Revolution im Büro Wie der Kugelschreiber die Welt eroberte
10.06.2018, 13:40 Uhr
Auch nach 80 Jahren sind Kugelschreiber immer noch sehr beliebt: Jeder Deutsche besitzt im Schnitt 13 davon.
(Foto: imago/Photocase)
Vor 80 Jahren inspirieren mit Murmeln spielende Kinder den Erfinder Lászlo Bíro zur Konstruktion des Kugelschreibers. Heute sind die praktischen Stifte von keinem Schreibtisch mehr wegzudenken - auch wenn sie nicht immer den besten Ruf haben.
Kinder beim Murmelspiel sollen die Idee gebracht haben: Rollt die Murmel durch eine Pfütze, hinterlässt sie danach eine feuchte Spur. Als der Ungar Lászlo Bíró das sieht, hat er die Lösung. Vor 80 Jahren lässt sich der Erfinder seinen ersten Kugelschreiber in Argentinien patentieren: schreibt leicht, kleckst nicht und lässt die Tinte im Tank nicht trocknen.
Der Kuli beginnt seinen Siegeszug um die Welt. Schreibtische ohne Kuli sind heute kaum vorstellbar - trotz Computern, Digitalisierung und des Traums vom papierlosen Büro. 439 Millionen Euro gaben die Deutschen nach einem Branchenreport der Kölner Markforscher Marketmedia24 vergangenes Jahr für Kugelschreiber aus, knapp ein Siebtel mehr als fünf Jahre zuvor.
Allein als Werbeartikel kommen Jahr für Jahr Millionen Exemplare unters Volk. "Der Kugelschreiber ist für uns immens wichtig", heißt es beim Gesamtverband der Werbeartikel-Wirtschaft. Ob Konzern oder Kneipe, Fahrschule, Disco oder Partei - zahllose Institutionen bedrucken Kugelschreiber, um bei Kunden, Partnern und Anhängern im Gedächtnis zu bleiben. "Anders als ein Hörfunk- oder TV-Spot haben sie die Werbebotschaft immer beim Nutzer präsent", sagt Verbandsgeschäftsführer Ralf Samuel.
Die Fachmesse PSI rückt vor der WM in Russland Kulis mit Fußball am Clip in den Blickpunkt. Man kann mehrere tausend Euro für einen Kuli ausgeben, das Gros ist aber sehr günstig. Werbekulis beginnen bei etwa 10 Cent. Dagegen waren die Stifte anfangs echte Luxusartikel: Als ein New Yorker Kaufhaus 1945 die ersten Kugelschreiber in die Auslage brachte, kosteten sie 12,30 Dollar. Dafür musste ein Industriearbeiter acht Stunden arbeiten.
Schreibgerätemarkt wächst konstant
Der Kuli war eine kleine Errungenschaft. Über Jahrzehnte hatten immer wieder Tüftler an Füller-Alternativen gearbeitet, die nicht klecksen und austrocknen - meist mit mäßigem Erfolg. Anders als Bíró (1899-1985). Er erhielt zunächst ein Patent in Ungarn, die Flucht vor den Nazis führte ihn aber nach Buenos Aires, wo er mit seinem Bruder Georg eine Schreibgerätefirma gründete.

Trotz der voranschreitenden Digitalisierung schreiben laut einer Umfrage noch knapp 80 Prozent der Deutschen mehrmals täglich mit der Hand.
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Ob der Kuli die Handschrift versaut, wie viele meinen, bleibt wohl ewig umstritten. In vielen Klassenzimmern ist er tabu. Doch die meisten Erwachsenen schreiben nach Umfragen hauptsächlich mit dem Kuli. Es gibt sie in unzähligen Farben und Größen. Sammler hüten Zehntausende Exemplare in Schuhkartons und Vitrinen. Allein der hessische Hersteller Senator fertigt nach eigenen Angaben täglich eine Million Kugelschreiber, auch andere Produzenten wie Klio-Eterna und Schneider (Baden-Württemberg), Pelikan (Berlin) und Staedtler (Bayern) produzieren in Deutschland.
Zwar tippen heute schnelle Finger Millionen von Nachrichten und Posts in Handys, vom Kalender bis zum Einkaufszettel lässt sich immer mehr digital festhalten. Dennoch schreiben noch knapp 80 Prozent der Deutschen mehrmals täglich mit der Hand, verweist der fränkische Hersteller Stabilo zuversichtlich auf eine eigene Umfrage.
Der Schreibgerätemarkt wächst langsam, aber konstant, wie aus dem Geschäftsbericht des Handelsverbands Büro und Schreibkultur hervorgeht. "Maßgeblich positiv beeinflusst wird die Branchenentwicklung durch die günstigen Arbeitsmarktdaten, die steigende Anzahl an Büroarbeitsplätzen sowie den Anstieg der Schülerzahlen."
Begehrt und billig
Der Kuli wandelt sich. Es gibt ihn mit eingebautem USB-Stick und inzwischen auch als digitales Gerät. Die Smartpens speichern die Notizen, damit der Schreiber sie später auf den Computer übertragen kann. Wie bei der Spracherkennung lernt die Software, die Handschrift nach und nach besser zu entziffern – das klappt jedoch nur, wenn man halbwegs ordentlich schreibt.
Verbraucherschützer raten zu Schreibgeräten mit Blauem Engel und zu nachfüllbaren Kugelschreibern, denn der Plastikmüllberg wächst. Es gibt Stifte aus Bio-Kunststoffen etwa auf Cellulose- oder Maisstärke-Basis, die sich recyceln lassen - sofern man sie richtig entsorgt. Anbieter werben auch mit Stiften, für die das Kohlendioxid an anderer Stelle kompensiert wird.
Obwohl viele Kulis sehr billig sind, sind sie begehrt. Vor Jahren fragte die GfK repräsentativ, wer schon mal etwas im Büro mitgehen ließ. Jeder fünfte Befragte gab es zu. Und zu den Arbeitsmitteln, die am häufigsten in den Taschen der Mitarbeiter verschwanden, zählte der Kugelschreiber.
Quelle: ntv.de, Burkhard Fraune, dpa