Es gibt zwar immer wieder mal solche Vier-Augen-Gespräche der beiden Duzfreunde bei einem Glas Rotwein. Doch vor diesem Treffen in der US-Hauptstadt hatte sich einiges angestaut.

Draghi suchte das Gespräch, um über die Attacken aus Deutschland zu reden. "Was ist los bei Euch und warum Du vorneweg", dürfte der Währungshüter den Bundesfinanzminister gefragt haben angesichts des Unmuts über die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Unter den Null- und Negativzinsen leiden nicht nur Banken und Versicherungen in Deutschland, sondern auch Sparer und die Altersvorsorge.

Es sind vor allem Unionspolitiker, die Draghi zum Sündenbock machen und so heftig wie selten zuvor die eigentlich unabhängige Notenbank angreifen. Die Angst ist groß, dass aus Geldanlegern schnell "Wutsparer" werden und von der Niedrigzinspolitik der EZB vor allem die AfD profitiert.

CDU-Mann Schäuble gehört zu diesen öffentlichen Kritikern, und er hatte die Euro-Notenbank sogar direkt für den Aufstieg der AfD mitverantwortlich gemacht. Der deutsche Finanzminister könnte bei dem abendlichen Treffen Draghi in etwa freundlich geantwortet haben, er müsse als Politiker über die Folgen der Politik des billigen Geldes reden können. Die Unabhängigkeit der EZB habe er ja nicht infrage gestellt.

Schäuble stimmt "jedem Komma" Weidmanns zu

In diesem Sinne rechtfertigte sich Schäuble schon ein paar Stunden zuvor - an der Seite von Bundesbank-Präsident Jens Weidmann. Der kritisiert die massiven Ankäufe von Staatsanleihen und mahnt zwar schon länger, dass die Notenbank die Risiken und Nebenwirkungen ihrer ultralockeren Geldpolitik im Auge haben müsse. Doch Weidmann ist es inzwischen spürbar unangenehm, dass nun ausgerechnet aus Deutschland heraus die Unabhängigkeit der EZB infrage gestellt wird.

Der Bundesbank-Chef nutzte daher den gemeinsamen Auftritt mit Schäuble in Washington, um in einem Grundsatzreferat die Unabhängigkeit der EZB ausführlich zu verteidigen. Diese sei ein "hohes Gut", Deutschland habe zurecht dafür gekämpft. Und dies betone ja schließlich auch der Bundesfinanzminister immer wieder. Der versteht die nett verpackte Kritik Weidmanns sehr wohl als kleinen Seitenhieb. Nach den "grundlegenden Bemerkungen" sagt Schäuble ungefragt, er könne jedes Wort und "jedes Komma" unterstützen.

Weidmann wirft daraufhin spitz ein: "Da habe ich gar keine Zweifel." Aber ganz offensichtlich hat er die doch. Anders ist Weidmanns Grundsatzreferat nicht zu erklären. Entscheidungen der EZB seien natürlich nicht sakrosankt und dürften diskutiert werden, betont auch der Bundesbanker. Auch sehe er die Sorgen der Sparer und die Probleme für die Altersvorsorge: "Aber der EZB-Rat muss seine Entscheidungen an den Erfordernissen des gesamten Euro-Raums ausrichten." Bedürfnisse einzelner Länder dürften nicht in den Vordergrund treten, es zählten nicht Wünsche einzelner Gruppen.

Wahlergebnisse nicht "Schuld der EZB"

In Washington will Schäuble nichts mehr davon wissen, zuvor eine Linie von der Niedrigzinspolitik der EZB zum Erstarken der AfD gezogen und quasi der Geldpolitik die Schuld am Erfolg der Rechtspopulisten gegeben zu haben. Er habe nur darauf hingewiesen, dass eine Verunsicherung der Menschen durch Null- oder Negativzinsen sich vielfältig in Wahlergebnissen zeige, verteidigt sich Schäuble. "Das ist nicht die Schuld der EZB." Es sei Folge der Konstruktion der Währungsunion. Man sollte aber auf die Auswirkungen für Deutschland hinweisen dürfen. Dies dürfe nicht verwechselt werden mit Kritik an der EZB oder gar Angriffen auf ihre Unabhängigkeit.

Auch der Bundesbank-Chef räumt ein, die EZB sei nicht sakrosankt und müsse Kritik aushalten können. Aber die Notenbanker dürften sich nicht daran orientieren, welche potenziellen Folgen ihre Entscheidungen für die politische Landschaft haben könnten. "Wo führt das denn hin, wenn Sie das mal zu Ende denken?" warnt Weidmann und wirbt für eine Versachlichung der Debatte: "Auch in Deutschland sind die Bürger ja nicht nur Sparer, sondern auch Steuerzahler, Arbeitnehmer, und manch einer finanziert sogar sein Eigenheim mit einem Kredit." Nicht nur für Weidmann wird der Streit ein wenig zu einseitig geführt. Die ökonomische Debatte sei ein bisschen dünn, moniert so mancher in Washington.

Quelle: ntv.de, André Stahl und Michael Donhauser, dpa

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