Wirtschaft

Zurück in die 1950er-Jahre Was den Tradwife-Trend so gefährlich macht

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Tradwives stellen das Wohl der Familie über die eigenen beruflichen Ambitionen und geben ihre Unabhängigkeit auf.

Tradwives stellen das Wohl der Familie über die eigenen beruflichen Ambitionen und geben ihre Unabhängigkeit auf.

(Foto: picture-alliance / akg-images)

Sie sind stets perfekt gestylt, haben immer ein Lächeln auf den Lippen und scheinen den Haushalt und die Kinderbetreuung mühelos zu meistern: Sogenannte Tradwives propagieren auf Social Media das Bild einer fürsorglichen Hausfrau und Mutter. Doch der Schein trügt.

Sie haben sich bewusst für eine traditionelle Rollenverteilung entschieden und propagieren auf Social Media das Bild einer fürsorglichen Hausfrau und Mutter: sogenannte Tradwives. Das Wort setzt sich aus den englischen Wörtern "traditional" und "wives" zusammen, traditionelle Ehefrauen. Sie eint nicht nur eine bestimmte Ästhetik, die an die 1950er-Jahre erinnert. Bei ihnen sieht es auch so aus, als gingen Kinderbetreuung und Haushalt besonders leicht von der Hand. Nicht zu vergessen: Sie sind dabei immer tadellos angezogen und zurechtgemacht.

Der Tradwife-Lifestyle hat sich nicht zuletzt durch US-amerikanische Influencerinnen wie Nara Smith, Estee Williams und Ballerinafarm (mit bürgerlichem Namen Hanna Neeleman) schnell verbreitet. In einem Tiktok-Video mit weit über einer Million Aufrufe erklärt die US-Amerikanerin Williams, was es mit dem Trend genau auf sich hat: "Wir glauben, dass unser Platz, unsere Aufgabe darin besteht, Hausfrauen zu sein", sagt sie. Es bedeute nicht, dass man versuche, den Frauen das wegzunehmen, wofür sie gekämpft haben. "Tradwives glauben aber, dass sie sich ihren Ehemännern unterordnen und ihnen und der Familie dienen sollten", sagt sie. "

Tradwives stellen also das Wohl der Familie über die eigenen beruflichen Ambitionen und geben ihre Unabhängigkeit auf. "Frauen haben jahrelang für ihre Rechte und Gleichberechtigung gekämpft - für Equal Pay und faire Verteilung der Care-Arbeit. Und jetzt erleben wir einen Trend, der uns wieder zurück in die 50er-Jahre schickt", sagt Finanzexpertin Anne Connelly im Gespräch mit ntv.de.

Entscheidung hat finanzielle Konsequenzen

Damals durften Frauen nicht ohne die Erlaubnis ihrer Männer arbeiten gehen oder ein eigenes Konto eröffnen. Der Tradwife-Trend steht für eine Rückkehr zu klaren Rollenbildern und einer Romantisierung der Vergangenheit. "Das hat für viele eine Anziehungskraft. Ich verstehe die Sehnsucht nach einem trauten Heim. Gerade in Zeiten großer sozialer und wirtschaftlicher Unsicherheiten wie heute", sagt Connelly. Der Tradwife-Trend sei allerdings trügerisch. "Worüber in diesen Videos nicht gesprochen wird, ist Geld", warnt Connelly. Für sie spricht erst mal nichts dagegen, die Karriere für die Familie hintanzustellen. Frauen müssten sich aber darüber im Klaren sein, welche finanziellen Konsequenzen diese Entscheidung hat.

"Frauen konnten es sich früher im wahrsten Sinne des Wortes noch leisten, sich für einen Tradwife-Lifestyle zu entscheiden", sagt Connelly. In den 1950er-Jahren waren sie nämlich auch im Falle einer Scheidung oder eines Todesfalls durch einen nachehelichen Unterhalt bis zum Lebensende oder eine großzügige Witwenrente abgesichert. Das ist heute anders. Connelly rät Frauen deshalb, mit ihren Partnern darüber zu sprechen, wie eine finanzielle Entschädigung aussehen könnte.

Möglichkeiten hier sind zum Beispiel ein Ehevertrag oder eine Ausgleichszahlung für die Rente. So könnte etwa ein ETF- oder Fondssparplan im Namen der Frau eröffnet werden, der monatlich bespart wird. "Den auch im Falle einer Trennung weiter zu besparen, kann auch in einem Ehevertrag festgehalten werden", sagt Connelly. Außerdem sollte dringend geregelt werden, wie gemeinsames Vermögen verteilt wird. Noch viel mehr gelte das alles für unverheiratete Frauen, die sich auf dieses Modell einlassen.

Unabhängig davon kann sich das Ernährer-Modell aus den 50er-Jahren heutzutage kaum noch jemand leisten. Ein Tradwife-Lifestyle ist Luxus. Es setzt voraus, dass der Mann so viel verdient, dass er die Familie allein ernähren kann. "Das ist heutzutage in dem inflationären Umfeld, in dem wir leben, nur in den wenigsten Partnerschaften möglich", sagt Connelly. Wer sich den Luxus hingegen leisten kann, ist Neeleman. Ihr Mann ist schließlich der Sohn eines Multimillionärs.

Viele Tradwives sind gar keine traditionellen Hausfrauen

Und auch die Frauen, die auf Social Media den Eindruck vermitteln, gar keiner Erwerbsarbeit nachzugehen, machen eigentlich genau das: Denn mit den viralen Videos, in denen gekocht oder gebacken wird, lässt sich gutes Geld verdienen. In einem Beitrag für das US-amerikanische Institue for Family Studies schreibt Expertin Ashley McGuire: Tradwives sind keine traditionellen Hausfrauen. "Sie sind Influencerinnen in den sozialen Medien und verdienen Geld mit ihren Inhalten. Sie haben ihr häusliches Leben monetarisiert, was ihr gutes Recht ist, aber das macht sie der Definition nach zu Erwerbstätigen." Ihre Arbeit erfordere Kinderbetreuung und eine Filmausrüstung, um ihr Zuhause in ein Studio zu verwandeln.

Das Markenzeichen von Smith sind etwa ihre Kochvideos, in denen sie alle möglichen Lebensmittel von Grund auf selbst herstellt. In ihrer stets aufgeräumten Küche entstehen so unter anderem Cornflakes, Cola und sogar Kaugummis. Ihre Videos werden teilweise millionenfach geklickt. Wie viel Geld Smith damit verdient, lässt sich nur erahnen. Für Videos, die länger als eine Minute sind, zahlt Tiktok Berichten zufolge im Rahmen seines Creator Rewards Program etwa 0,50 bis 1 US-Dollar pro 1000 Aufrufe. Allein im März dieses Jahres könnte Smith Schätzungen zufolge 200.000 Dollar verdient haben - und in dieser Berechnung sind gesponserte Posts noch nicht berücksichtigt.

Viele Tradwives sind demnach alles andere als traditionelle Hausfrauen. Laut McGuire sind sie vielmehr berufstätige Mütter, die nicht die Realität abbilden. McGuire attestiert dem Social-Media-Trend darüber hinaus: Er ist darauf ausgelegt, Neid, Scham und ein Gefühl des Versagens bei den Zuschauern hervorzurufen, die sich mit dem vergleichen, was sie sehen.

Quelle: ntv.de

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