Wirtschaft

Saudis drohen mit Förderkürzung Wird Öl im Gaza-Krieg zur Waffe?

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Den Ruf aus Teheran nach einem islamischen Ölembargo gegen Israel hat Saudi-Arabien ignoriert. Aber hinter den Kulissen ist die Wut allgegenwärtig.

Den Ruf aus Teheran nach einem islamischen Ölembargo gegen Israel hat Saudi-Arabien ignoriert. Aber hinter den Kulissen ist die Wut allgegenwärtig.

(Foto: picture alliance / Zoonar)

Ein Hauch von Ölkrise liegt in der Luft: Sollte der Konflikt zwischen Israel und der Hamas eskalieren, drohen die höchsten Preise aller Zeiten. Die OPEC-Staaten setzen das schwarze Gold bereits subtil als Druckmittel ein. Erinnerungen an 1973 werden wach.

Wenn sich die Mitglieder der Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) am Sonntag treffen, um über die Fördermenge des Kartells zu beraten, dürfte der Rest der Welt noch gebannter nach Wien schauen als sonst. Denn seit dem letzten OPEC-Treffen im Juni hat sich Einiges geändert: Nicht mehr nur Russland führt in der Ukraine Krieg. Inzwischen ist auch Israel in Reaktion auf den brutalen Terroranschlag der Hamas in den Gazastreifen einmarschiert. Und der Konflikt im Nahen Osten könnte den globalen Ölmarkt noch viel mehr durcheinanderwirbeln als Putins Überfall in Osteuropa.

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Laut einem Bericht der "Financial Times" (FT) bereitet sich das größte Förderland Saudi-Arabien darauf vor, im Sommer beschlossene vorübergehende Produktionskürzungen ins kommende Jahr zu verlängern. Es sei sehr wahrscheinlich, dass die freiwillige Drosselung um täglich etwa eine Million Barrel bis mindestens bis zum Frühjahr verlängert werde, berichtet das Blatt unter Berufung auf mehrere mit den Überlegungen der saudischen Regierung vertraute Personen. Eigentlich sollten die Kürzungen Ende des Jahres auslaufen. Zurzeit schöpft Riad laut "FT" mit täglich nur etwa 9 Millionen Barrel seine maximale Produktionskapazität von 12 Millionen Barrel gerade mal zu drei Vierteln aus.

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Dass Saudi-Arabien als größtes Förderland die Ölpreise hochhält, indem es die Produktion künstlich drosselt, ist nichts Neues. Hinzu kommt aber nun wachsender Druck in vielen arabischen OPEC-Ländern, etwas gegen die humanitäre Katastrophe im Gaza-Streifen zu unternehmen. Militärisch sind Kuwait, Irak und die Vereinigten Arabischen Emirate genauso zum Zuschauen verurteilt wie die Saudis selbst. Der größte Hebel, der ihnen bleibt, ist der Ölpreis. Mit jeder Bombe die auf Gaza fällt, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die OPEC ihn bald als Druckmittel gegen die Netanyahu-Regierung und ihre westlichen Unterstützerländer einsetzt.

Die Gefahr von 1973 liegt in der Luft

Das Kartell sei durch Israels Krieg gegen die Hamas "wachgerüttelt", schreibt das Blatt unter Berufung auf eine mit den Vorgängen vertraute Person. Weitere Kürzungen von täglich einer Million Barrel könnten daher auf die Tagesordnung gesetzt werden. Kuwait, Algerien und Iran seien am meisten durch den Konflikt aufgewühlt. "Man sollte das Niveau der Wut und den Druck nicht unterschätzen, unter dem die Verantwortlichen am Golf gegenüber ihren Bevölkerungen stehen, auf irgendeine Art zu reagieren", zitiert die "FT" eine weitere den OPEC-Golfstaaten nahestehende Person.

