Megafusion in der Ölbranche Shell geht auf "Schnäppchen-Jagd"
08.04.2015, 12:44 Uhr
Die Milliarden-Offerte von Shell an die BG Group kommt laut Kennern nicht überraschend: Der Ölpreis liegt am Boden, bereits früher führte dies zu Zusammenschlüssen in der Branche. Ölexperte Eugen Weinberg verrät die Vorteile einer solchen Fusion.
Es ist eine Übernahme von gigantischem Ausmaß: Die Royal Dutch Shell, einer der weltweit größten Ölproduzenten, will die BG Group kaufen. Shell bietet in bar und in eigenen Aktien für den britischen Gaskonzern, der dabei mit 70 Milliarden US-Dollar (rund 65 Milliarden Euro) bewertet wird.
Die Reaktion an den Börsen ist deutlich: Der europäische Branchenindex stieg auf den höchsten Stand seit sechs Jahren. BG-Aktien schossen um mehr als 40 Prozent in die Höhe, Shell-Aktien dagegen gaben in London zeitweise um knapp vier Prozent nach. Shell hatte angekündigt, einen Aufschlag von rund 52 Prozent auf den durchschnittlichen BG-Kurs der vergangenen 90 Handelstage zahlen zu wollen.
Seit dem vergangenen Jahr ist die Aktie von BG um rund 30 Prozent eingebrochen. Zurückzuführen ist der Einbruch vor allem auf den gesunkenen Ölpreis. Im Februar musste BG den Wert der Öl- und Gasassets angesichts des Preisverfalls um knapp 9 Milliarden Dollar abschreiben.
Das Kalkül: "Kosten sparen und Cash anlegen"
Welche Absicht von Shell steht dahinter? Für Eugen Weinberg, Rohstoffexperte bei der Commerzbank, ist die geplante Übernahme ein Zeichen dafür, dass die Ölpreise auch langfristig günstig eingeschätzt werden. "Das letzte Mal, als es in der Branche eine Konsolidierung auf einem solchen Niveau gegeben hat, war in den Jahren 1998 bis 2001, als die Ölpreise auf einem langjährigem Tief lagen", sagte Weinberg n-tv.de auf Anfrage. Damals hatte BP den US-Ölkonzern Amoco übernommen, Exxon und Mobil hatten sich ebenso zusammengeschlossen wie Chevron und Texaco. Auch zuletzt war der Preis für den Rohstoff dramatisch zurückgegangen: Seit Mitte 2014 bis zum Tief Anfang diesen Jahres hatte sich der Ölpreis mehr als halbiert.
Aber auch unabhängig vom Ölpreis sei eine Konsolidierung von Vorteil, meint Analyst Weinberg: Denn Unternehmen könnten dadurch sehr viele Kosten sparen. "Synergieeffekte können auf der Management- und der Explorations-Ebene erzielt werden. Zudem kauft man wahrscheinlich Know-how mit ein", so Weinberg. Die Übernahme sei in gewisser Hinsicht auch eine Schnäppchen-Jagd - wenn man bei 70 Milliarden Dollar von "Schnäppchen" sprechen könne.
Shell selbst rechnet im Zuge der Fusion mit Synergien von jährlich 2,5 Milliarden Dollar vor Steuern. Laut Chairman Jorma Ollila will Shell zudem massiv Geschäftsbereiche verkaufen, in denen auch die BG Group tätig ist. In den Jahren 2016 bis 2018 sollen Assets im Wert von 30 Milliarden Dollar veräußert werden.
Aber es gibt laut Weinberg auch einen weiteren Vorteil von derartigen Übernahmen: "Man hat als Konzern dadurch eine Verwendung für die gigantischen Cash-Reserven, die über die Jahre angehäuft wurden."
Experte bezweifelt Übernahme-Welle
Eine größere Übernahmewelle unter den Großen der Ölförderindustrie erwarten Beobachter mit der Offerte für BG nicht. "Die letzte große Konsolidierungsrunde ist rund 15 Jahre her und wettbewerbsrechtliche Vorgaben werden das Zusammengehen großer Konzerne verhindern", sagte Analyst Marc Henderson von Westhouse Bulletin. Notwendig sei eine Konsolidierung aber bei den kleinen und mittleren Anbietern, vor allem im Geschäftsfeld Erschließung und Förderung.
Sollte die Transaktion zwischen Shell und BG Group gelingen, wäre es die bisher größte Übernahme des Jahres. Im ersten Quartal gab es im Bereich Öl und Gas Übernahmen im Umfang von lediglich 19,1 Milliarden Dollar. Dafür war die Fusions- und Akquisitions-Aktivität insgesamt sehr hoch. Sie stieg in den drei Monaten um 24 Prozent auf 874,1 Milliarden Dollar. Der bisher größte Deal ist der Kauf von Kraft Foods durch Berkshire Hathaway und 3G Capital Partners für insgesamt über 50 Milliarden Dollar.
Quelle: ntv.de, mit DJ, rts