Sorge vor Fehleinschätzung zu Athen USA nehmen Europa und IWF in die Pflicht
27.05.2015, 17:25 Uhr
Alle sollen helfen - Athen fordert Geld von allen Einrichtungen.
(Foto: REUTERS)
Die Zeit drängt - mal wieder und immer noch: Mahnende Worte kommen aus den USA. Man möge mit Athen flexibel umgehen. Machen wir doch, heißt es aus Berlin. Und so geht die Suche nach einem Kompromiss weiter. Athen kratzt die letzten Euro zusammen.
Die USA drängen Europa und den IWF zu mehr Flexibilität im Umgang mit den reformmüden Griechen. US-Finanzminister Jack Lew warnte vor dem G7-Finanzministertreffen, es im Schuldenstreit mit der neuen Regierung in Athen auf einen Kollaps ankommen zu lassen. Auch aus Sicht von Ökonomen birgt ein solches Szenario unkalkulierbare Risiken. Derweil kratzt die Athener Regierung aus allen Ecken geld zusammen, um die anstehende Rate an den Internationalen Währungsfonds (IWF) begleichen zu können.
Finanzminister Wolfgang Schäuble sieht die Verantwortung für die Misere vor allem bei den Griechen selbst. "Die deutsche Bundesregierung ist nicht an allem schuld", sagte er. "In den meisten anderen Mitgliedsstaaten geht es wegen der niedrigen Ölpreise und der Abwertung des Euro aufwärts. In Griechenland aber nicht", sagte der CDU-Politiker der "Zeit".
Metzler: Grexit ist Kopfsprung in unbekanntes Gewässer
Das Finanzministerium wies Lews Kritik zurück. "Ich denke, wir können mit Fug und Recht von uns behaupten, dass wir in dem bisherigen Prozess ein Höchstmaß an Flexibilität gezeigt haben", sagte ein Ressortsprecher. Zuvor hatte Lew in London gesagt, die Europäer und der IWF müssten beweglich genug sein, um eine Eskalation zu verhindern. Seine größte Sorge sei, dass es zu Fehleinschätzungen der Folgen komme.
Ebenfalls mit großer Sorge verfolgt die Privatbank Metzler verfolgt die Debatte über eine "geordnete" Pleite und ein Auseinanderbrechen der Euro-Zone ("Grexit"). Metzler-Partner Michael Klaus verglich dieses Szenario mit einem Kopfsprung in unbekannte Gewässer, der böse ausgehen könne. Die Gelassenheit an den Märkten sei überraschend.
Unterdessen sieht IWF-Chefvolkswirt Olivier Blanchard den Euroraum für einen Austritt Griechenlands gerüstet. "Wir haben untersucht, was passieren könnte, wenn die Krise auf andere Länder übergreift. Die EZB hat die Mittel, um das in den Griff zu kriegen", sagte Blanchard dem "Handelsblatt". Mit Blick auf die Risiken eines Grexit sagte, der IWF hoffe, "dass es nicht dazu kommt. Falls doch, bin ich überzeugt, dass der Euro das überleben wird." Viele Gefahren, die früher sehr relevant waren, seien heute weniger bedeutend. Die Zentralbank hatte mit ihrem SMP-Programm schon einmal Euro-Länder gerettet, die unter Feuer der Spekulanten gekommen waren.
Wie knapp die verbleibende Zeit sei, machte einmal mehr Bundesaußenminister Frank-Walter deutlich. "Wir verhandeln mit hohem Zeitdruck, weil wir ein Ergebnis zustande bringen müssen, bevor in Griechenland die Liquidität ausläuft." Mittlerweile sei "jeder Tag entscheidend". Deutschland sei dafür, dass Griechenland in der Eurozone bleibe. "Wir haben ein Interesse an einer Lösung des Konflikts. Aber wir können ihn nicht lösen ohne Griechenland."
Griechen räumen weiter ihre Konten
Derweil ziehen wegen der drohenden Pleite die Griechen verstärkt Geld von ihren Konten ab. Insidern zufolge waren es im April 5 Milliarden Euro nach 1,9 Milliarden im März. In den vergangenen sechs Monaten summierte sich das transferierte Geld auf etwa 35 Milliarden Euro. Einen Großteil vermuten Experten daheim in Truhen und unter Kopfkissen.
Formal muss das Land bis zum 5. Juni beim IWF eine Schuldentranche von etwa 300 Millionen Euro begleichen. In ihrer Not kratzt die Regierung die letzten Mittel zusammen. Staatliche Betriebe und öffentliche Institutionen sollen ihre Geldreserven an die Zentralbank überweisen. Betroffen sind mehr als 1000 Einrichtungen wie Museen, archäologische Stätten oder TÜV-Stellen. "Es geht sogar um Beträge unter 100 Euro, die staatliche Unternehmen irgendwo vergessen haben", sagte ein Mitarbeiter einer griechischen Bank.
Keine Kredite - kaum Verträge - keine Planung
Finanzminister Yanis Varoufakis will zudem Inhaber von Schwarzgeldkonten mit einem Strafnachlass locken. "Wenn dieser Plan in die Tat umgesetzt wird, werden Schwarzgelder im Inland doppelt so hoch besteuert wie die auf Auslandskonten", gab die Zeitung "Ta Nea" zu bedenken.
Das anhaltende Durcheinander in Griechenland lähmt zudem die ohnehin krisengeschüttelte Wirtschaft des Landes: Banken geben kaum noch Kredite, weil sie nicht wissen, ob sie das Geld je zurückerhalten werden. Geschäfte werden nur noch abgewickelt, wenn die Bezahlung klar geregelt ist. Auch der Tourismus - die wichtigste Säule der griechischen Wirtschaft - ist betroffen. Hotelbesitzer etwa können ihre Preise für das kommende Jahr nicht kalkulieren, weil unklar ist, wie hoch die Mehrwertsteuer sein wird. In der Folge werden keine Verträge geschlossen.
Die Finanzminister und Notenbankchefs der sieben führenden Industrienationen (G7) beraten ab morgen in Dresden über die Lage der Weltwirtschaft. Griechenland steht zwar nicht auf der Tagesordnung, dürfte aber am Rande ein wichtiges Gesprächsthema sein.
Quelle: ntv.de, jwu/rts/DJ/dpa