Am Ölmarkt ergibt sich damit eine gefährliche Gemengelage. Denn die Rufe nach wirtschaftlichen Vergeltungsmaßnahmen aus der arabischen Welt fallen in Riad auf fruchtbaren Boden. Mit Beginn des Kriegs gegen die Hamas sind die Ölpreise weiter gefallen und befinden sich derzeit auf einem Viermonatstief unter 80 Dollar pro Barrel. Saudi-Arabien braucht aber nach Schätzungen von Analysten Preise von mindestens 80 Dollar, besser 100 Dollar je Barrel, um genügend Geld für das Mammut-Modernisierungsprogramm zu generieren, mit dem Kronprinz Mohammed bin Salman Flughäfen, Bahnlinien und ganze Städte aus dem Boden stampfen will um das Land fit für die Zeit nach dem Öl zu machen. Der Krieg im Gaza-Streifen ist da womöglich ein zusätzliches willkommenes Argument, an der Preisschraube zu drehen.

Denn momentan herrscht vor allem durch zunehmende Förderung außerhalb der OPEC strukturell eher ein Überangebot auf dem Ölmarkt. Um die Preise möglichst hoch zu halten, koordinieren die OPEC-Staaten schon seit 2016 mit einigen großen, ölproduzierenden Nicht-OPEC-Mitgliedern ihre globale Fördermenge - allen voran Russland. Diese sogenannte OPEC+ - Runde hatte im Herbst 2022 deutliche Kürzungen beschlossen. Doch pumpt Moskau wie verrückt und exportiert immer mehr Öl auf illegalen Wegen, um mit den Petrodollars seine Kriegskasse für die zermürbende Materialschlacht in der Ukraine zu füllen. Damit wächst die Gefahr neuer Kürzungen beim OPEC+ - Treffen am Sonntag.

Doppelschlag für die Weltwirtschaft

Zudem warnte die Weltbank schon Ende Oktober, der Ölpreis könne auf ein Rekordhoch von über 150 Dollar pro Barrel explodieren, sollte der Gaza-Krieg eskalieren - etwa wenn die Hisbollah an Israels Nordgrenze in den Krieg einsteigt und damit auch Iran mehr oder weniger direkt in den Konflikt verwickelt werden würde. Schließlich wurde Öl in der Geschichte des Nahost-Konflikts schon oft als politische Waffe eingesetzt. Etwa 1973, als die arabischen Staaten im Jom-Kippur-Krieg als Vergeltung für die Unterstützung Israels alle Exporte in den Westen stoppten.

In einem solchen Disruptionsszenario, vergleichbar mit dem damaligen Embargo, würde die globale Ölproduktion laut Weltbank um täglich 6 bis 8 Millionen Barrel sinken und der Ölpreis auf bis zu 157 Dollar pro Barrel explodieren - den höchsten Stand aller Zeiten. "Wenn der Konflikt eskaliert, würde das für die Weltwirtschaft zum ersten Mal in Jahrzehnten einen doppelten Energieschock bedeuten - nicht nur vom Krieg in der Ukraine sondern auch aus dem Nahen Osten", warnte Weltbank-Chefökonom Indermit Gill.

Öffentlich wolle Riads Ölminister derzeit den Israel-Hamas-Krieg nicht thematisieren, sondern offiziell den Fokus auf das globale Gleichgewicht der Ölmärkte legen, gibt ein Vertreter Saudi-Arabiens in der "FT" zu. Einen neuen Öl-Schock wie in den 70ern sieht er momentan noch nicht. Eine finale Entscheidung über weitere Kürzungen sei noch nicht gefallen. Zudem hat Riad auch kein Interesse seinem Erzfeind Iran in die Karten zu spielen. Den Ruf aus Teheran nach einem islamischen Ölembargo gegen Israel hat Riad kalt ignoriert. Aber hinter den Kulissen ist die Wut allgegenwärtig: "Die Welt ist selbstgefällig geworden gegenüber dem Potential, das Ölangebot zu verknappen um eine subtile Botschaft zu senden, die sowohl auf den Straßen als auch in Washington genau verstanden werden wird."

Quelle: ntv.de

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