Ernte weit hinter Erwartungen "Vielen Ackerbauern geht das Geld aus"
19.08.2016, 14:38 Uhr
Dauerregen hat der Ernte in diesem Jahr stark zugesetzt.
(Foto: picture alliance / dpa)
Zu viel Regen, zu wenig Sonne - die Getreideernte ist in diesem Jahr enttäuschend ausgefallen. Zudem sind die Preise im Keller. Viele Landwirte kämpfen um ihre Existenz.
Die Getreide- und Rapsernte fällt in diesem Jahr so schlecht aus wie schon lange nicht mehr. Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverband (DBV) spricht von einer "Nervenprobe" und "Zitterpartie". Nach 30 Jahren Erfahrung in der Landwirtschaft hätte er sich nicht vorstellen können, "dass es so gravierende Ausfälle geben könnte". "Das wird das schwerste Jahr für die deutsche Landwirtschaft", ergänzte Vizepräsident Wolfgang Vogel bei der Vorstellung der Jahresbilanz in Berlin. Für die Landwirte spitzt sich die wirtschaftliche Lage durch die unterdurchschnittlichen Erträge weiter zu. Sie stehen durch die niedrigen Weltmarktpreise und die Russland-Sanktionen schon länger unter Druck.
Grund für die enttäuschende Ernte in diesem Jahr ist das unbeständige Wetter. Eigentlich sei man optimistisch gestartet, sagte Rukwied. Bis zum Frühjahr hätten die Bauern eine überdurchschnittliche Ernte erwartet, doch ab Ende Mai hätte ein Tiefdruckgebiet das andere abgelöst. "Es hat so viel geregnet, dass das Fass übergelaufen ist", so der DBV Präsident weiter. Dadurch habe die für die Pflanzen so wichtige Sonneneinstrahlung gefehlt. Durch den Klimawandel gebe es immer häufiger Ernteausfälle durch Wetterextreme.
Wegen des Wetters konnte die Getreideernte bisher auch noch nicht vollständig eingefahren werden. Deshalb kann der Deutsche Bauernverband seine Bilanz nur schätzen. Bei Getreide zeichnet sich ein Minus von elf Prozent auf 43,5 Millionen Tonnen ab. Bei Raps liegt die Menge mit 4,5 Millionen Tonnen wohl ebenfalls um elf Prozent unter dem Vorjahresniveau. Deutschlandweit gebe es allerdings durch die unterschiedlichen Wetterverhältnisse Ertragsunterschiede von 50 Prozent bis 60 Prozent, so Rukwied weiter.
Landwirte kämpfen ums Überleben
Sorge bereitet dem Deutschen Bauernverband auch die Qualität der Ernte. Die Böden seien verschlammt. Die Wurzelsysteme konnten sich nicht voll entwickeln, deshalb hat das Getreide nicht genug Nährstoffe aufnehmen können. Dafür gebe es wegen dem Regen mehr Schädlinge und Krankheiten. "Dass wir überhaupt etwas ernten können, liegt vor allem an den Pflanzenschutzmitteln, ob im öko- oder konventionellen Anbau", betonte Rukwied. Falls die Qualität für Brotmehl nicht reicht, könne die Ernte nur als preiswerter Futterweizen verkauft werden.
"Das wäre alles noch erträglich, wenn die Preise steigen würden, aber das ist leider nicht der Fall", sagte der Verbandspräsident. Im Unterschied zu Deutschland gebe es auf dem weltweiten Markt eine gute Versorgungslage. Russland habe eine Rekordernte eingefahren und auch in den USA werde mit guten Erträgen gerechnet. Für die Landwirte ist die Lage existenzbedrohend: "Geringere Erntemenge multipliziert mit einem geringeren Preis gibt ein noch geringeres Ergebnis. Vielen Ackerbauern geht das Geld jetzt auch aus. Sie reihen sich bei den Milchbauern und Schweinebauern ein", sagte Rukwied.
Gerade die Milchkrise ist noch lange nicht zu Ende. Die Preise sind im Keller, zwischen 20 Cent und 26 Cent kostet ein Liter Milch zurzeit. Die Bauern wiederum bekommen davon nur einen Bruchteil und können ihre Kosten nicht decken. Erforderlich wären mindestens 35 Cent pro Liter. Rukwied fordert daher Unterstützung von der Politik und zwar als Sofortmaßnahme. Es helfe den Bauern nichts, wenn sie im Herbst 2017 Unterstützung bekämen. "Dann hat der ein oder andere schon längst die Milchproduktion mangels Liquidität aufgeben müssen."
Politik verspricht Millionenhilfen
Immer mehr Betriebe befinden sich in prekären Lagen. Doch da es sich vor allem um Familienbetriebe handelt, die von Generation zu Generation weitergegeben werden, denken viele Landwirte nicht ans Aufhören, so Rukwied. Notwendige Investitionen würden erstmal zurück gestellt, die Bauern würden an allem sparen, besonders an sich selbst. "Da tritt man dann kürzer, um durch die Durststrecke zu kommen", sagte der Verbandspräsident. Gerade der Verbraucher müsse wieder ein Verständnis für Preise bekommen. Qualität müsse ihren Preis haben, auch um das Tierwohl zu garantieren.
Auf Bundes- und EU-Ebene sind bisher drei Maßnahmen geplant, um die Landwirte zu unterstützen. Zum einen wird die Europäische Union Deutschland 58 Millionen Euro Hilfsgelder zur Verfügung stellen, zum anderen wird die Bundesregierung diese Summe auf 116 Millionen Euro verdoppeln. Zum dritten soll Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) dem Deutschen Bauernverband zugesichert haben, dass es weitere Hilfen geben soll. Der Plan sei es, dass der Bund weitere 60 Millionen Euro zur Verfügung stelle, allerdings unter dem Vorbehalt dass dann auch die Bundesländer 40 Millionen Euro zusätzlich zahlen sollen. Rukwied macht besonders eins klar - dass die Gelder schnell fließen müssen. Allein verbale Solidaritätsbekundungen würden nicht helfen.
Quelle: ntv.de